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Betriebliche Mitbestimmung im Wandel: Ein britisch-deutscher Vergleich

Björn Hinderlich

 

Verlag Rainer Hampp Verlag, 2007

ISBN 9783866181847 , 235 Seiten

Format PDF, OL

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2 Institutioneller Wandel in Großbritannien (S. 51-52)

2.1 Rahmenbedingungen

Das britische Rechtssystem besteht primär aus dem Richterrecht („case law"), bei dem die Rechtsprechung auf Präzedenzfällen britischer Gerichte basiert. Dabei sind die Entscheidungen höherrangiger Gerichte für nachgeordnete Gerichte maßgebend. Für das britische Arbeitsrecht stellen neben individuellen Verträgen nationale Gesetze („Acts of Parliament"), auf letztgenannten aufbauende Verordnungen („Regulations") sowie Entscheidungen der Europäischen Union und des Europäischen Gerichtshofes weitere Rechtsquellen dar (vgl. Stein/Rabe von Pappenheim 2000: 1 ff.).

Die industriellen Beziehungen in Großbritannien sind gegenüber Deutschland relativ wenig gesetzlich geregelt. Man spricht in diesem Zusammenhang von „Voluntarism" (vgl. Frick 1997a: 197). Es gibt weder eine gesetzliche Regelung der Betriebsverfassung noch ein kollektives Arbeitsrecht. Ein dualistisches System der Interessenvertretung wie in Deutschland existiert in Großbritannien nicht. Die Arbeitsbeziehungen lassen sich als „monistisch" bezeichnen (vgl. Keller/Schnell 2003: 185). Die Trennung der Arbeitsbeziehungen sowohl von der Legislative als auch von der Judikative besteht seit dem „Trades Disputes Act" von 1906.

Dieser regelte die Immunität der Gewerkschaften vor Strafverfolgung, wenn sie Streiks planen und durchführen. Kahn-Freund betrachtet diese geringe gesetzliche Reglementierung als ein Anzeichen dafür, dass die industriellen Beziehungen in Großbritannien gut entwickelt und staatliche Eingriffe nicht nötig seien: „The legal aspect of those obligations on which labour-management relations rest is, from a practical point of view, least important where industrial relations are developed most satisfactorily" (Rawson 1983: 173). Er bezeichnete dieses System als „collective laissez-faire" (vgl. Brown/Deakin/Ryan 1997: 70).

2.1.1 Britische Gewerkschaften und ihr traditionelles Rollenverständnis

Seit ungefähr 200 Jahren – und damit länger als in jedem anderen Staat – existieren in Großbritannien Gewerkschaften (vgl. Roberts 1985: 101). Die britischen Gewerkschaften verstehen sich traditionell im tarifpolitischen Bereich als Legislative und regierende Macht zugleich, weshalb sie einer gesetzlichen Regelung der Arbeitsbeziehungen ablehnend gegenüber stehen. Die britischen Gewerkschaften stellen nach ihrem eigenen Selbstverständnis eine Opposition zu den Arbeitgebern dar. Dabei beschränkt sich die Einflussnahme der britischen Gewerkschaften nicht nur auf wirtschaftliche Tatbestände, sondern umschließt ebenso politische Sachverhalte.

Die Begründung hierfür liegt in der gewerkschaftlichen Rolle als Interessenvertretung der Arbeiterklasse (vgl. Fröhlich/Schnabel 1990: 170 ff. und Rawson 1983). Eine legitimierte Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Gewerkschaften erfolgt erst nach Annerkennung („recognition") der Gewerkschaften durch das Management. 29 Dabei besteht für den Arbeitgeber ständig die Möglichkeit, diese Annerkennung wieder zurückzunehmen („derecognition") (vgl. Frick 1997a: 196 f.).30 Erkennt ein Arbeitnehmer mehr als eine Gewerkschaft an, spricht man von „Multi- Unionism".

Tarifvereinbarungen können überbetrieblich, z.B. branchenweit, oder auf betrieblicher Ebene abgeschlossen werden und sind nicht bindend. Sie gelten, bis eine Verhandlungsseite die Vereinbarung nicht mehr einhält. Aus dieser einseitigen Aufkündigung folgen keine rechtlichen Konsequenzen (vgl. Fröhlich/Schnabel 1990, 170 f.). Bindend sind Tarifabkommen oder Teile von ihnen erst, wenn dieses explizit zwischen den Verhandlungspartnern vereinbart wurden (vgl. Henderson 1980: 60).

Die Tarifvereinbarungen erhalten für den einzelnen Arbeitnehmer erst Gültigkeit, wenn dieses vertraglich zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer vereinbart wurde. Zudem ist es möglich, Tarifvereinbarungen stillschweigend in einen Individualarbeitsvertrag zu übernehmen, wenn dieses in dem betreffenden Industriezweig üblich ist (vgl. Stein/Rabe von Pappenheim 2000: 21). Ein weiterer Unterschied zu den Arbeitsbeziehungen in Deutschland besteht in der Existenz der sogenannten „Closed Shops".