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Funktionelle und somatoforme Störungen im Kindes- und Jugendalter (Reihe: Klinische Kinderpsychologie, Bd. 11)

Meinolf Noeker

 

Verlag Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG, 2008

ISBN 9783840916762 , 329 Seiten

Format PDF, OL

Kopierschutz Wasserzeichen

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26,99 EUR

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Kapitel 6 Funktioneller Bauchschmerz (S. 105-106)

6.1 Beschreibung des Störungsbildes

6.1.1 Historische Entwicklung des Störungskonzeptes


Pionierarbeit zur Erforschung des funktionellen Bauchschmerzes leisteten Apley und Naish (1958) in einer sorgfältigen und immer noch viel zitierten Studie an über tausend Schulkindern. Apley und Naish führten eine Definition ein, die über viele Jahrzehnte allgemeine Gültigkeit erzielte. Nach ihrer damaligen Definition lag ein rekurrierender, abdomineller Schmerz („recurrent abdominal pain", abgekürzt: RAP) vor, wenn ein Kind über einen Zeitraum von mindestens drei Monaten an mindestens drei Episoden abdominellen Schmerzes leidet, die ernsthaft genug sind, seine Alltagsaktivitäten einzuschränken.

Diese Definition hat über viele Jahrzehnte die Ein- und Ausschlusskriterien zu klinischen Studien beim chronisch-abdominellen Bauchschmerz bestimmt. In der Zeit von Apley und Naish in den späten 50er Jahren war die extensive terminologische Verwendung dieses übergreifenden Störungsbegriffs nachvollziehbar, weil sowohl viele organisch begründete wie funktionelle gastrointestinale Störungen noch nicht präzise differenziert werden konnten. Die Ergebnisse von vielen Studien, die sich in den Folgejahren an der Störungsdefinition von Apley und Naish (1958) orientiert haben, beziehen sich demnach auf die Gesamtgruppe aller Kinder und Jugendlichen mit funktionellen Bauchschmerzen. Heute besteht Konsens, dass der rekurrierende, abdominelle Schmerz keine Diagnose, sondern ein Symptomspektrum bezeichnet.

Für die Gesamtgruppe funktioneller gastrointestinaler Störungen gilt als gemeinsames Definitionsmerkmal eine variable Kombination von chronisch-episodischen gastrointestinalen Symptomen bei gleichzeitiger Abwesenheit einer identifizierbaren strukturellen oder biochemischen Abnormalität (Drossman et al., 1990). Die individuelle Symptomkonstellation führt dann zur spezifischen Diagnose innerhalb des Spektrums der verschiedenen funktionellen gastrointestinalen Störungen. Die wichtigsten Störungskategorien, die mit funktionellen Bauchschmerzen einhergehen, umfassen die funktionelle Dyspepsie („Reizmagen"), das Reizdarmsyndrom, die funktionelle abdominelle Schmerzen im engeren Sinne sowie die abdominelle Migräne.

6.1.2 Traditioneller Dualismus von Somatogenese versus Psychogenese
Funktioneller Bauchschmerz ist heute für 2% bis 4% aller Besuche beim Kinderarzt verantwortlich und damit einer der häufigsten Vorstellungsanlässe (vgl. Alfvén, 2001). Nur bei circa 5% der Patienten jedoch, die sich klinisch vorstellen, kann eine organische Ursache identifiziert werden. In der Regel ergibt die klinische Untersuchung und Labordiagnostik unauffällige infektiöse, entzündliche und biochemische Befunde. Diese Abwesenheit positiver organischer Befunde führt zum Verdacht auf einen funktionell bedingten Bauchschmerz. Traditionell hat ein negativer somatischer Befund oft zur direkten Annahme einer Psychogenität des Bauchschmerzes geführt.

Zur Erklärung der Schmerzsymptomatik haben psychosomatische Konzepte auch bei Kinderärzten breite Anerkennung und Berücksichtigung bei der Diagnosemitteilung gefunden. Traditionell war die dualistische Grundannahme vorherrschend, dass nach dem Ausschluss einer organischen Ätiologie nur eine psychogene Verursachung als Erklärung übrig bleibt. Für diese Schlussfolgerung reichte traditionell der negative Befund der pädiatrischen Ausschlussdiagnostik.

Ein komplementärer, positiver psychopathologischer Befund für die Diagnose eines „psychogenen Bauchschmerzes" wurde in der Regel nicht gefordert, es reichte vielmehr, wenn die somatischen Befunde negativ ausfielen. Fehlende Anzeichen einer psychischen Auffälligkeit beim Kind wurden nicht als Ausschluss einer Psychogenität gewertet. Auch wenn keine spezifischen psychologischen Gründe für einen Bauchschmerz nachweisbar waren, wurde die Diagnose eines psychogenen Bauchschmerzes häufig aufrechterhalten. Zur Begründung der Annahme einer Psychogenität trotz fehlender klinischer Evidenz wurden vor allem zwei Argumentationsfiguren herangezogen:

• Die psychische Verursachung sei – zumindest bei einer orientierenden Untersuchung – klinisch nicht nachweisbar, weil die Gründe unbewusst und damit der Exploration von Kind und Eltern nicht unmittelbar zugänglich seien. Daher sei eine Psychogenität weiterhin anzunehmen, aber leider klinisch nicht belegbar. Diese Argumentation ist unwissenschaftlich, weil sie nicht empirisch falsifiziert werden kann.