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Steinerne Schlösser

Mang-gon Jai

 

Verlag Heller Verlag, 2014

ISBN 9783929403169 , 250 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

Geräte

4,99 EUR


 

Kapitel 1

Es war ein kalter Tag in Deutschland. Es schneite und es hatte gefroren. Der Himmel sah grau aus. Es würde noch viel mehr schneien in der kommenden Nacht.

Es war der 23. Dezember, der Tag vor Heiligabend - Weihnachtstrubel.

Die Innenstadt quoll über von Menschen, die mit großen Paketen und Plastiktüten über den hartgetretenen Schnee durch die Fußgängerzone hasteten.

Stände mit Bratwurst, gebratenen Champignons, Hot Dogs und Glühwein waren aufgebaut. Überall plärrte Weihnachtsmusik.

Grod Jäger hasste diesen Trubel und doch war auch er einer der vielen, die hier die letzten Weihnachtseinkäufe tätigten.

Viel hatte Grod nicht einzukaufen, er hatte nur einen sehr kleinen Bekanntenkreis. Er brauchte eigentlich niemandem etwas zu schenken, ihm schenkte ja auch niemand etwas.

Grod hatte lediglich ein kostbares Parfüm gekauft, sich selbst schenkte er ein paar Bücher. Er würde die Feiertage lesend verbringen.

Judith Helfer, für die das Parfüm bestimmt war, war eine junge, überaus hübsche und attraktive Witwe eines Juweliers.

Früher lebte sie in Hannover, in einem palastartigen Haus zusammen mit ihren Schwiegereltern. Mit denen hatte sie sich jedoch überworfen und war hierher gezogen, in den Ort, in dem auch Grod lebte.

Grod hatte sie vor etwa zwei Jahren kennen gelernt . Er war mit ihr in Thailand gewesen, um dort den gewaltsamen Tod ihres früheren Ehemannes aufzuklären. Seitdem waren sie miteinander befreundet.

Sie lebten keinesfalls zusammen. Hin und wieder trafen sie sich, manchmal aßen sie zusammen. Beide, Judith und Grod, kochten sehr gern. Judith kochte europäische Küche. Wenn Grod hingegen kochte, gab’s asiatische Speisen, am liebsten thailändische Gerichte, höllisch scharf.

Es war sehr kalt an diesem Nachmittag. Grod zog die Bänder an seinem Parka stramm, gar nicht einfach mit vor Kälte steifen Fingern. Es war noch weit bis zu seinem Auto. Einen Parkplatz in der Nähe hatte er nicht gefunden.

In seiner Hosentasche vibrierte es - sein Handy meldete sich. Grod hatte es auf Vibrationsalarm gestellt.

Mit steifen Fingern versuchte er, die Bänder seines Parkas wieder zu lösen. Es ging nicht, in der einen Hand hielt er nämlich die Tüte des Parfümeriegeschäfts. Grod stellte sich an eine der Glühweinbuden, um dort seine Tüte abzustellen. Dann versuchte er erneut, die Bänder vom Parka zu lösen. Endlich gelang es ihm. Mühsam fischte er das Handy aus der Tasche. Kaum hatte er es in der Hand, hörte das Vibrieren auf. Der Anrufer hatte aufgelegt.

Klar, war nicht anders zu erwarten.

„Zwei Euro.“ Die Frau vom Glühweinstand hatte ihm unaufgefordert einen Pappbecher mit klebrigen, lauwarmen Glühwein hingestellt.

Grod bezahlte und trank etwas von dem Zeug.

Wer war das wohl, überlegte Grod. Nur sehr wenige kannten die Nummer seines Handys.

Das Handy meldete sich erneut. Es war Judith.

„Hallo Grod“, flötete sie, „was machst du Heiligabend?“

„Keine Ahnung. Wahrscheinlich werde ich lesen. Ich habe mir eben ein paar Weihnachtsgeschenke gekauft - Bücher. Du weißt, ich lese gern.“

„Ich bin auch allein am Heiligabend. Willst du nicht kommen? Ich könnte eine Gans zubereiten.“

Grod überlegte. Eigentlich hatte er sich mit ‚einsamer Weihnacht’ abgefunden. Er saß gern vor seinem Kamin und las. Andererseits war eine schöne, gebratene Gans auch nicht zu verachten.

„Überlege nicht so lange! Los, sag ja! Wir machen uns einen schönen Abend.“

„O.k., du hast mich überredet.“

„Prima! Ich besorge noch etwas zum Trinken. Ich freu mich schon auf dich. Tschüss, bis morgen Abend.“

„O.k., bis morgen.“

Wieder einmal kam alles ganz anders, als Grod geplant hatte.

Er trank noch etwas von seinem Glühwein und beobachtete die vorbeiziehenden Menschen.

Mütter mit quengelnden Kindern an der Hand. Ein Weihnachtsmann, der in seinem rot-weißen Kostüm, offenbar frierend, die kleinen Kinder verängstigte. Die dazugehörenden Eltern fanden das allerdings ganz in Ordnung. Ein Kind stand weinend zwischen all den Menschen, es hatte in dem Trubel seine Eltern verloren - Weihnachten.

Der Weihnachtsmann stellte sich neben Grod und bestellte sich ebenfalls einen Glühwein.

„Scheiß Wetter!“, sagte er zu Grod.

Grod nickte. „Scheiß Wetter!“ Es war wie ein Gruß.

In seinen Gedanken sah Grod Judith vor sich. Vor zwei Jahren war sie ihm gegen seinen Willen nach Thailand gefolgt. Er mochte sie damals nicht besonders. Das hatte sich geändert. Als ihr gemeinsames Abenteuer dort beendet war, mochte er sie recht gern.

Im folgenden Sommer waren ihre thailändischen Freunde, Samrak, Jindi mit ihren Kindern und der etwas beschränkte Torr zu Besuch nach Deutschland gekommen. Das war schon lange her. Sie waren alle schon wieder in ihrer Heimat, in Thailand.

In Thailand gab es jetzt keinen Frost und Schnee. Grod wäre gern wieder in Thailand gewesen.

„Möchten Sie auch noch einen?“ Der Weihnachtsmann hielt Grod einen weiteren Pappbecher mit Glühwein hin.

„Danke.“

„Den Nikolaus spiele ich jetzt schon fünf Jahre“, erklärte der Weihnachtsmann, „aber bei so einem Wetter macht’s keinen Spaß.“

„Kann ich verstehen“, bestätigte Grod, „im Sommer macht es sicher mehr Spaß, da ist´s nicht so kalt.“

„Reich wird man davon auch nicht“, fuhr der Weihnachtsmann fort. Er hatte Grods dummen Spruch gar nicht registriert.

Grod nickte zustimmend.

„Eigentlich darf ich während meines Dienstes gar keinen Glühwein trinken“, vertraute der Weihnachtsmann Grod an.

„Verstehe“, sagte Grod. „Ärzte dürfen bei einer Herztransplantation auch nicht betrunken sein.“

Der Weihnachtsmann grinste blöd. Wahrscheinlich wusste er nicht genau, was eine Herztransplantation war.

Er nahm einen Schluck Glühwein und schien zu überlegen.

„Dann will ich mal wieder“, sagte Grod. „Viel Spaß noch.“

Langsam schob er sich wieder in den Strom der Menschen. Die Kapuze seines Parkas hatte er hochgeschlagen. Es war jetzt recht heftig am Schneien.

Grod stapfte durch den Schnee in Richtung seines Autos. Am Straßenrand standen ein paar Gestalten in dicken Jacken und mit Wollmützen auf dem Kopf. Sie trugen gestrickte Handschuhe mit abgeschnittenen Fingern. Auf den unterschiedlichsten Flöten spielten sie Hirtenlieder aus den Anden. Ein Geiger war auch mit dabei.

Der geöffnete Geigenkasten stand zu ihren Füßen. Einige Münzen lagen darin.

Grod blieb einen Augenblick stehen, um zuzuhören.

Zumindest haben sie in den Anden die richtige Kleidung für dieses kalte Wetter, dachte Grod. Dann ging er weiter.

Nach ein paar Schritten sah Grod an einer Hauswand ein Plakat.

Das Leben des Brian

Der besondere Film zu Weihnachten

Seit nunmehr neun Jahren spielen wir auch in diesem Jahr am

Heiligen Abend, um 18:00 Uhr, den Kultfilm

„Das Leben des Brian“

Stella Filmtheater

Vorverkauf an allen bekannten Vorverkaufsstellen und an der Abendkasse

(Je zwei Besucher erhalten eine Flasche Sekt.)

Wer geht schon Heiligabend ins Kino, dachte Grod. Dann überlegte er: Warum eigentlich nicht?

Umständlich kramte Grod sein Handy aus der Tasche und rief Judith an.

„Hallo“, meldete sie sich.

„Ich bin’s, Grod.“

„Sag bloß nicht, dass du absagen willst. Ich bin bereits bei allen Vorbereitungen.“

„Nein, keine Angst. Aber kann deine Gans nicht etwas warten? Wollen wir erst ins Kino gehen?“

„Wir wollen was? Heiligabend ins Kino?“

„Ist doch einmal etwas anderes, eigentlich so wie Kirche, nur anders.“

„Bist du betrunken?“

„Nein, ich meine das ganz ernst. Erst ins Kino und dann zu dir nach Hause, die Gans essen.“

„Wie heißt denn der Film?“

„Das Leben des Brian.“

„Kenne ich nicht. Aber, wenn es dein Ernst ist, gehen wir Heiligabend eben ins Kino. Um wie viel Uhr beginnt die Vorstellung?“

„Um 18:00 Uhr.“

„O.k., dann sei bitte um 17:00 Uhr bei mir. Wir trinken noch einen Kaffee und fahren dann gemeinsam. Wir müssen ja nicht mit zwei Autos fahren.“

„O.k., tschüss bis morgen.“

„Tschüss. Vergiss nicht, um 17:00 Uhr.“

Es wäre das erste Mal, dass er zu Heiligabend ins Kino ginge, überlegte Grod, während er weiter in Richtung zu seinem Auto stapfte.

Am nächsten Tag, Heiligabend, fuhr er zu Judith. Pünktlich um 17:00 Uhr klingelte er an ihrer Tür. Frau Schelpisch öffnete die Tür.

Frau Schelpisch kam stundenweise zu Judith, um die Wohnung sauber zu halten. Grod nannte sie im Geheimen ‚Frau Schellfisch‘.

„Frohe Weihnachten, Herr Jäger“, grüßte sie. „Frau Judith wartet schon auf Sie.“

„Frohe Weihnachten.“

Zur Begrüßung gab Judith ihm einen flüchtigen Kuss.

„Frohe Weihnachten! Ich freue mich, dass du gekommen bist.“

„Arbeitet Frau Schellfisch heute bei dir, am Heiligabend?“

„Sie muss sich doch um die Gans kümmern. Wenn wir zurückkommen, hat sie dann frei.“

„Wer, die Gans oder Frau...