dummies
 

Suchen und Finden

Titel

Autor/Verlag

Inhaltsverzeichnis

Nur ebooks mit Firmenlizenz anzeigen:

 

Das Rätsel um die verschwundene Braut - Ein Krimi aus Wales

Elizabeth J. Duncan

 

Verlag Dryas Verlag, 2014

ISBN 9783940258489 , 220 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

Geräte

6,99 EUR


 

Kapitel 1

 

Emma Teasdale war seit längerer Zeit krank gewesen, und starb schließlich allein und friedvoll an einem kühlen Abend im Juni.

Die Leute, die ihre Mittagspause im örtlichen Lokal ‚The Leek & Lily‘ verbrachten und sich über ihre alltäglichen Probleme unterhielten, erfuhren die traurige Nachricht vom Tod der ehemaligen Lehrerin. Sie dachten mit Wehmut an ihre eigene, längst vergangene Schulzeit zurück.

Eine Person jedoch, die ebenfalls von Emmas Tod erfuhr, wusste sofort, dass etwas erledigt werden musste, was nur sie konnte.

Penny Brannigan nahm ihre eisblaue Jacke, drehte das Türschild auf 'Geschlossen' um und verriegelte die Tür ihres kleinen Nagelstudios 'Happy Hands Nail Care

Sie ging die Station Road entlang und bog nach rechts in Richtung Marktplatz ein.

Wenige Minuten später kam sie etwas außer Atem bei 'Wightman & Sons' an, dem seit vielen Generationen ortsansässigen Bestattungsunternehmen.

Sie hielt einen Moment vor dem vertrauten Schaufenster inne, das sorgsam mit hellgrünem Samt ausgelegt und mit verstaubten Trockenblumen geschmückt war.

Als ihr wieder bewusst wurde, warum sie hier war, betrat sie den Laden. Die Türglocke ertönte und Philip Wightman trat aus einem Nebenraum hervor. Er wischte sich seine Hände an einem kleinen, gelb-weiß-gestreiften Handtuch ab.

Philip war groß und ging leicht gebeugt. Er hatte dünnes, weißes Haar und trug unter einer dunklen Jacke eine gestreifte Hose. Er lächelte, als er sah, wer ihm einen Besuch abstattete, und wollte gerade seinen Gast begrüßen, als Penny sagte:

„Philip, ich bin hier wegen Emma Teasdale. Um direkt zur Sache zu kommen: Ich würde gerne Emmas Fingernägel machen, bevor sie uns für immer verlässt. Emma hätte das gewollt. Sie hat meine Maniküre immer geliebt und war sehr eigen in diesen Dingen. Ich werde ihre Lieblingsfarbe 'Altar Ego' nehmen. Es ist ein schwaches Pink, umrahmt von Lavendellila, und ist genau das Richtige für diesen Anlass.“

Mit einem mitleidvollen Lächeln bot Philip ihr an, Platz zu nehmen. „Ja, hallo auch, Penny. Wie geht es dir denn? Wie immer beschäftigt? Keine Zeit mehr für die angenehmen Dinge des Lebens?“ Penny wollte sich entschuldigen, aber er schüttelte den Kopf. Dann dachte er einen Moment nach, faltete seine Hände sorgfältig und nickte zustimmend.

„Nun, ich denke, du hast recht. Miss Teasdale hätte es sich gewünscht“, sagte er. „Warum kommst du nicht morgen nach elf Uhr wieder und bringst deine Sachen mit. Wir werden dann Emma, eh, Miss Teasdale vorbereitet haben. Wenn du willst, bleibe ich bei dir, während du ihre Nägel machst. Die Leichenschau beginnt morgen um 14 Uhr, sodass du genügend Zeit hast.“ Er hielt inne und sah sie mitleidsvoll an. „Bist du dir wirklich sicher, dass du das tun willst?“ Penny nickte. „Das bin ich, Philip. Ich danke dir für deine Anteilnahme. Ich habe bisher noch nie jemandem eine Maniküre gemacht, der ...“ Ihre Stimme versagte. Philip vollendete ihren Satz „... gestorben ist.“

Penny dankte ihm, wandte sich um und ließ sich auf dem Rückweg zu ihrem Nagelstudio mehr Zeit. In ihrem kleinen Laden arbeitete sie schon seit mehr als zwanzig Jahren.

 

Der Tag hatte mit schönem Wetter begonnen, doch nun sah es nach Regen aus. Schwere, dunkle Wolken jagten am Himmel und der Wind nahm zu. Leere Trinkbecher, Plastiktüten und Papierfetzen wirbelten unaufhaltsam die Straße hinunter.

Als sie an ihrem Laden ankam, stand Penny einen Moment lang da, um die einzigartige Atmosphäre des Ortes zu genießen. Ihr Studio war eines von drei Geschäften in einem alten Steingebäude. Die Räumlichkeiten nebenan hatten einige Zeit leer gestanden. Ein Fotograf hatte kürzlich sein Studio im dritten Geschäftsraum eröffnet.

Zum Charme ihres Ladens trug ein kleiner Bach bei, der fröhlich am Haus entlang plätscherte. Das Wasser sprudelte über glitschige, runde Steine, was ein erfrischendes und doch beruhigendes Geräusch erzeugte. Eine geschwungene, schmiedeeiserne Treppe führte vom schmalen Gehweg zu ihrer kleinen Wohnung im ersten Stock. Sie ging jedoch selten die Außentreppe hinauf, weil es normalerweise schneller und bequemer war, den Aufgang im Hause zu benutzen. Dieser war im hinteren Bereich ihres Ladens durch eine unscheinbare Tür zu erreichen. Noch dazu musste sie einmal an einem regnerischen Morgen die Erfahrung machen, wie hart ein Aufprall sein konnte, wenn man auf den nassen, glitschigen Stufen der schmalen Außentreppe stürzte.

Sie öffnete die Tür zu ihrem Laden und ging hinein. Als sie das Türschild auf 'Geöffnet' umgedreht hatte, dachte sie wie so oft daran, wie froh sie sein konnte, ihren beschaulichen Lebensunterhalt damit zu verdienen, was sie am besten konnte, und was die anderen Leute offensichtlich zu schätzen wussten.

Ihr Nagelstudio war ordentlich, sauber und gut ausgestattet. Zahlreiche Fläschchen mit Nagellack waren akkurat neben einem kleinen Arbeitstisch aufgestellt, wo Frauen, Mädchen und gelegentlich sogar ein Mann, immer ein Tourist, Platz nahm, um die Nägel einzuweichen, die Nagelhaut kürzen und die Nägel schneiden, polieren und bemalen zu lassen. Die Farbpalette des Nagellacks reichte von Rosy Pink, über lebendiges Rot, tiefes Lila und Braun bis zu Vanillecreme und Perlweiß.

Penny war stolz darauf, für jede Frau und jede Gelegenheit die passende Farbnuance empfehlen zu können. Ein Vorstellungsgespräch? Sie möchten professionell aussehen? Warum versuchen Sie es nicht einmal mit Japanese Rose Garden? Ein erstes Rendezvous? Verblüffen Sie ihn mit einem Big Apple Red. Sie sind über fünfzig? Meiden Sie dunkle, auffällige Farben und wählen Sie etwas Passendes, das Ihren alternden Händen schmeichelt. Sonora Sunset wäre genau das Richtige für Sie.

Bei den Gedanken an Emma musste sie lächeln. Emma war nie verheiratet gewesen und Anfang siebzig. Dennoch wählte sie als Lieblingsfarbe Altar Ego aus der Brautkollektion. Trotz ihres Altersunterschiedes und ihrer unterschiedlichen Herkunft, entwickelte sich die Beziehung der beiden Frauen im Laufe der Jahre zu einer festen und innigen Freundschaft. Penny hatte Emma wie eine liebevolle und nette Tante bewundert, die sie sich immer gewünscht hatte, und wusste, dass Emma ihre Gefühle erwiderte.

Obwohl Penny Emmas Musikgeschmack nicht teilte, begleitete sie ihre Freundin gerne zu einem ausgefallenen Konzert oder Vortrag. Gleichermaßen besuchte Emma zusammen mit Penny Kunstgalerien oder Wanderausstellungen – einmal sogar bis ins weit entfernte Manchester.

Als Emma älter wurde und die Krankheit fortschritt, tat Penny alles, dass es ihrer älteren Freundin gut ging, während beide – jede auf ihre Art und Weise – versuchten, mit dem Unvermeidbaren fertig zu werden. Und nun war er schließlich da, der Tag, vor dem sich Penny immer gefürchtet hatte; der Tag, an dem sie die erschütternde Nachricht erfuhr.

Genauso wie Emma, stammte Penny nicht aus dieser Gegend. Mit Anfang zwanzig war sie als kanadische Rucksacktouristin auf ihrem Weg nach Betws-y-Coed in diese Kleinstadt gekommen, um hier eine Rast einzulegen. Mit ausgestreckten Beinen fand sie einen Platz auf St. Elen's Kirchhof und biss genüsslich in einen Apfel. Die Aussicht auf die leuchtend grünen Felder, die sich bis zu den höher gelegenen lilafarbigen Hügeln erstreckten, raubte ihr schier den Atem. Zum ersten Mal wurde ihr die Bedeutung des Begriffes 'atemberaubende Aussicht' bewusst.

Sie war überwältigt von der Tiefe und der Lebendigkeit der samtgrünen Felder um sie herum. Sie erstreckten sich höher und weiter, bis sie sich mit dem Lila und Grau der Bäume auf den obenliegenden Hügeln vereinten. Im Vordergrund verzauberte der plätschernde Conwy nicht nur durch seinen Anblick, sondern auch durch die wunderbaren Geräusche und die lebhafte Bewegung des Wassers. Nach wenigen Minuten beschloss sie, diese grandiose Gegend um sie herum festzuhalten und nahm aus ihrem Rucksack ein Zeichenbrett sowie einen Bleistift. Während sie mit gebeugtem Kopf den Stift über das Papier führte, vergaß sie die Zeit. Die Dunkelheit brach herein.

Die Sonne neigte sich langsam der Erde entgegen, das Licht wurde heller und veränderte ihre Farbe zu einer zauberhaften Nuance, die die nahende Dämmerung ankündigte. Penny schaute auf die Uhr und stellte fest, dass es schon zu spät war, um weiter nach Betws-y-Coed zu gehen; sie würde sich hier eine Bleibe für die Nacht suchen.

Auf dem Marktplatz begegnete ihr eine elegant gekleidete Dame in einem hellgrünen, leichten Mantel. Sie trug einen altmodischen Weidenkorb. Penny fragte die Frau, ob sie ihr eine günstige Pension empfehlen könne. Obwohl die Dame offensichtlich in Eile war, weil die Geschäfte bald schließen würden, nahm sie sich die Zeit und schlug Penny in sehr gutem englischen Akzent eine geeignete Adresse vor.

 

Am nächsten Morgen begegnete Penny wieder dieser Frau, die nun ein Kopftuch und ein paar Schulbücher trug. Als sie Penny erkannte, grüßte sie herzlich und erkundigte sich, ob die Unterkunft zufriedenstellend gewesen sei. Es handelte sich bei dieser Frau natürlich um Emma. Penny verbrachte eine weitere Nacht in der Pension. Am dritten Tag nahm sie dankend Emmas Einladung an, ein paar Tage in ihrem Gästezimmer zu übernachten. Die Zeichnung, die Penny an diesem ersten Nachmittag angefertigt hatte, hing nun schon seit fast dreißig Jahren als umrahmtes Aquarell in Emmas gemütlichem Wohnzimmer.

So eine flüchtige Begegnung, dachte Penny mit tränenüberfüllten Augen. Sie bezweifelte, dass es noch viele Menschen gab, die einem Fremden gegenüber so hilfsbereit waren wie Emma. In...