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Soziale Arbeit in Gesellschaft

Bielefelder Arbeitsgruppe 8

 

Verlag VS Verlag für Sozialwissenschaften (GWV), 2008

ISBN 9783531909608 , 437 Seiten

Format PDF, OL

Kopierschutz Wasserzeichen

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42,25 EUR


 

3. Wissenschaftstheorie und Empirie Wissenschaftstheorie und Empirie – ein Situationsbild: Reflexive Wissenschaftstheorie, kognitive Identität und Forschung (in) der Sozialpädagogik (S. 105-106)

Bernd Dewe

Einleitung

Wissenschaftstheorie und Empirie – ein Situationsbild Die wissenschaftstheoretische Rekonstruktion sozialpädagogischer Theorieüberlegungen verweist auf die besondere Bedeutung der Reflexivität in der Sozialpädagogik als struktur- und prozessreflexive Handlungswissenschaft. Sozialpädagogik kann von ihrer historischen Entwicklung her als professionalisierte Reflexionswissenschaft gedacht werden und zielt damit auf theoretische Ansätze zur Entwicklung eines angemessenen forschungsmethodischen Zugangsbedarfs, der die gesellschaftliche Realität der SA/SP in ihrer Komplexität und der das nutzerspezifische Potenzial in seiner Tiefendimension zu erschließen vermag.

Tatsächlich besteht ein hoher Bedarf an wissenschaftlich und empirisch fundierter Reflexionskompetenz in der sozialpädagogischen Theorie und Praxis. Hierzu sind theoretische Grundlagen eines reflexiven Verständnisses ebenso wichtig wie die Transformation wissenschaftlicher Reflexion in die berufliche Praxis. Reflexion wird evoziert in Organisationen Sozialer Arbeit, in wissenschaftlichen Evaluationen, in der beruflichen Supervision, bei der Hilfeplanung und in der Beratung. Dabei geht es zum einen um den Erwerb professioneller Reflexionskompetenz und zum anderen um die Anleitung zur Reflexion.

Die hier zu rekonstruierende und zu diskutierende wissenschaftstheoretische Position befasst sich mit der Entwicklung von Reflexionskompetenz, der Entstehung von Wirklichkeitskonstruktionen, der Transformation von Bedeutungsperspektiven, der Relationierung von Wissensformen und dem Erwerb von Könnensstrukturen und Fallbearbeitungskompetenzen. Ziel meiner Absichten ist eine Bündelung der sozialwissenschaftlichen Ansätze zur Reflexivität in der Sozialpädagogik unter Hinzuziehung der aktuellen Theorie-Debatten und Forschungsbeiträge. Ausgehend von der Fragestellung nach den Bedingungen, Grundlagen und Voraussetzungen eines wissenschaftlichen Verständnisses sozialpädagogischer Reflexion sollen die Antworten in den Praxisfeldern, der Theoriebildung, den sozialpädagogischen Institutionen, der Aus- und Weiterbildung und der Forschung gefunden werden.

1. Sozialpädagogische Wissensformen und Theorie/ Praxisrelationierungen

Mit der Rede von sozialpädagogischen Wissensformen und Theorie/Praxisrelationierungen wird prinzipiell die Frage nach der handlungsleitenden Funktion von pädagogischem Wissen wie umgekehrt auch die Frage nach seiner handlungsleitenden Organisierbarkeit aufgenommen. Es liegt mir fern, diese Problematik im Stil der üblichen, in der Sozialpädagogik so beliebten, Theorie-Praxis-Rhetorik zu bearbeiten. Vielmehr liegt mir daran, sie als theoretische Frage auszugeben, mithin als Frage nach den Orten und nach der Anordnung, in der die Organisation von Wissen und die von Handlungen sich aufeinander beziehen. Die gängige Theorie-Praxis-Rhetorik neigt dazu, die Anordnung der Orte vorab vorzunehmen, indem sie nämlich die Sprachspiele des theoretischen Wissens nur dann für bedeutsam hält, wenn sich in ihnen der Gang der Handlung spiegelt (vgl. Dewe 2007b).

Im Mainstream der Theorie-Praxis-Rhetorik, der für die meisten Sozialpädagogen/ Sozialarbeiter so selbstverständlich ist, dass sie ihr Berufsleben lang daran festhalten, sind gleichwohl starke und in keiner Weise selbstverständliche Hypothesen enthalten. Die Forschungen zu „Handlungsrezepten" und „Topoi" (vgl. Dewe 2007a) haben deutlich gemacht, dass die Vermittlungsproblematik in der handlungsgängigen Sprachspielgestaltung keineswegs aufgeht, sondern, dass im Gegenteil Schematismen und Zurechnungsmechanismen, deren Rekonstruktion ausgesprochen abstrakte Wissensbestände erkennen lässt, durch auslösende Ereignisse situativ in ausgesprochen handlungswirksame Orientierungsleistungen übergehen können.

Umgekehrt können Wissensbestände mit sehr konkretem Outfit, wie sie das Arsenal der humanistischen Psychologie und der sozialtherapeutischen Ansätze bereithält, sich ihrer Handlungswirksamkeit gegenüber als Abstraktion erweisen. Die generelle Frage reflexiver Sozialpädagogik ist, inwieweit das sozialpädagogische Wissen seine eigene Bedeutsamkeit überhaupt in der Hand hat. Wissenschaftliche Fundierungsbemühungen im sozialpädagogischen Diskurs greifen unter Missachtung dieser Fragestellung häufig zu kurz, weil sie die Komplexität ihres Gegenstandsbereiches verkennen und danach trachten, dort eindeutiges Wissen und Planbarkeit zu generieren, wo diese Ziele kaum erreichbar sind (Nörenberg 2007).