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Das spanische Jahrhundert

Eberhard Straub

 

Verlag Siedler, 2009

ISBN 9783641010607 , 353 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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17,99 EUR


 

Der Götterfunke republikanischer Freude Illusionen und ideologische Verhärtungen zwischen den Parteien (S. 145-146)

AM 20. MÄRZ 1931 WURDE DER PROZESS gegen die inhaftierten Mitglieder des Revolutionären Komitees eröffnet, das die – gescheiterte – Provisorische Regierung der Republikaner repräsentierte. Das Verfahren entwickelte sich von vornherein zu einem Schauprozess. Aber nicht die in den Putschversuch vom Dezember verwickelten Politiker standen im Mittelpunkt, sondern der König. Die Verteidigung verstand es, unter dem Beifall des Publikums denKönig anzuklagen, der die Verfassung verletzt habe und nach absoluter Macht strebe. Der König war es, der den Umsturz plante.

Die politischen Rebellen handelten als Patrioten, im Einklang mit der öffentlichen Meinung, die der Tyrannis desKönigs und seiner Diktatoren längstmüde war. Begleitet wurde der Prozess von massiven Studentenunruhen, die von der Straße aus den Übergang zur Republik erzwingen wollten. Der unvermeidliche Ortega y Gasset stand an der Seite der Studenten und diente als geistreicher Tonverstärker für die ohnehin nicht leise vorgetragenen republikanischen Erwartungen.

Vom General Dámaso Berenguer hatte sich Alfons XIII. im Februar getrennt. Verzweifelt bemühte er sich um eine neue Koalition, die den Rückweg zur Verfassung und zu Wahlen vorbereiten sollte. Der parteilose Admiral Juan Bautista Aznar, nur von unbeirrbaren Monarchisten unterstützt, stellte sich für den Übergang zur Verfügung. Gutmütig und ahnungslos vertraute er darauf, dass die Ergebnisse korrekter Wahlen ganz von selbst zu einer allgemeinen Beruhigung führen würden. Er glaubte, es handelte sich um eine der vielen Regierungskrisen, die doch jedes Mal hatten beigelegt werden können.

Die »alten Politiker« sahen es nicht anders. Sie unterschätzten den Überdrussamalten System, das durch denKönig symbolisiert wurde. Es ging gar nicht mehr darum, die Verfassung wieder in Kraft zu setzen, die Öffentlichkeit wollte vielmehr zu einer neuen Verfassung gelangen. Die Republikaner und Liberalen hatten das Zugeständnis erreicht, vor den Parlamentswahlen erst einmal Gemeindewahlen abzuhalten, um die Kommunalverwaltung von den Anhängern Primo de Riveras zu säubern und damit die Voraussetzung für einen neutralen und freien Wettbewerb bei den Wahlen für die Nationalversammlung zu schaffen.

Zum ersten Mal erlebte Spanien einen leidenschaftlichen Wahlkampf, geführt als Kampf um Stimmen und Meinungen. Paradoxerweise hatte ausgerechnet die Diktatur der Massendemokratie den Weg geebnet. Ungeachtet der Zensur – die mal gründlicher, mal lässiger gehandhabt wurde – gab es mehr Zeitungen und Zeitschriften als vor 1923. Rundfunk und Kino kamen als populäre Medien hinzu. Die Binnenwanderung verschaffte den Städten Zulauf, der wirtschaftliche Aufschwung gab dem Mittelstand mehr Gewicht, der seinerseits über Schulen, Fachhochschulen und Universitäten, durch die Ausbildungspolitik Primo de Riveras geistig beweglicher geworden war.

Bildung war unter der Diktatur allmählich zu einem »Massenartikel« geworden, was sie Ortega y Gasset sofort verdächtig machte. Es ist das Spanien Primo de Riveras, das ihn zum »Aufstand der Massen« inspirierte. Der Diktator hoffte auf die systemstabilisierende Kraft der Bildung. Doch Bildung als Sphäre der Freiheit ist unberechenbar. Es waren gerade die Gebildeten, die das System verwarfen, das diktatoriale, aber auch das frühere bürgerlich-liberale.