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Das brennende Gewand - Roman

Andrea Schacht

 

Verlag Blanvalet, 2009

ISBN 9783641019556 , 448 Seiten

Format ePUB, OL

Kopierschutz Wasserzeichen

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8,99 EUR


 

21. Kapitel (S. 163-164)

Die Sonne hatte wieder an Kraft gewonnen, und in den Weingärten zwischen den Häusern trieben die Rebstöcke in langen Ranken aus. Doch bald hatten Almut und Clara die Hofergasse hinter sich gelassen und näherten sich der gewaltigen Dombaustelle. Hier herrschte reger Betrieb, und die Beginen blieben stehen, um mit weit in den Nacken gelegten Köpfen wieder einmal die unglaubliche Kathedrale zu bestaunen. Es war ein ehrfurchtgebietendes Gebäude, schon heute, obwohl erst der Chor fertiggestellt und einer der Türme im Wachsen begriffen war. Wie steinernes Filigran erhoben sich die schlanken Strebpfeiler, wie exotische Gewächse rankten sich Blätter entlang der Simse, blühten Krabben und Fialen auf den Wimpergen, den Ziergiebeln. Was jedoch wie eine organisch gewachsene Wildnis wirkte, unterlag der strengsten Geometrie und bildete ein dem Auge gefälliges Bild.

Almut seufzte beglückt auf. Ein solches Bauwerk musste die Seele erheben, wie niedergedrückt sie auch von Sorgen sein mochte. »Was für eine Vision«, flüsterte auch Clara. »Ich haderte mit der Kirche und mit ihren kleingeistigen, machtgierigen Vertretern. Aber es muss doch etwas Gutes und Großes daran sein, wenn der Glaube die Menschen zu solchen Leistungen bewegt.« »Die Gesetze der Harmonie sind gottgegeben, und so ist ihr in Stein gehauener Ausdruck der Anblick von Gottes Schöpfung in seiner Vollendung.« »Du wirst ja richtig philosophisch, Almut.« »Baukunst ist etwas Philosophisches.«

»Wahre Schönheit, ganz allgemein, regt zur Philosophie an, denke ich.« Hörbar sog Clara den Atem ein. »Auch menschliche. Schau!« Almut kehrte von ihren Höhenflügen zur Erde zurück und folgte dem Blick ihrer Begleiterin. Eine Gruppe Männer stand vor dem Dom zusammen, und sie unterhielten sich mitten in dem Getöse der Maurer und Steinmetze, Ochsentreiber und Wasserträger. Zwei waren ältere Handelsherren, der dritte hingegen war ein junger Mann. Schwarz seine knielange Heuke, schwarz seine Stiefel, schwarz sein gelocktes Haar, das unbedeckt bis über seine Schultern fiel, dunkel und bartlos jedoch sein Gesicht.

Als er sich nun von seinen Bekannten verabschiedete und sich in Richtung der Beginen wandte, tat er es mit den geschmeidigen Bewegungen eines schönen, schwarzen Katers. »Ihn habe ich gesucht!«, frohlockte Almut, und Clara gluckste. »Das tut gewisslich jedes Weib. Aber hast du nicht noch vor Kurzem einem anderen Mann deine Liebe geschenkt? « »Seinem Vater. Darum habe ich ihn ja gesucht.« Clara blieb abrupt stehen. »Wie bitte?« Doch Almut ging spornstreichs dem dunklen Herrn entgegen und sprach ihn an:

»Leon de Lambrays?« Er hielt inne, seine grauen Augen schauten sie kurz und fragend an, dann spielte ein Lächeln um seine Lippen, und er neigte mit höfischer Eleganz sein Haupt. »Frau Begine. Welche Freude, Euch wohl und gesund anzutreffen.« Eine leichte Röte überzog Almuts Wangen, denn bei der letzten Begegnung hatte sie nur in ihre langen Haare gehüllt an der Bahre seines Bruders gestanden, um sich dem Gottesurteil zu unterziehen. Doch sie vertraute darauf, dass Ivos Sohn den Anstand besaß, diesen Vorfall zu vergessen. Darum zeigte sie sich ebenfalls freundlich und begrüßte ihn mit den Worten: »Ich bin gleichermaßen froh, Euch in unserer Stadt zu begegnen. Ihr seid in Geschäften hier?« »Wein aus Burgund bringe ich, und feine Tuche werde ich mit zurücknehmen.«