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Hasenjagd - Schweden-Krimi

Lars Kepler

 

Verlag Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG, 2017

ISBN 9783732541171 , 650 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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9,99 EUR

Für Firmen: Nutzung über Internet und Intranet (ab 2 Exemplaren) freigegeben

Derzeit können über den Shop maximal 500 Exemplare bestellt werden. Benötigen Sie mehr Exemplare, nehmen Sie bitte Kontakt mit uns auf.


 

4


SOFIA ERWACHT HUSTEND aus einem Traum, in dem sie ertrank, und weiß sofort, wo sie sich befindet. Sie ist im Haus des Mannes, der sich Wille nennt, ans Bett gefesselt. Sie liegt auf dem Rücken, gespannte Lederriemen fixieren sie ans Bett. Er hat sie so straff festgebunden, dass sich die Muskeln in Armen und Beinen spannen, es brennt an den Handgelenken, und die Finger sind eiskalt.

Ihr Mund ist vollkommen trocken, die Zunge blutet nicht mehr, aber sie ist angeschwollen und schmerzt.

Das Kleid ist bis zur Taille hochgerutscht, weil die Beine auseinandergezwungen wurden.

Das darf doch nicht wahr sein, denkt sie.

Er hatte alle ihre Reaktionen vorhergesehen und die Droge schon vorher in eines der Champagnergläser im Schrank geschüttet.

Sofia hört eine Stimme aus dem angrenzenden Zimmer, es ist ein Gespräch in geschäftsmäßigem Ton, ein Chef, der spricht.

Sie versucht den Kopf zu heben und aus dem Fenster zu sehen, herauszufinden, ob Tag oder Nacht ist, aber es gelingt ihr nicht, die Arme tun viel zu weh.

Sie hat keine Ahnung, wie lange sie hier schon liegt, als er ins Schlafzimmer kommt.

Die Angst erfüllt Sofias Herz wie ein Gift. Sie spürt, wie ihr die Panik in den Kopf rauscht, wie sich die Kehle zusammenschnürt und der Puls zu galoppieren anfängt.

Was nicht passieren darf, ist passiert.

Sie versucht sich zu beruhigen, denkt, dass sie ein Gespräch in Gang bringen muss, dass sie ihn davon überzeugen muss, dass er sich das falsche Mädchen ausgesucht hat, aber dass sie es auf sich beruhen lassen wird, wenn er sie sofort losbindet.

Sofia gibt sich selbst das Versprechen, dass sie mit dem Escort-Job aufhören wird, sie hat es schon zu lange getan, sie verschwendet das Geld ohnehin nur für sinnlose Dinge.

Der Mann schaut sie mit demselben Hunger an wie zuvor. Sie versucht, ihm ein ruhiges Gesicht zu zeigen und denkt, dass sie schon von Anfang an wusste, dass hier irgendetwas faul war. Aber statt umzukehren und wegzugehen, hat sie ihr Bauchgefühl ignoriert. Sie hat einen katastrophalen Fehler gemacht und sich so verzweifelt verhalten wie ein Junkie.

»Ich habe nein dazu gesagt«, sagt sie kontrolliert.

»Ja«, erwidert er mit einem zögerlichen Lächeln und lässt den Blick über ihren Körper wandern.

»Ich kenne Mädchen, die so was okay finden, ich kann dir einen Kontakt vermitteln, wenn du willst.«

Er antwortet nicht, atmet nur schwer durch die Nase und stellt sich an das Fußende des Betts, zwischen ihre Beine. Sie beginnt am ganzen Körper zu schwitzen und stellt sich auf Aggressivität und Schmerzen ein.

»Das ist ein gewaltsamer Akt, das ist dir klar, oder?«

Auch darauf antwortet er nicht, er schiebt nur die Brille hoch und betrachtet sie interessiert.

»Ich empfinde diese Situation als unbehaglich und kränkend«, versucht es Sofia erneut, aber sie verstummt, denn ihre Stimme beginnt zu zittern.

Sie zwingt sich, langsamer zu atmen, sie darf nicht ängstlich aussehen, darf nicht flehen. Was hätte Tamara getan? Sie sieht das sommersprossige Gesicht ihrer Freundin vor sich, das kleine, höhnische Lächeln, die Härte in ihrem Blick.

»Ich habe deine Angaben in einem Buch notiert, das in meiner Wohnung liegt«, sagt sie und sieht ihm in die Augen.

»Welche Angaben?«, fragt er ungerührt.

»Deinen Namen, der bestimmt erfunden ist, aber auch diese Adresse hier, deine Mailadresse, den Zeitpunkt unseres Treffens …«

»Dann weiß ich das«, erwidert er mit einem Nicken.

Die Matratze schaukelt, als er auf allen vieren über das Bett auf sie zukriecht, bis er schwankend zwischen ihren Beinen kniet, nach ihrer Unterhose greift und kräftig daran zieht. Die Nähte knacken, ohne dass sie reißen, und die Schultergelenke schmerzen, als wären sie ausgekugelt worden.

Der Mann zieht noch einmal, mit beiden Händen. Die Unterhose schneidet schmerzhaft in die Hüften, aber die Nähte am Bund halten.

Er flüstert leise etwas vor sich hin und lässt sie im Bett zurück.

Die Matratze schaukelt erneut, und Sofia spürt, dass sie bald einen Krampf im Oberschenkel bekommen wird.

Eine hastige Erinnerung an das Fußballtraining flattert durch ihr Bewusstsein, das Gefühl, wie ein Krampf sich ankündigt, ein Ziehen in der Wade, während sie versuchte, die Klumpen aus zusammengepresstem Gras aus den Stollen zu pulen.

Die roten, erhitzten Gesichter ihrer Mannschaftskameradinnen. Der klapperige Holzboden in der Umkleidekabine, der Geruch nach Schweiß, Liniment und Deodorant.

Wie konnte es so weit kommen? Wie konnte sie hier landen?

Sofia kämpft gegen die Tränen, sie glaubt, dass es ihr Ende bedeutet, sobald sie zeigt, wie viel Angst sie hat.

Der Mann kehrt mit einer Nagelschere zurück, schneidet die Unterhose an beiden Seiten auf und zieht sie weg.

»Es gibt viele, die Bondage mitmachen«, sagt Sofia. »Ich kenne …«

»Ich möchte keine Mädchen, die mitmachen«, unterbricht er sie und wirft die Hose neben sie auf das Bett.

»Ich meine, dass es Mädchen gibt, die richtig abgehen, wenn man sie fesselt«, sagt sie.

»Du hättest nicht herkommen sollen«, stellt er schlicht fest.

Sofia kann nicht länger gegen ihre Gefühle ankämpfen und beginnt zu weinen. Vor lauter Angst spannt sich ihr Rücken, und sie zieht an den Riemen, bis die Haut aufreißt und das Blut in kleinen Rinnsalen den rechten Unterarm hinunterläuft.

»Tu es nicht«, fleht sie schluchzend.

Der Mann streift sein Hemd ab, wirft es auf den Boden, lässt die Hose ein Stück herunter und zieht sich ein Kondom über den halb erigierten Penis.

Er kniet sich vor ihr aufs Bett, und sie nimmt den Geruch von Gummi an seinen Fingern wahr, als er die Reste der Unterhose in ihren Mund stopft. Sie verspürt Brechreiz und muss sich fast übergeben. Ihre Zunge ist vollkommen trocken, und Tränen rinnen ihre Wangen hinunter. Der Mann packt eine ihrer Brüste unter dem Kleid und legt sich mit seinem ganzen Gewicht auf sie.

Sofia entleert ihre Blase vor lauter Angst, und unter ihr breitet sich eine heiße Flut von Urin aus.

Als er in sie einzudringen versucht, dreht sie sich zur Seite und stößt ihn mit der Hüfte weg.

Ein Schweißtropfen fällt von seiner Nasenspitze auf ihre Stirn.

Er packt mit der einen Hand ihren Hals und legt sich auf sie. Sein Gewicht drückt sie tiefer in die Matratze, und ihre Oberschenkel werden weiter auseinandergedrückt. Die Handgelenke brennen, und das Bettgestell knarrt.

Sie kämpft darum, Luft zu bekommen, wirft den Kopf zur Seite und kann ein bisschen Luft durch die Nase einsaugen.

Er drückt ihre Kehle fester zu, und Flecken tanzen vor ihren Augen. Das Zimmer verdunkelt sich, und sie spürt, wie er in sie einzudringen versucht. Sofia kämpft und will sich zur Seite drehen – es ist unmöglich, es wird trotzdem geschehen. Sie kann nicht in ihrem eigenen Körper bleiben, muss an etwas anderes denken, verschwinden. Plötzliche Erinnerungsbilder blitzen auf, die kühlen Abende auf dem großen Rasenplatz, die beißend kalte Luft, die Wolke vor dem Mund, die Stille unten am See und die alte Schule von Bollstanäs.

Der Trainer zeigt auf den Ball, bläst in die Pfeife, und es wird still.

Der Griff um den Hals wird gelockert, Sofia hustet die Unterhose aus und saugt Luft ein, blinzelt und hört eine mechanische Melodie.

Der Mann kniet wieder, sie atmet keuchend, die Hitze steigt ihr ins Gesicht.

Jemand klingelt unten an der Haustür.

Er packt sie am Kinn, presst ihr den Mund zusammen und drückt die Unterhose erneut hinein, ihr wird übel, sie atmet durch die Nase, kann nicht schlucken.

Es klingelt noch einmal an der Tür.

Der Mann spuckt sie an und steht vom Bett auf, knöpft die Hose zu und nimmt das Hemd mit, als er geht.

Sobald er durch die Tür verschwunden ist, reißt Sofia so kräftig sie kann am Riemen an der rechten Hand, ohne an die Konsequenzen oder die Schmerzen zu denken.

Es tut furchtbar weh, als sich die Hand aus dem Riemen löst.

Die Unterhose im Mund hindert sie daran, laut loszuschreien.

Es dröhnt im Kopf, sie droht das Bewusstsein zu verlieren, und der ganze Körper zittert vor Schmerzen. Vielleicht ist der Daumenknochen gebrochen, vielleicht ist er ausgekugelt, die Haut ist zusammengeschoben wie ein kaputter Handschuh, und das Blut rinnt den Arm hinunter, als sie die Unterhose aus dem Mund nimmt.

Sie winselt lautstark, als sie hysterisch versucht, die Schnalle des Riemens an ihrem linken Handgelenk zu lösen. Die Finger gehorchen ihr kaum, aber es gelingt ihr, den Dorn aus dem Loch zu pfriemeln. Schnell zieht sie den Riemen durch den Bügel, setzt sich auf und löst die Bänder von den Füßen.

Mit wackeligen Beinen steht sie auf, drückt die verletzte Hand an den Bauch und geht über den tiefen Teppich. Ihr Kopf dröhnt vor Schock und Schmerz, die Füße sind eingeschlafen und das Kleid hängt nass und kalt über ihrem Hintern.

Vorsichtig verlässt sie das Schlafzimmer und schleicht in den Flur hinaus, in dem der Mann vorhin verschwunden ist.

Sofia hält kurz inne, dann geht sie bis zur Treppe. Sie hört unten eine andere Stimme und überlegt, ob sie vielleicht um Hilfe schreien sollte. Sie kann nicht hören, was der andere Mann sagt, und geht vorsichtig näher heran. Auf dem Treppengeländer hängt Wäsche aus der chemischen Reinigung. Durch das dünne Plastik sieht man einen Satz identischer weißer Hemden.

Sie räuspert sich vorsichtig, um nach...