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Im Rhythmus der Stille - Wie ich mir die Welt der Hörenden eroberte

Sarah Neef

 

Verlag Campus Verlag, 2009

ISBN 9783593400419 , 254 Seiten

Format PDF, ePUB, OL

Kopierschutz Wasserzeichen

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22,99 EUR

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Kapitel 12 Folge deinem eigenen Stern! (S. 201-202)

Lerne die Regeln – und brich sie. Sei wie immer – handle wie noch nie. Sei anders – sei stolz darauf.
[…]
Folge deinem eigenen Stern!
DaimlerChrysler
(Lied in einem Werbespot 2004)


Manchmal kann man die Jobsuche eines Gehörlosen als Gradmesser dafür ansehen, wie schwerwiegend und folgenreich Taubheit als Behinderung angesehen wird. Die Tatsache allein, dass man gehörlos ist, setzt dem Betroffenen Grenzen. Die Suche nach einem Arbeitsplatz und der damit verbundenen eigenen finanziellen Unabhängigkeit gestaltet sich mehr als schwierig und hürdenreich. Die Gründe hierfür sind nicht nur die Gehörlosigkeit selbst und das damit verbundene geringere Angebot an Möglichkeiten, sondern vor allem auch die sozialen Vorurteile. Ich gehöre zwar zu den Gehörlosen, die eine bessere Ausgangssituation haben.

Dank meiner Lautsprachkompetenz hatte ich mit Erfolg eine Schule für Hörende besucht. Ich war in der Welt der Hörenden zurechtgekommen und dieser Erfolg hatte mir einen Platz an der Universität eingebracht. Ich studierte ein Fach, das die strengsten Zulassungsbeschränkungen (Numerus clausus) hat. Ich war selbst überrascht, als ich las, dass im Jahr 2001 das Fach Psychologie einen besseren Abiturnotendurchschnitt erforderte als das Medizinstudium. Meine Bemühungen sowie die Hilfe aller, die mich unterstützt hatten, hatten mich so weit geführt. Dennoch habe ich manchmal erleben müssen, dass wir Gehörlose trotz unserer Qualifikationen auf die gleiche Stufe gestellt werden wie Hörende ohne Qualifikationen.

Eine Frau, die sich viel mit Hörenden und Nichthörenden beschäftigt hatte, sagte einmal zu mir: »Ihr Gehörlosen müsst besser sein als Hörende, um annähernd die gleichen Chancen zu bekommen.« Und das ist eine Tatsache, die sich mir im Laufe meines Lebens immer wieder bestätigt hat. Jeder Gehörlose wird damit leben müssen. Dies ist ein Teil unserer Behinderung, ein Teil des Preises, den wir zahlen müssen, um in der Welt der Hörenden eingegliedert zu sein.

Während meine Studienwahl im Familien- und Freundeskreis zwar mit Überraschung, aber insgesamt positiv aufgenommen worden war, stieß ich andernorts nicht selten auf Widerstand und Ungläubigkeit. Um als Gehörlose überhaupt Psychologie studieren zu dürfen, musste ich vom Arbeitsamt ein Gutachten einholen lassen, das mir sowohl die Eignung dafür als auch die Aussicht auf einen späteren Arbeitsplatz bestätigte. Meine anfängliche Euphorie wurde bereits bei der Studienberatung der Universität Tübingen empfindlich gedämpft. Die Beraterin hatte trotz ihrer Sehbehinderung Psychologie studiert und arbeitete als Psychologin und Dozentin, was mir Hoffnung gab, dass sie sich besonders gut in mich und meine Situation hineinversetzen könnte und Behinderung nicht als Hindernis ansehen würde.

Vielleicht hat es mich gerade deshalb besonders getroffen, dass einzig und allein meine Gehörlosigkeit (und nicht etwa meine Fähigkeiten) für sie Anlass zum Zweifeln war, ob das Studium der Psychologie für mich geeignet sei. Nachdem wir eine Weile diskutiert hatten, deutete ich die Möglichkeit an, dass als letzter rettender Strohhalm immer noch das Schreiben möglich wäre. Ich könnte für eine Zeitung psychologische Artikel schreiben, meinte ich, obwohl dies nicht meinem vornehmlichen Berufswunsch entsprach. (Ich kann mir zwar durchaus vorstellen, später einmal für eine Zeitung oder eine Zeitschrift tätig zu sein, allerdings eher als Nebenjob.)