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Distraction - Gefesselt

Emily Snow

 

Verlag LYX, 2018

ISBN 9783736307346 , 360 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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6,99 EUR

Für Firmen: Nutzung über Internet und Intranet (ab 2 Exemplaren) freigegeben

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1


Jamila (Jamie) Armstrong

»Warum kann Lucy ihre Probleme nicht selbst lösen? Ich brauche dich. Dringend«, beschwert sich meine Schwester, nachdem ich ihren Anruf aus Versehen angenommen habe. Ich trete auf die Bremse, um nicht auf das Auto vor mir aufzufahren. Glücklicherweise ist der Verkehr in Bostons Innenstadt um kurz vor zwei ziemlich entspannt. Die mittägliche Rushhour ist gerade vorbei, und der reguläre Arbeitstag endet erst in ein paar Stunden. Trotzdem ist das Vorletzte, was ich brauche, ein Autounfall.

Und das Letzte?

Mich um die Probleme meiner Zwillingsschwester zu kümmern.

Kurz bevor ich meine Wohnung verlassen hatte, war ich wegen Bellas Ich-habe-einen-Notfall-Nachricht wie angewurzelt stehen geblieben, aber nach kurzem Hin und Her stellte sich heraus, dass ihre Lage nicht annähernd so dringend war, wie sie behauptet hatte. »Jamie?«, quengelt Bella in einer Stimmlage, die mir schon so oft Kopfschmerzen bereitet hat. »Wie soll ich es denn behandeln?«

»Es ist ein Baby. Ein Mensch, weißt du?«, antworte ich ruhig und betätige den Blinker. Ich warte, bis die Ampel auf Grün springt und biege ins Parkhaus ein. Langsam fahre ich hoch bis zur dritten Etage und suche zwischen den Reihen der Autos nach Lucys Wagen. »Auf ein Kind aufzupassen ist gar nicht so schwierig.«

»Aber ich habe noch nie vorher babygesittet.«

»Und warum hast du dann eingewilligt?« Ich entdecke den Jeep meiner besten Freundin in dem Bereich, der für Mitarbeiter von Aldrich, Bailon und Gallagher LLP reserviert ist. Mit einem Stoßgebet, dass mein Civic nicht abgeschleppt wird, parke ich zwischen Lucys Auto und einem glänzend schwarzen BMW M4. »Entspann dich, Bella, er hat das Baby ja noch nicht einmal vorbeigebracht. Kauf noch schnell ein paar Kindersicherungen für deine Steckdosen. Versteck alle scharfen Gegenstände. Auf dem Weg zur Arbeit komme ich vorbei, versprochen.«

»Währenddessen gehst du mit Lucy zu einem Termin, weil sie ihre Probleme nicht selbst lösen kann. Toll, dass du so viel Zeit mit ihr verbringst und dann überhaupt keine Zeit mehr für mich hast. Wirklich klasse, Zwilling zwei.«

Ich bin kurz davor, sie daran zu erinnern, dass sie mich letzte Woche versetzt hat, weil sie mit einer Freundin ausgehen wollte, die sie jeden Tag sieht, aber ich zwinge mich zu einem Lächeln. »Auch wenn du mich ständig daran erinnerst, dass du zwei Minuten älter bist als ich, werde ich nicht schneller bei dir sein. Diese Sache mit Lucy – das ist etwas völlig anderes.« Ich nicke Lucy im Wagen neben mir zu, und sie sieht mich mit ängstlich aufgerissenen braunen Augen an.

Schuld schnürt mir die Kehle zu.

Wenn ich nicht wäre, säße Lucy jetzt nicht in der Klemme. Vor ein paar Wochen habe ich sie um ein Foto gebeten und damit unabsichtlich FuckGate 2017 ausgelöst. Denn sie war bei einer Sexparty – mit ihrem Boss, dem Eigentümer eines Unternehmens, das sich auf Metall-Spielzeug spezialisiert hat. Die Art von Spielzeug, das in der Nacht brummt. Ich hatte meine Bitte nicht ganz ernst gemeint und hätte nie damit gerechnet, dass sie ihr nachkommen würde, aber dann tauchte dieses Foto auf. Bei mir und bei jeder anderen Person, die ihr auf Snapchat folgte. Weil der Gastgeber nicht nur im Mittelpunkt des Fotos stand, sondern noch dazu ein bekannter Anwalt ist, hat Lucy alles verloren. Ihren Job. Die noch frische Beziehung zu Jace. Wahrscheinlich sogar die Möglichkeit eines neuen Jobs. Einfach alles.

Wenn sie mich also für die Schadensbegrenzung braucht – um den Swingerkönig davon abzuhalten, ihren ehemaligen Boss in Grund und Boden zu verklagen – werde ich da sein.

Genauso wie ich für Bella und ihre widerwilligen Abenteuer in puncto Babysitten da sein werde … sobald ich hier fertig bin. Das sage ich meiner Schwester. Sie faucht, dass ich sie lieber nicht vergessen soll, und ich kann förmlich durchs Telefon hören, dass sie ihre braunen Augen theatralisch verdreht. Dann legt sie auf.

Denn so ist Bella. Eine echte Dramaqueen. Den ganzen Tag. Jeden Tag.

Lucy klopft leicht mit den Fingerknöcheln an mein Fenster. Ich schalte den Wagen ab, steige aus und stopfe mir Telefon und Schlüssel in die vordere Tasche meines Oberteils. Mit der eng anliegenden schwarzen Hose und dem tiefsitzenden schwarzen Pferdeschwanz, den sie mit rotem Lippenstift kombiniert hat, sieht sie sehr businessmäßig aus – bis sie von einem Fuß auf den anderen tritt und angespannt am Ärmel ihres taillierten schwarzen Blazers herumfummelt. Ich lege ihr die Hände auf die schmalen Schultern, damit sie nicht hyperventiliert.

»Alles wird gut.« Ein zittriger Seufzer kommt ihr über die Lippen, deshalb drücke ich ihre Schultern. »Ich verspreche dir, dass es gut gehen wird.«

»Du hast recht.« Sie atmet heftig aus und kämmt sich unruhig mit den Fingern durch den langen Pferdeschwanz. »Ich muss Bailon nur dazu bringen, mir zuzuhören. Das kriege ich hin.«

»Ja, das schaffst du.« Obwohl mir der Name Bailon ein Prickeln die Wirbelsäule hinunterjagt. Bevor Lucys Foto im Internet kursierte, kannten wir noch nicht einmal seinen vollen Namen, aber zu seinem exotisch guten Aussehen – olivfarbene Haut, kurz geschnittenes, rabenschwarzes Haar, Schlafzimmerblick und eine Augenfarbe zwischen Schokolade und Bernstein – passt der Name perfekt.

Mateo Bailon.

Selbst wenn sein nackter, gut geformter Oberkörper und die deutliche Wölbung in seiner Pyjamahose nicht überall zu sehen gewesen wären, hätte ich den Namen nicht so schnell vergessen.

Mateo-Swingersexgott-Bailon.

Ich verbanne das Bild aus meinem Kopf, auf dem er die Brust einer Frau streichelt, und beruhige stattdessen Lucy. Während der Fahrt im Aufzug lenke ich ihre Aufmerksamkeit auf meinen Hello-Kitty-Krankenhauskittel. Sie zieht mich damit auf, aber ich erinnere sie daran, dass ich direkt nach dem Termin zur Arbeit muss – nachdem ich kurz bei Bella vorbeigeschaut habe. Während wir ungeduldig darauf warten, dass die langbeinige Rothaarige uns mitteilt, dass Bailon mit uns sprechen wird, lenke ich Lucy weiter ab, indem ich ihr von meiner Schwester erzähle.

»Aber Bella hasst doch Babys.« Lucys rubinrote Lippen zucken, und ich weiß nicht, ob sie lachen oder weinen wird. »Hat der Typ ihr von seinem Kind erzählt, bevor sie etwas miteinander angefangen haben?«

»Wer weiß das schon.« Nach Bellas SOS-Nachricht hatte ich mich das ebenfalls gefragt. Es ist allgemein bekannt, dass ich der Armstrong-Zwilling mit dem Kinderwunsch bin. Wenn meine Schwester also mit einem Mann mit Kind ausgeht, kann das nur eines bedeuten: Sie ist verrückt nach ihm. »Ich versichere dir, wenn Bella vor mir ein Baby bekommt, lasse ich mein bisheriges Leben hinter mir und werde Einsiedlerin. Ich könnte damit umgehen, dass sie heiratet, aber ein Baby, Luce?«

Sie drückt mein Knie, und weil ihr die Finger zittern, lege ich meine Hand auf ihre. »Wenn du zur Einsiedlerin wirst, wer soll mich denn dann dazu zwingen, Tequila zu trinken?«

»Stimmt.« Ich lache angestrengt. »Stimmt vollkommen.« Ich beuge mich vor und greife nach einem der Magazine auf dem Tisch, aber als die Rezeptionistin um die Ecke kommt, halte ich inne. Groß und atemberaubend erinnert mich Sonora an jemanden, den ich in einer Agent-Provocateur-Werbung gesehen habe – nicht in einer Anwaltskanzlei –, aber ich nehme an, dass sie Bailons Typ ist. Lucy sagt, sie sei regelmäßig Gast auf Bailons unanständigen Partys. Aber während sie uns mitteilt, Bailon habe nun Zeit für uns, versuche ich, mir nicht vorzustellen, dass er Sonora wie die Frau auf dem Foto befummelt. Weil ihr mitfühlender Blick in unsere Richtung mir sagt, dass er meine beste Freundin fertigmachen wird.

Aber das werde ich nicht zulassen.

Bailons Büro ist so, wie ich es mir vorgestellt habe – Anwaltsregale säumen die Wände an zwei Seiten, und ein Chefschreibtisch befindet sich in der Mitte dieser Inszenierung – aber der Mann dahinter sieht überhaupt nicht aus wie die Anwälte, die ich bisher getroffen habe. Er betrachtet ein auf dem Schreibtisch liegendes Dokument, aber beim Klappern von Lucys Pumps spannen sich seine Schultermuskeln an, er sieht auf, und ein Grinsen umspielt seine vollen Lippen.

Sein dunkler Blick streift uns und bleibt kurz an Lucy hängen, bevor er zu mir zurückspringt. Seine Züge verraten Überraschung – leicht geöffnete Lippen und hochgezogene Augenbrauen –, aber dann entspannen sie sich wieder. Obwohl sich mein Magen zusammenzieht, schenke ich ihm ein unverbindliches, professionelles Lächeln.

Ich bin Lucys wegen hier, ermahne ich mich. Nicht, um mich von Mateo Bailon und der Wölbung, die durch das Internet geisterte, ablenken zu lassen.

Lucy zögert ein paar Schritte vor seinem Schreibtisch, aber ich nicke ihr aufmunternd zu. Sie streckt das Kinn vor, nickt und nähert sich ihm. Ich seufze erleichtert. Natürlich zerstört Bailon ihren Anflug von Selbstbewusstsein mit einem vernichtenden Blick und der barschen Aufforderung an uns beide, Platz zu nehmen.

Das ist der Beginn ihres Sprechdurchfalls. Als sie gerade die Ereignisse wiedergibt, die uns in sein Büro geführt haben, ändert sich sein Fokus. Kaum merklich rückt er sich die dünne rote Krawatte zurecht und senkt die Augenlider. Und als er sie wieder aufschlägt, gilt seine Aufmerksamkeit mir.

Mir bleibt beinahe das...