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Die Akte Scientology - Die geheimen Dokumente der Bundesregierung

Peter Schulte

 

Verlag PI-Verlag, 2018

ISBN 9783963617485 , 260 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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14,99 EUR


 

Einleitung


 

Frühjahr 2017: „Sektenalarm“ im Münchner Haus der Kunst, der bayerische Verfassungsschutz ermittelt, ob Scientology das Museum unterwandert hat. Konkret geht es um die Arbeit eines langjährigen Mitarbeiters, der seit 1995 u.a. für die Personalverwaltung zuständig ist. Angeblich sei dieser beim Museum noch nicht einmal fest angestellt gewesen. Sein konkretes Vergehen: Er ist bekennendes Mitglied bei Scientology. Und obwohl er bisher nur seinen Job machte, wird ihm seine religiöse Orientierung plötzlich zum Verhängnis. Der bayrische Kunstminister Ludwig Spaenle (CSU), gleichzeitig Aufsichtsratsvorsitzender des Kunsthauses, sei seit 2015 darüber informiert gewesen und spricht von „groben „Missständen“.1 Mittlerweile wurden im großen Stil Erklärungen der Mitarbeiter eingefordert, „nichts mit Scientology zu tun zu haben“. Doch diese ignorierten zum größten Teil diese Aufforderung. Stattdessen zeigten sie sich solidarisch mit dem betroffenen Kollegen und sammelten Unterschriften gegen diese Vorgehensweise. Mittlerweile wurde der Verfassungsschutz eingeschaltet und eine externe Personalberatung beauftragt, die Verwaltung des Museums zu untersuchen und „Empfehlungen für eine Neuorganisation“ zu geben. Der Direktor des Hauses, Okwui Enwezor, hält die Aufregung in München für übertrieben und spricht gar von einer „Hetzkampagne" gegen das Haus der Kunst.2 Scientology hingegen bewertet die Ereignisse als staatlich initiierte Gesinnungsschnüffelei und grobe Menschenrechtsverletzung.3 Der betroffene Mitarbeiter wurde mittlerweile gekündigt, inzwischen hat er eine Klage gegen die Trägergesellschaft des Hauses beim Arbeitsgericht München eingereicht.

 

November 2015. Eine Kleinstadt im deutschen Raum. Hier, wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen, findet am Abend eine Veranstaltung der besonderen Art statt: Im Gemeindehaus geht es im Rahmen einer Podiumsdiskussion um die Frage, wie gefährlich Scientology ist. Ein für diese mittelgroße Kommune ungewöhnlicher Auflauf an Lokalprominenz und Sprechern von außerhalb hat sich angekündigt. Erwartet werden neben einem Landtagsabgeordneten „namhafte“ Sektenexperten und ein Filmemacher, der sich im öffentlich-rechtlichen Fernsehen als Sektenkritiker einen Namen gemacht hat. Auch ein „ranghoher Scientology-Aussteiger“, wie es in der Einladung heißt, soll auf dem Podium sitzen. Zu Beginn wird der Filmemacher seinen aktuellen Film vorstellen, und später werden die Podiumsteilnehmer Scientology analysieren und bewerten. Ein Vertreter der „Sekte“ wurde nicht eingeladen. Man bleibt unter sich und bestätigt sich lieber gegenseitig in dem, was man sowieso schon weiß und immer gesagt hat. Doch was war geschehen? Hintergrund dieser Veranstaltung ist folgender: Der Sohn (43) eines regionalen Unternehmers ist seit ca. zwei Jahren bekennender Scientologe. In letzter Zeit gab es zwischen ihm und seinem Vater immer wieder Streit, weil er sich Scientology angeschlossen hatte und deren Kurse und Seminare besuchte. Das Verhältnis zwischen dem Sohn und dem als dominant bekannten Vater ist jedoch schon seit vielen Jahren äußerst angespannt. Der Sohn, selbst Vater von vier schulpflichtigen Kindern, nimmt für sich in Anspruch, mit Hilfe seines bei Scientology erlernten Wissens zwischenzeitlich die Beziehung zu seinen Eltern wieder so weit gekittet zu haben, dass man sogar einen gemeinsamen Urlaub verbracht hatte. Wenig später sei es erneut zum Bruch gekommen, weil der Vater zufällig von seiner Mitgliedschaft erfahren hatte und darauf beharrte, dass der Sohn der „Sekte“ abschwöre. Gespräche zur Lösung der Situation führten zu nichts. Seither herrscht Funkstille.

Aus Sicht der Eltern ist Scientology schuld an der ganzen Misere. Seit geraumer Zeit sei ihr geliebter Sohn „der Sekte verfallen“, so ist in einem Brief an die Schwiegereltern ihres Sohns zu lesen. Scientology habe ihr Kind „gefügig“ gemacht, sodass er sich nicht mehr unter Kontrolle habe. Dies habe man ihnen auch von Seiten des Verfassungsschutzes bestätigt. Außerdem sei Selbstmord bei Scientology an der Tagesordnung, die Ehen zerbrechen und man verliere alles. Mittlerweile sei er in einem Stadium, „aus welchem er nicht mehr alleine herauskommt“. Man mache sich auch Sorgen um die Enkelkinder, die ebenfalls mit „hineingezogen“ würden. Nur Druck führe zum Erfolg. Und den üben die Eltern reichlich aus. Sie drohen, die Firmenbeteiligung des Sohnes aufzulösen, um ihn „finanziell auszutrocknen“. Das Erbe werde so organisiert, dass kein Zugriff mehr auf einen Pflichtteil bestehe. Aber damit nicht genug: Man werde den Arbeitgeber der Ehefrau ihres Sohnes informieren, dass sie eine Sympathisantin und Mitläuferin der Sekte sei; ebenso werde die Schule der gemeinsamen Kinder über den Einfluss der Sekte auf sie informiert. Kurzum: wirtschaftliche und soziale Isolation, um die Aufgabe einer religiösen Überzeugung durchzusetzen; öffentliche und private Stellen werden zusätzlich über die vermeintlichen „Machenschaften der Sekte“ informiert. Dass ihr Sohn sich davon wenig beeindrucken lässt, gibt dem Ganzen eine besondere Brisanz. Ein Dialog ist nicht mehr möglich. Dass er Scientology abschwören soll, ist offen- sichtlich, wenn seine Eltern ihm schreiben: „Ein kleiner Schritt und Dein ganzes Leben würde sorgenlos“.

Eine einmalige Geschichte – oder das oft zu beobachtende Resultat komplexer Wechselwirkungen in Zusammenhang mit Scientology, so wie es sich überall in Deutschland ereignen könnte?

Wer sich als Sozialwissenschaftler mit Neuen Religiösen Bewegungen (wozu Scientology definitiv gehört), umgangssprachlich auch „Sekten“ genannt, beschäftigt, der stößt immer wieder an Mauern. Sie türmen sich vor einem auf wie eine Mahnung, hier nicht weiterzugehen. Ich habe manchmal den Eindruck, dass es nicht erwünscht ist, in den Kern der Sache, ins Zentrum vorzudringen, was aber gerade erforderlich ist, um möglichst objektiv alle Faktoren zu analysieren,...