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Woodwalkers (5). Feindliche Spuren

Katja Brandis

 

Verlag Arena Verlag, 2018

ISBN 9783401807805 , 320 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

Geräte

9,99 EUR


 

Es war einmal ein Ranger

Wenn der Himmel so grau wie Schiefer war und jede Menge Wasser daraus herabfiel, machten wir es uns manchmal unter einem Felsvorsprung gemütlich. So auch an diesem Tag ein paar Wochen nach meinem ersten Besuch in der Stadt der Menschen. Mias Schwanzspitze zuckte aufgeregt, während sie sich Geschichten ausdachte, um uns zu unterhalten. … aber dann kamen zwei dieser Leute in grüngrauen Klamotten und wollten mich mit dem Lasso einfangen, um mich auszustopfen. Aber ich war auf einmal superstark, konnte fliegen und kurvte um die Berggipfel herum, um sie von oben anzugreifen …

Meine Mutter gähnte, sodass ich ihre gelblich weißen Fangzähne bewundern konnte. Meinst du diese Menschen mit den Hüten?, fragte sie. Hüte, die aussehen wie Steinscheiben, auf die ein Wapiti draufgemacht hat?

Ja genau, gab Mia zurück. Gerade wollte ich mich aus der Luft auf sie stürzen, da …

Diese Leute würden dich nicht ausstopfen, sagte meine Mutter knapp. Man nennt sie Ranger.

Mia war eingeschnappt, weil meine Mutter schon wieder ihre Geschichte unterbrochen hatte, aber ich horchte auf. Dieses Wort »Ranger« hatten meine Eltern schon öfter benutzt. Was sind Ranger?, erkundigte ich mich. Damals, vor meinem verbotenen Abstecher zum Old-Faithful-Geysir, wusste ich so etwas noch nicht.

Das sind Leute, die in Nationalparks – also in unserem Revier – darauf achten, dass Menschen und Tiere friedlich zusammenleben und keiner etwas kaputt macht, erklärte meine Mutter.

Tolle Sache, meinte ich beeindruckt. Also sind diese Ranger nicht unsere Feinde?

Nein, meinte meine Mutter und erhob sich. Wenn ihr Lust habt, schauen wir uns einen an. Aber ihr müsst ganz leise sein, denn diese Leute sind oft bewaffnet. Ich will nicht, dass euch etwas passiert.

Klingt echt blöd – ich bleib hier!, motzte Mia, die anscheinend immer noch beleidigt war, und als ich begeistert aufsprang, griff sie mich einfach so an. Das ließ ich mir natürlich nicht bieten, warf mich selbst auf sie und versuchte, sie umzuwerfen. In einem Knäuel aus hellbraunem Fell landeten wir auf unserem Vater, der unsanft aus seinen Träumen gerissen wurde. Nehmt gefälligst eure Pfoten aus meiner Nase!, fauchte er. Nimca, schaff die beiden nach draußen, die brauchen Bewegung!

Für den schroffen Ton bekam er von unserer Mutter einen Schlag auf die Schnauze, wenn auch mit eingezogenen Krallen. Was meinst du, was ich gerade mache?

Mein Fell kribbelte aufgeregt, als wir uns mit unserer Mutter Nimca auf den Weg machten und durch den Kiefernwald streiften. Ich verzichtete sogar darauf, ein Hörnchen zu jagen, das ich über einen umgestürzten Baumstamm laufen sah. Aber ihr habt uns doch immer gesagt, wir sollen uns hier im Wald von Leuten fernhalten? Oder machen wir das in unserer Menschengestalt? Wie man sich verwandelte, hatten wir erst vor Kurzem geübt, bei unserem Ausflug in die Stadt.

Leise jetzt!, antwortete Nimca nur und pirschte auf ihren breiten, weichen Pranken voran. Erschrocken wurde mir klar, dass sie bereits jemanden erspäht hatte. Ja, jetzt witterte ich den Menschen auch und bald darauf waren wir nahe genug, um ihn zu sehen.

Ah, DER ist es, ich habe es mir fast gedacht, meinte meine Mutter und erstaunt spürte ich Freude in ihren Gedanken. Misstrauisch schaute ich mir den Ranger näher an. Er war ein kräftiger Mann mit Haaren in der Farbe von Herbstlaub, einer dunkelgrünen Hose, einem grauen Hemd, an dem etwas Goldenes glitzerte, und genau dem Hut, den meine Mutter beschrieben hatte. Außerdem etwas, das wie ein Buckel aus Stoff aussah – ein Rucksack, erklärte meine Mutter lautlos –, und ein längliches knallrotes Ding am Gürtel.

Der ist tatsächlich bewaffnet!, stellte meine Schwester entsetzt fest. Wer ist das überhaupt? Du kennst ihn, stimmt’s?

Ja, gab unsere Mutter zu. Das ist Tom. Er ist ein Freund von mir.

Mia und ich waren so geschockt, dass sich uns die Nackenhaare aufstellten. Wie, was, aber …?, brachte ich nur heraus.

Jetzt schaute meine Mutter ein wenig verlegen drein. Es ist schon ein paar Monde her, dass er mir zum ersten Mal aufgefallen ist. Ich hatte einen Gabelbock gerissen, aber dann wurde mir klar, dass in der Nähe ein Wanderpfad verlief. Prompt gingen Leute vorbei, sodass ich kaum einen Bissen nehmen konnte. Aber dann kam zum Glück Tom. Er sperrte den Wanderpfad ab, sodass wir später zurückkommen und in Ruhe fressen konnten. Richtig nett, oder? So haben wir uns kennengelernt.

Unsere Mutter hatte einen Menschenfreund. Ich konnte es immer noch nicht fassen. Zu dritt spähten wir vorsichtig durchs Unterholz in Richtung des Rangers.

Später habe ich erfahren, dass er Tom heißt, so haben andere Leute ihn genannt, berichtete Nimca. Das hat mir natürlich auch gefallen, denn Tom bedeutet in Menschensprache Kater! Seither treffen wir uns immer mal wieder.

Der Mensch namens Tom war gerade dabei, mit einer zischenden Dose farbige Zeichen auf einen Baumstamm zu sprühen. Wahrscheinlich markierte er sein Revier. Das fand ich etwas unfreundlich. Wusste er nicht, dass es unseres war?

Das sind Zeichen für mich, erklärte mir unsere Mutter stolz. Damit ich weiß, dass er hier war.

Ich war sehr beeindruckt.

Manchmal winkt er mir zu. Sie schnurrte, während sie ihn betrachtete. So wie jetzt gerade.

Tom wedelte mit der Hand durch die Luft und schlug sich dann auf den Hals. Anscheinend hatte er nicht nur sie, sondern auch die Moskitos begrüßt.

Aber wieso ist er bewaffnet? Hat er Angst vor dir? Mia schien noch nicht ganz überzeugt.

Nein, natürlich nicht, sagte Nimca, sie klang empört. Das ist nur gegen Bären! So ein Pfefferzeugs.

Tom ging weiter den Wanderpfad entlang und wir folgten ihm, ohne dass er sich umwandte. Er bemerkte weder uns noch das Grizzlymännchen, das sich nicht weit entfernt aufhielt. Unsere Mutter wurde ganz aufgeregt, als ihr das klar wurde, und auch ich wurde nervös. Die meisten Bären wären sofort verschwunden, wenn sie einen Menschen hörten oder rochen, aber dieser Grizzly dachte nicht daran. Er betrachtete sich als Chef hier und ging nichts und niemandem aus dem Weg.

Mittlerweile hatte der Grizzly sich entschieden, auf der nächsten Wiese an Gras und Kräutern zu knabbern. Er wirkte wie ein hellbrauner, pelziger Berg, wie er dort stand und herumkaute. Als der Ranger den Bär bemerkte, blieb er sofort stehen und wandte sich halb ab. Gute Idee – Grizzlys mochten es nicht, wenn man ihnen in die Augen schaute, das hätte wie eine Herausforderung gewirkt.

Der ist klug, dein Tom, sagte ich, doch Nimca war so angespannt, dass sie es nicht beachtete. Sie hatte sich geduckt und fixierte Mensch und Bär, die etwa eine Baumlänge von uns entfernt waren und noch nichts von uns ahnten, weil wir uns gegen den Wind genähert hatten. Ich trau diesem Vieh nicht, meinte sie knapp.

Ich auch nicht – das ist der, der uns damals in der Höhle entdeckt hat und uns kaltmachen wollte, beklagte sich Mia. Ein echter Mistkerl.

Ausgerechnet dem mussten wir jetzt begegnen!

Tom war noch eine Baumlänge von ihm entfernt, zog sich langsam zurück und begann in beruhigendem Ton, Worte vor sich hin zu murmeln. »Guter Bär, braver Bär, wir lassen uns beide in Ruhe, okay? Alles in Ordnung, Dicker.« Aber seine Hand lag auf der roten Pfefferflasche an seinem Gürtel.

Nun hatte sich der Bär in Bewegung gesetzt, er trottete mit wiegenden Schritten über die Wiese, rupfte hier und dort eine Pflanze aus und zerkaute sie. Wenn er so weitermachte, würde er nah an dem Ranger vorbeikommen. Inzwischen schien Tom klar zu sein, dass das schiefgehen konnte, selbst auf diese Entfernung roch ich seine Angst.

Auch der Bär schien sie zu riechen – und noch anderes mehr. Anscheinend hatte Tom Proviant in seinem Rucksack, denn der Grizzly hob schnüffelnd den Kopf und machte ein paar Schritte in seine Richtung.

Jetzt könnte Tom langsam mal sein Pfefferzeug abfeuern, meinte meine große Schwester.

Aber ist der Grizzly dann nicht stinkesauer und macht erst recht Ärger?, überlegte ich.

Ich muss etwas tun, sagte unsere Mutter entschlossen. Ihr bleibt hier, ist das klar?

Bevor wir protestieren konnten, war sie schon davongehuscht wie ein hellbrauner Schatten.

Ich hatte keine Ahnung, was sie vorhatte, und wie von selbst kniffen sich meine Ohren flach an den Kopf, ich zeigte die Zähne und ein leises Maunzen entwich mir. Eng aneinandergedrängt, beobachteten Mia und ich, was geschah. Wir wussten beide, dass Grizzlys nicht nur sehr viel größer, sondern auch deutlich stärker waren als Pumas. In einem Kampf hätte unsere Mutter keine Chance gegen diesen Kerl.

Nimca lief zum Rand der Wiese, hielt dort nicht weit von Tom entfernt an und fauchte den Bären an. Es funktionierte, der Koloss blieb stehen und schaute irritiert in ihre Richtung.

Jetzt hätte Tom sich eigentlich zurückziehen und aus dem Staub machen können, während der Grizzly...