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Gott kontrovers - Was noch in Würde zu glauben ist - Antworten aus Naturwissenschaft und Technik

Walter Hehl

 

Verlag vdf Hochschulverlag AG, 2019

ISBN 9783728139320 , 383 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz DRM

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33,99 EUR


 

Gott baut die Welt im Computer

«Ein guter Programmierer kann GOTT spielen, er kann eine Welt schaffen. Seine schlimmste Angst ist, nicht genügend Speicher zu haben.»

Student auf der Website des North Carolina College of Engineering.

2.1 Gottes Computer und seine Weltsoftware

«Unser Schöpfer ist ein kosmischer Computerprogrammierer.»

Richard Terrile, NASA Ingenieur, geb. 1951.

Terrestrische Serverfarmen kommen den Ressourcen Gottes für den Bau der Welt im Computer schon recht nahe. Die ersten Computerfarmen entstanden bei CERN, dem Forschungszentrum für Teilchenphysik, in den Achtzigerjahren des letzten Jahrhunderts aus selbstgebauten Computern, später aus Hunderten von grauen PCs. Die Computerfarm in Abb. 2.1 vermittelt einen guten Eindruck einer heutigen Lokation mit Hunderttausenden von Computern, die wir in Gedanken nun in Anzahl und Leistung für die ganz grosse Aufgabe erweitern wollen, für die Simulation der Welt.

Abb. 2.1 Computerfarmen als Werkzeuge zur Simulation oder Erzeugung von Welten. Ein Datenzentrum von Google mit magisch-blauem LED-Licht, verlängert ins Unendliche (© Google, modifiziert nach Google Data Center Gallery, No 12).

Die Grösse der Aufgabe hängt naturgemäss vom gewählten Feinheitsgrad der Darstellung der Welt im Computer ab. Unser Weltall enthält im für uns sichtbaren Teil – etwa 46 Milliarden Lichtjahre in jede Richtung – etwa 1023 Sterne und insgesamt 1082 Atome, vor allem Wasserstoffatome. Zum Glück müssen die Rechnungen nicht in allen Raumteilen gleich genau sein. Man benötigt hohe Genauigkeit und damit Rechenaufwand

• in Bereichen des Alls mit hoher Materiedichte und starken Gravitationsfeldern,

• dort, wo wir Menschen sind, hingelangen oder wirklich hinsehen können.

Das Verfahren, die Genauigkeit einer Simulation dynamisch an die an einem Ort benötigte Genauigkeit anzupassen, ist Stand der Softwaretechnik. Genau dies macht man bei Berechnungen von Körpern nach dem Verfahren der finiten Elemente oder wir Menschen mit dem Auge, wenn wir den Blick auf eine interessante Stelle richten.

Der zweite Punkt ist natürlich anthropozentrisch, wie in vielen Religionen üblich. Es entspricht noch dem Stand unseres menschlichen Selbstverständnisses, dass das ganze gewaltige Universum nur für uns da ist. Wenn wir die einzigen Geschöpfe sind, wäre es zum Beispiel erst notwendig gewesen, die Rückseite des Mondes dann präzise zu simulieren, als die ersten Sonden den Mond erreichten.

Es gibt noch eine dritte Problematik, die Anpassung der Rechengenauigkeit erfordert:

• die Auswirkung des Zufalls, der aus kleinster Schwankung eine grosse Wirkung haben kann.

Noch im 19. Jahrhundert war die etablierte Wissenschaft überzeugt, dass es Zufall eigentlich nicht gibt, aber es gibt ihn. Die Quantenphysik zeigt es unmittelbar, aber der Zufall ist effektiv überall, auch in der klassischen Physik. Allein in 1 cm3 Luft befinden sich mehr als 2.5 × 1019 Luftmoleküle, deren Koordinaten sechsmal mehr Zufallszahlen bedeuten, je drei für den Ort und je drei für den Impuls jedes Moleküls. Klassisch gesehen, ist der Zufall ein Störfaktor, das Wesentliche war die Erforschung der Regeln und damit der von Gott geschaffenen Ordnung. Aber der grösste Teil von Vorgängen und Strukturen in der Welt ist zufällig und ungeordnet, von den Galaxien und Sternen hinunter zu unserem oder in unserem Körper, wenn man nur gut hinsieht.

Meistens ändern die Zufälle den Lauf der Welt nicht, sondern ihre Auswirkungen verschwinden im Rauschen der Ereignisse. Das Aufregende an Zufällen, die in die Realität einbrechen, ist, dass gelegentlich ein Zufall den Lauf der Welt doch ändern kann, und dann muss man genau rechnen. Dies gilt wohl schon von Anbeginn an. Die Entwicklung der Welt folgt – mit Algorithmen – dem gesetzmässigen Lauf zusammen mit viel Zufall, der die Einzelheiten bestimmt. Die Einzelheiten sind auch Strukturen in kosmischen Dimensionen und unsere irdischen Einzelheiten wie die Formen eines bestimmten Blattes oder einer flüchtigen Wasserwelle. Der Historiker Horst Bredekamp (Horst Bredekamp, 2012) berichtet vom Philosophen Gottfried Wilhelm Leibniz, der in den Gärten der Herrenhäuser bei Hannover vor etwa 300 Jahren eine Hofgesellschaft nach zwei identischen Blättern suchen liess – ohne Erfolg, schon mit blossem Auge nicht, erst recht nicht mit der Lupe. Also schloss Leibniz daraus, dass diese Verschiedenheit (wir sehen darin das Zufällige) immer weiter ginge, so klein man die Objekte auch mache. Er ging dabei zu weit, denn er glaubte nicht an Atome.

Lassen wir Gott mit dem Bau seiner und unserer Welt beginnen und schreiben wir eine kurze Geschichte der Welt aus der göttlichen Spielersicht. Ein Softwareprojekt beginnt mit der Niederschrift der Ziele des Projekts, der Spezifikation, in Zusammenarbeit von Auftraggeber und den Spezialisten für die Technik. Das Ergebnis wird in Programmcode übertragen, getestet, akzeptiert und in den Ernstfall überwiesen, zum Produktionslauf des Programms.

Gott ist in unserem Verständnis allein; alles, was er tut, ist eine einsame Tat und höchstens ein Selbstgespräch. Vor der Spezifikation steht noch die Formulierung des Ziels. Aus unserer Sicht a posteriori soll dies sein:

a. Die geschaffene Welt muss hinreichend stabil sein.

b. Sie soll die Bedingungen für kohlenstoffbasierendes Leben haben.

c. Das Leben soll sich in vernünftiger Zeit in eine intelligente Lebensform verwandeln.

d. Die Lebensform soll sich in eine würdige Gemeinschaft auf ihrem Planeten entwickeln.

Dazu kommt eine Randbedingung für die Abnahme des ganzen gebauten Systems:

e. Die Menge der weiteren notwendigen Eingriffe zum Erreichen der obigen Ziele sei klein oder gar Null.

Die Adjektive in den obigen Spezifikationen sind natürlich erklärungsbedürftig: «hinreichend stabil», «kohlenstoffbasierend», «vernünftig», «würdig» und «kleine Zahl von Eingriffen».

Die Konstruktion der Welt setzt voraus, dass eine Reihe von Naturkonstanten perfekt zusammenpasst; hier ein beispielhafter Satz, die sogenannten Planck-Einheiten:

• Gravitationskonstante, Lichtgeschwindigkeit, Wirkungsquantum,

• Boltzmann-Konstante und Coulomb-Konstante.

Dabei wird angenommen, dass diese Werte überall im All und zu allen Zeiten konstant bleiben. «Stabil» heisst, dass sich im frisch konstruierten Universum Sonnen bilden, die für Milliarden Jahre existieren und nicht nur beispielsweise für eine Millionstel Sekunde. Die Zeit sollte ausreichen, um eine «kohlenstoffbasierende» Evolution zum Leben zu führen. Unsere Biologie ist auf der Formenvielfalt und Leichtigkeit der Variation der Verbindungen des Kohlenstoffs aufgebaut, insbesondere der Klasse der Proteine. Es wären auch ganz andere chemische Lebensspiele denkbar, etwa in einer analogen Siliziumchemie. Aber dies würde vielleicht nicht nur 109 Jahre benötigen, sondern 10100 Jahre, anstatt Milliarden Jahre etwa ein sogenanntes Googol von Jahren. Damit gewinnt die Kohlenstoffchemie in der Natur; im Labor kann es ganz anders aussehen. Im Labor sind ganz andere chemische oder technische Lebensspiele möglich und sie entstehen ja auch gerade in unserer Epoche, z.B. in der Robotik und der künstlichen Intelligenz. Das Attribut vernünftig für eine Zeitspanne ist beim Bau der Welt im göttlich-kosmologischen Massstab zu verstehen: Eine Milliarde von Jahren ist da eine gute Zeit.

Die Forderung nach der Entstehung einer Gemeinschaft von Lebewesen in «Würde» soll das Ziel einer Gemeinschaft selbstverantwortlicher höherer Organismen bedeuten von mindestens der intellektuellen Komplexität von uns Menschen. Wir schliessen damit die Möglichkeit biologischer Weiterentwicklung und technologischer Weiterentwicklung nicht aus mit Transhumanismus und Robotik. Dies soll den Tieren oder Tier-Pflanzen-Gemeinschaften die Würde nicht absprechen, aber wir setzen das Ziel des Zusammenlebens an für Lebewesen mit höheren Softwareebenen, mindestens von der Mächtigkeit der heutigen Menschen. Das Wort höhere in Bezug auf Software ist dabei kein Zirkelschluss, sondern technisch, denn die höhere Ebene ruft die untere. Wir können die «Würde» auch indirekt und bescheidener definieren: Ziel ist eine Gesellschaftsform, die langfristig lebensfähig ist, auch auf einer übermenschlich langen Zeitskala.

Es könnte für diese Aufgabenstellung allerdings mehrere Lösungen geben, darunter auch gewaltsame Lösungen wie im Roman «1984» von George Orwell mit künstlich aufrechtgehaltenen Kriegen und strikt kontrollierten Gesellschaften, komprimiert im Slogan der «inneren Partei von Ozeanien»:

«Krieg ist Frieden, Freiheit ist Sklaverei, Unwissenheit ist Stärke»

George Orwell, in «1984».

Wir würden uns im Allgemeinen wohl eine friedliche Lösung mit offenem Informationsfluss wünschen, eben in Würde mit einem Maximum von Frieden, Freiheit und Wissen.

Die Nummer Fünf in der Liste, die Randbedingung der minimalen Eingriffe, die Gott in die Welt machen muss, soll noch erläutert werden. Eingriffe in die Welt und insbesondere in unser menschliches Schicksal sind ein Angelpunkt für Religionen. Wir ziehen einen Analogieschluss zu verschiedenen Minimalprinzipien der Physik.

Schon erwähnt haben wir das Prinzip von Fermat, wonach ein...