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Das Erbe der Templer - Roman

Martina André

 

Verlag Aufbau Verlag, 2019

ISBN 9783841218124 , 656 Seiten

4. Auflage

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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9,99 EUR


 

Prolog


Januar 2156 –
Area 51, Neue Welt (ehemalige USA)

Vertrauen ist gut

Vom gleißenden Neonlicht irritiert, schärfte Rona nach dem Transfer ihre genetisch optimierten Sinne, um in der schummrigen Umgebung jenen Mann zu erkennen, der nur wenige Meter entfernt stand und sie anstarrte, als ob sie eine Außerirdische wäre.

Im Zeitraffer scannten ihre Augen die kahlen Wände, die bläulich illuminierten Holo -Tische und das flackernde Licht.

Verdammt! War sie versehentlich in der falschen Zeit gelandet? Schließlich war ihr und ihren beiden Geschwistern schon einmal ein solcher Fehler unterlaufen. Anstatt im Jahr 1119 waren sie im Jahr 1148 gelandet. Mitten in den Kreuzzügen. Die Klinge eines Fatimiden hatte Makos Kopf unmittelbar nach ihrer Ankunft vom Körper getrennt. Immer noch hatte sie das Bild vor Augen, wie sein Hals zur Seite geknickt war wie ein gekappter Blütenstängel.

»Lion?« Es war mehr ein Flüstern, mit dem sie sich vergewissern wollte, ob es sich bei dem schlanken, weißhaarigen Mann tatsächlich um Lion Ho Chang handelte. Ihren Lehrmeister, der sie vor fünf Jahren zusammen mit den anderen in eine tausend Jahre zurückliegende Vergangenheit transferiert hatte. Die markanten Gesichtszüge, die ihn nicht einmal halb so alt aussehen ließen, wie er tatsächlich war, wirkten müde und angespannt.

»Rona?« Offenbar war auch er sich nicht sicher, ob sie diejenige war, die er erwartet hatte.

»Ja, ich bin’s«, antwortete sie tonlos. Obwohl sie bei seinem Anblick eine Reihe ungewohnter Emotionen empfand, hielt ihre anerzogene Disziplin sie davon ab, sie zu zeigen. Als sie und ihre Geschwister vor fünf Jahren aufgebrochen waren, stolz darauf, seinen Auftrag erfüllen zu dürfen, hatte Rona nicht damit gerechnet, eines Tages ohne die beiden zu ihm zurückzukehren.

»Du bist es wirklich«, murmelte er vollkommen überwältigt und kam zögernd näher, um sie dann ungefragt heftig in die Arme zu schließen. Für einen Moment war ihr, als ob seine Schultern bebten. Weinte er etwa? Der meistgesuchte Rebellenführer der Neuen Welt hatte seine Gefühle normalerweise so fest unter Kontrolle wie seine Anhänger, die ohne Widerspruch seinen Befehlen folgten.

Doch als er kurz darauf ihr Gesicht musterte, offenbar weil er sicherstellen wollte, dass sie keine Erscheinung war, sah sie einen verdächtigen Glanz in seinen schmalen Augen.

»Du siehst wunderschön aus«, stammelte er und betrachtete gerührt ihre mittelalterliche Kleidung. Ein seidenes Untergewand in leuchtendem Violett und ein dunkelblauer Überwurf aus fein gesponnener Wolle. Dazu ein passender Umhang mit Kapuze und handgearbeitete Stiefel aus Ziegenleder, ebenfalls blau eingefärbt. Das alles hatte für damalige Verhältnisse ein kleines Vermögen gekostet. Arnaud hatte ihr die Sachen im Herbst 1315 in Brügge gekauft, kurz bevor sie nach Schottland übergesetzt waren. Als Templer entstammte er einer provenzalischen Adelsfamilie und hatte keine Kosten und Mühen gescheut, sie nach ihrer Heirat zu seiner Prinzessin zu erheben.

»Du siehst noch umwerfender aus als zum Zeitpunkt eures letzten Transfers«, fuhr Lion mit brüchiger Stimme fort. »Ich erinnere mich genau, wie ich dir und den anderen die passende Kleidung für das zwölfte Jahrhundert beschafft habe. Es war verdammt schwierig, jemanden zu finden, der all das Zeug anfertigen konnte. Wenn ich darüber nachdenke, kommt es mir vor, als ob es gestern gewesen wäre.« Eine einzelne Träne rann nun doch an seiner Wange entlang und tropfte zu Boden.

»Hey.« Rona berührte mit einer federleichten Geste sein noch immer glattes Gesicht. »So schlimm ist es nun auch wieder nicht. Ich lebe noch, und wie du siehst, habe ich mich erwartungsgemäß nicht sehr verändert. Zumindest körperlich«, fügte sie mit einem angedeuteten Lächeln hinzu. Sie würde ihm nicht preisgeben, wie sehr dieser Trip sie im Innersten aufgewühlt hatte.

»Es tut gut, dich wiederzusehen«, krächzte er heiser und strich ihr eine schwarze Haarsträhne aus dem Gesicht, die ihr glatt und bläulich glänzend bis zur Kinnlinie reichte. »Ich habe mich in den letzten fünf Jahren jeden einzelnen Tag gefragt, ob auch nur einer von euch eines Tages wieder vor mir stehen wird. Seit du mir bei unserem letzten Austausch von Makos Tod berichtet hast, konnte ich kaum noch schlafen. Immerzu habe ich mich gefragt, ob ich an seinem grausamen Schicksal mitschuldig bin. Erst recht nachdem der Kontakt zu Lyn und dir abgebrochen war. Ich habe versucht, Makos DNA noch vor eurem Transfer zu erfassen und ihn damit zurückzuholen, um seinen Tod ungeschehen zu machen, aber es hat nicht funktioniert. Umso glücklicher bin ich, dass wenigstens du es am Ende zurück nach Hause geschafft hast. Obwohl ich mir vorstellen kann, welche Strapazen du durchmachen musstest«, erklärte er leise.

»Ja, es war nicht leicht«, gab Rona tonlos zurück. »Wobei ich nicht über die Umstände klagen möchte. Das Leben in vergangenen Zeiten ist in mancher Hinsicht besser als hier. Wir hatten genug zu essen, und die politische Lage war überschaubarer als in unserer Zeit. Die Überwachung durch die Herrschenden war im Vergleich zu heute geradezu lächerlich. Allerdings benötigt man auch dort verlässliche Verbündete, um zu erreichen, was man will.«

»Und wo ist Lyn?«, fragte er und kräuselte besorgt die Stirn. »Sag bitte nicht, dass sie auch getötet wurde.«

»Soweit ich weiß, geht es ihr gut«, antwortete Rona und fuhr abwesend mit einer Hand über die bläulich schimmernden Holo-Tische. »Als ich sie zuletzt sah, hatte sie sich verliebt. Das ist der Grund, warum sie nicht bei mir ist.«

»Verliebt?« Lion starrte sie ungläubig an. »Ich dachte immer, euch sei eine solche Empfindung nicht möglich?«

»Du hast uns doch selbst den Chip entfernt, der unsere Emotionen unterdrücken sollte. Also warum sollten wir uns nicht in andere Menschen verlieben können, wenn alle anderen Emotionen normal funktionieren?« Rona war versucht, über ihre Beziehung zu Arnaud zu sprechen, doch ihre innere Stimme riet ihr, es besser zu lassen. Lion würde nur unnötige Fragen stellen, und das wollte sie nicht.

»Was ist denn das für ein Mann, für den Lyn ihre Pflichten vergisst?«, fragte er mit leicht verwirrtem Blick.

»Es wird dir nicht gefallen, Lion, weil ich weiß, du stehst auf der Seite der Templer …« Sie hielt einen Moment inne und schaute ihn durchdringend an. »Aber der Mann, für den sie sich entschieden hat, ist Assassine. Und ich vermute, sie ist glücklich mit ihm, sonst wäre sie ihm nicht gefolgt.«

»Ein …« Lion schaute sie fassungslos an. »Assassine?«, wiederholte er mechanisch und machte ein Gesicht wie ein Vater, der erfährt, dass seine Tochter soeben mit einem Terroristen durchgebrannt ist. »Und das hast du zugelassen?«

»Sie ist erwachsen, und du warst nicht da. Fünf lange Jahre haben wir in Jerusalem auf ein Zeichen von dir gewartet. Nichts.«

Während er um eine Antwort verlegen war, sah sie sich gründlich in der fast leeren Laborhalle um, deren Böden und Wände im Gegensatz zum futuristischen Equipment ziemlich heruntergekommen wirkten. »Und wie steht es um das Ergebnis unserer Mission?« Rona wagte kaum, ihm in die Augen zu schauen, weil sie glaubte, die Antwort zu kennen. »Ist immer noch alles beim Alten? Oder gab es wenigstens ein paar Veränderungen?« Ihre Stimme klang fest, aber die Anspannung, die sie empfand, war gewaltig. Immerhin ging es um nichts Geringeres als darum, einen verheerenden Krieg zu verhindern und eine humane Gesellschaft zu ermöglichen, in der es weder Mord noch Totschlag gab, geschweige denn eine Weltherrschaft, bestehend aus internationalen Handelskonsortien, die den Planeten wie eine Horde Heuschrecken unter sich aufgeteilt hatten.

Lions versteinerte Miene bedurfte keiner weiteren Worte, und doch rang er sich zu einer ernüchternden Erklärung durch. »Die Welt wird noch immer von den gleichen machthungrigen Konzernen beherrscht wie vor eurer Abreise. Weder den Dritten Weltkrieg noch die dafür verantwortlichen Konflikte zwischen den USA und deren Gegenspieler konnten verhindert werden. Es ist, als ob Gott selbst sich gegen uns verschworen hat. Wobei ich mich frage, warum hat er uns eine solch phantastische Erfindung in die Hände gespielt, wenn man nichts damit anfangen kann?«

»Wenigstens wurdet ihr in der Zwischenzeit nicht von den Wächtern der Neuen Welt erwischt.« Rona kniff resigniert die Lippen zusammen. »Wo sind wir hier eigentlich? Zum Zeitpunkt unserer Abreise waren wir an einen geografisch festgelegten Radius von dreißig Yards gebunden. Aber wie in den schottischen Highlands sieht es hier nicht gerade aus.«

»Ich habe die Programmierung verändern können«, antwortete er unaufgeregt. »Wir sind inzwischen unabhängig von geografischen Parametern und können von jedem Punkt der Erde aus transferieren und im Gegenzug überall hin. Aktuell befinden wir uns in Nevada«, klärte er sie beinahe enthusiastisch auf. »Area 51 – zurück zu den Wurzeln sozusagen. Dieser Rückzug in die Wüste war nach unserem Desaster in Israel die einzige Möglichkeit, den Regierungstruppen zu entkommen.«

Rona war erstaunt über seine Erläuterungen, doch sie zeigte es nicht. »Wie hast du es damals geschafft, in der Wüste von Jerusalem den Angriff der Drohnen zu überleben? Lyn und ich hatten Sorge, du wärst tot.«

»Dan hat mich mit einer Rettungskapsel...