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Das Flüstern der Albträume - Psychothriller

Mary Burton

 

Verlag beTHRILLED, 2019

ISBN 9783732575534 , 473 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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4,99 EUR

Für Firmen: Nutzung über Internet und Intranet (ab 2 Exemplaren) freigegeben

Derzeit können über den Shop maximal 500 Exemplare bestellt werden. Benötigen Sie mehr Exemplare, nehmen Sie bitte Kontakt mit uns auf.


 

Prolog


Samstag, 1. April, Mitternacht

Klebeband dämpfte das heisere Stöhnen der Frau, während eine vermummte Gestalt die Glut im Ofen schürte. Seit sie bei Bewusstsein war, schrie und kämpfte die Frau, in der Hoffnung, ihren Kidnapper auf sich aufmerksam zu machen. War es eine Stunde her, dass sie aufgewacht war? Zwei Stunden? Hier unten in ihrem Kellergefängnis verrann die Zeit wie tropfendes Wasser aus einem undichten Rohr.

So laut sie auch schrie oder mit den Ketten auf den Steinboden schlug, nichts lenkte die schattenhafte Gestalt von den hungrigen, zuckenden Flammen ab, die an den Holzscheiten in dem alten Ofen leckten. Scheit um Scheit fütterte ihr Kerkermeister die Flammen, wie eine zärtliche Mutter, die ihr Kind nährt, und schaute nicht ein einziges Mal zu ihr herüber. An diesem muffigen Ort war sie unsichtbar, unbedeutender als der dreibeinige Stuhl in der dunklen Ecke oder die Müllsäcke, die neben der morschen Treppe gestapelt waren.

Der harte, unebene Steinboden, auf dem sie lag, ließ ihre Rückenmuskulatur verkrampfen und ihre Haut taub werden, und langsam wurde ihr klar, dass es kein Entkommen gab. Sie würde sterben.

Die Frau schloss die Augen. Das laute Pochen ihres Herzens mischte sich mit dem Knistern des Feuers und dem metallischen Klirren des Schürhakens gegen den Rost, auf dem die Holzscheite lagen. Von klein auf hatte man ihr gesagt, dass sie Glück und ein erfülltes Leben nicht verdiente. Böses Mädchen. Du bist ein böses Mädchen. Ihr Leben lang hatte sie sich dagegen aufgelehnt und sich hemmungslos genommen, was sie nur konnte – um zu überleben, aber auch, um zu gewinnen. Aber vielleicht stimmte die düstere Botschaft ja, die man ihr seit der Wiege eingetrichtert hatte. Mit bösen Mädchen nahm es immer ein schlimmes Ende.

Wie eine dunkle Gewitterwolke stieg Verzweiflung in ihr auf, schnürte ihr die Kehle zu und verlockte sie, aufzugeben. Es wäre so einfach, sich in ihr vorherbestimmtes Schicksal zu fügen. So leicht, die Augen zu schließen und sich von der Dunkelheit zudecken zu lassen.

Sie trieb auf den Abgrund zu, bereit, sich ihrem Schicksal zu überlassen, doch ein instinktiver Überlebenswille riss sie im letzten Moment zurück.

Nein! Du willst leben! Du verdienst es zu leben!

Sie öffnete die Augen und sah zu ihrem Kidnapper hinüber. Er war gar nicht so groß. Er wirkte gar nicht so stark. Oder so böse. Vielleicht konnte sie einen kleinen Keil der Vernunft durch seine eiskalte Schale treiben und ihn dazu bringen, Mitleid zu empfinden.

Sie nahm all ihre verbliebenen Kräfte zusammen, schrie und strampelte, aber sein Blick bewegte sich nicht vom Feuer weg.

Gott, was hatte er vor? Was mochte er mit ihr im Sinn haben? In ihrer Fantasie malte sie sich die schlimmsten Szenarien aus, und die aufsteigende Panik entfachte ihren Kampfgeist von Neuem.

Bitte, Gott, hol mich hier raus. Tausend Versprechungen, Schwüre und Vorsätze jagten ihr durch den Kopf, während sie mit Gott verhandelte.

Und dann kam das Wunder – ein dumpfer Knall im Stockwerk über ihr. Das Geräusch drang durch den Strom ihrer Schwüre. Sie drehte den Kopf zu der morschen Treppe, die nach oben führte. Jemand war gekommen! Ihr Herz schlug schneller und lauter, und ihr Magen zog sich so fest zusammen wie eine Stahlfeder.

Sie schaute zu ihrem Kidnapper und forschte nach einem Hinweis in seiner Körperhaltung. War der Neuankömmling dort oben gut oder böse? Hatte dieser Mistkerl einen perversen Freund, der sich zu ihnen gesellen würde? Oder hatte sie einen Retter?

Seine schmalen Schultern versteiften sich, und die Art, wie er ruckartig den Kopf zur Tür wandte, verriet ihr, dass es kein geladener Gast war.

Hoffnung machte sich in ihr breit. Vielleicht hatte jemand gemerkt, dass sie entführt worden war.

Oh Gott. Oh Gott. Bitte schick jemanden, der mich rettet!

Sie riss an ihren Fesseln und schrie. Gedämpft drang ihr Flehen durch das Klebeband.

Die Sonnenbrille und die Kapuze verbargen das Gesicht des Mannes weitgehend, doch sie erhaschte einen Blick auf einen struppigen Bart, als er den Schürhaken bedächtig ablegte und die Stufen zum Erdgeschoss hinaufstieg. An der Kellertür schloss er ein glänzendes, neues Vorhängeschloss auf, öffnete die Tür und machte sie hinter sich wieder zu.

Das Herz schlug ihr bis zum Hals, während sie angestrengt lauschte. Über ihr knarrte die Decke, während ihr Kerkermeister auf der Suche nach dem Eindringling das Erdgeschoss durchquerte.

Bitte, irgendjemand soll mich retten, bitte.

Die Dielen knarrten unter den sachten, zögerlichen Schritten des Neuankömmlings, der sich oben ungehindert bewegte. Sekunden vergingen, und die Schritte wurden selbstsicherer, so als rechne der Besucher nicht damit, Gesellschaft zu bekommen.

Sei vorsichtig! Er wartet auf dich!

Sie schrie, bis ihre Kehle brannte, doch das Klebeband erstickte die Worte und verstümmelte ihre Warnungen.

Der Einbrecher bewegte sich durch das Erdgeschoss. Ihr Kerkermeister verharrte ganz ruhig, lauernd wie eine Schlange, die auf die Gelegenheit zum Angriff wartet.

Und dann ein lauter Ausruf: »Scheiße!«

Ein Handgemenge folgte. Körper prallten gegen Wände. Glas klirrte. Gedämpftes Stöhnen erklang, und etwas Großes fiel zu Boden, wie ein Mensch, der unter dem eigenen Gewicht zusammensackt. Und dann Stille.

Das Herz der Frau schlug so heftig gegen ihre Rippen, dass sie fürchtete, es könnte ihren Brustkorb sprengen. Panisch starrte sie zur Tür und hoffte auf ein Wunder. Wer hatte den Kampf gewonnen? Sie zerrte an ihren Fesseln, versuchte, das Seil zu zerreißen, das in ihre Haut schnitt.

Oh Gott, rette mich!

Ihre Fantasie schlug Purzelbäume, und sie malte sich aus, wie die Polizei den Keller stürmen und ihre Fesseln durchschneiden würde; wie man ihr in beruhigendem Tonfall mitteilen würde, dass sie nun in Sicherheit sei. Man würde sie fragen, was geschehen war, und sie würde nüchtern berichten.

»Das Letzte, woran ich mich erinnere, ist, wie ich an der Theke im Moments gesessen habe, einer kleinen, gehobenen Bar am Potomac. Da kann man gut hingehen. Ganz normale Leute treffen sich dort, um etwas zu trinken, Ärzte, Anwälte, Banker. Es ist kein Lokal, wo sich Verrückte herumtreiben. Es ist ungefährlich.«

Auf jeden Fall würde sie erwähnen, dass sie nur ein einziges Glas Weißwein getrunken und die meiste Zeit mit der Barkeeperin geplaudert hatte, während sie auf ihr Blind Date wartete. Seit mehr als einem Jahr war das ihre übliche Beschäftigung an Samstagabenden.

Irgendwann hatte sich ein Mann auf einen Barhocker neben ihr gesetzt. Er hatte eine Sonnenbrille aufgehabt, sein Bart war ordentlich gestutzt, und er trug einen eleganten, etwas zu großen dunklen Anzug. Es war ein seltsamer, stiller Mann, den man kaum als übermäßig maskulin bezeichnen konnte. Ihr Stiefvater hätte ihn weibisch genannt. Er hatte Wodka bestellt, und beim Klang seiner leisen, krächzenden Stimme war es ihr kalt über den Rücken gelaufen. Aber als sein Drink kam, trank er ihn ohne großes Aufheben, als wäre er ganz zufrieden so allein. Es war einfach gewesen, ihn zu ignorieren.

Sie erinnerte sich, dass eine Frau hereingekommen war und gerufen hatte, sie habe eine Reifenpanne und brauche Hilfe. Die schrille Stimme hatte die Gespräche und die leise Jazzmusik übertönt.

Sie hatte sich umgedreht, um zu sehen, wer da so einen Lärm machte. Sie hatte die Frau als uninteressant eingestuft, als bedeutungslose Unbekannte. Sie hatte sich wieder ihrem Getränk zugewandt und den Zwischenfall bereits vergessen, bevor sie den nächsten Schluck trank.

Und dann … dann war sie hier aufgewacht. In einem dunklen, muffigen Keller, an den Fußboden gekettet.

Oh Gott, wie sehr wünschte sie sich, diese Geschichte zu erzählen. Gerettet zu werden.

Sekunden vergingen, Minuten. Schließlich hörte sie bedächtige Schritte. Bedächtig, nicht hastig. War es die Vorsicht eines Retters oder die sorglose Ruhe eines Wahnsinnigen? Unmöglich zu sagen.

Sie hatte noch immer Hoffnung. Wenn ihr Retter nun einfach nur vorsichtig war? Er wusste ja nicht, dass sie hier unten lag. Er musste auf der Hut sein.

Bitte, beeil dich.

Die Tür oben an der Treppe öffnete sich, und der Umriss einer Gestalt wurde sichtbar. Wer war das? Er stieg die Stufen herab und trat langsam in den Lichtschein des Feuers.

Ihr Kidnapper.

Kein Retter.

Kein Entkommen.

Tränen stiegen ihr in die Augen, rannen seitlich über ihr Gesicht und sammelten sich in ihrem wirren, blonden Haar.

Er ging an ihr vorbei, als wäre sie unsichtbar, und richtete seine ganze Aufmerksamkeit wieder auf das Feuer. Er stocherte in der Glut und pfiff leise, während er die Flammen hingebungsvoll weiter anfachte.

Immer noch strömten ihr Tränen über das Gesicht. Schau mich an, verdammt noch mal! Sieh die verängstigte Frau in mir! Sie war ein guter Mensch. Sie kam aus einer anständigen Familie. Natürlich, sie feierte gern. Aber wer tat das nicht? Vor vielen Jahren hatte sie eine furchtbare Lüge erzählt, doch diese Lüge hatte sie seitdem fast jeden Tag gequält, und sie hatte gebetet, dass Gott ihr verzeihen möge. Zu Weihnachten hatte sie für ein Tierheim gespendet. Ostern ging sie in die Kirche. Auf das Grab ihres Stiefvaters hatte sie Blumen gelegt, obwohl das Schwein keinerlei Respekt verdient hatte....