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Tod einer Bikerin - Fünftes Buch mit Sigi Siebert

Klaus Heimann

 

Verlag edition oberkassel, 2022

ISBN 9783958131958 , 250 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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5,99 EUR


 

Ein merkwürdiger Fall


Ich betrat die Kneipe durch die ehrwürdige alte Pforte. Ihr hufeisenförmiger Tresen aus dunklem Holz war gut besetzt. Einen Moment blinzelte ich, noch von der Sonne geblendet. Dann entdeckte ich meinen Freund Ecki an einer der Rundungen des Tresens stehen. Aufmunternd prostete er mir mit einem Pils zu. Das verstärkte das Trockenheitsgefühl in meiner Kehle schlagartig.

Mit ausgebreiteten Armen ging ich auf Ecki zu, um ihn standesgemäß zu begrüßen. »Hallo mein Freund. Vorsprung? Das sehe ich nicht gerne!«

»So weit geht unsere Freundschaft nicht, dass ich hier verdurste, während ich auf dich warte!«

Der lockere Ton, der zwischen uns herrscht, lässt jeden gemeinsamen Umtrunk wie eine nahtlose Fortsetzung des vorangegangenen wirken. Wir fielen uns herzlich in die Arme und tätschelten uns gegenseitig den Rücken. Als ich von Ecki abließ, stellte Guido gerade unaufgefordert den ersten schäumenden Longdrink des Abends vor mir ab. Ein aufmerksamer Wirt! Da braucht es keine extra Bestellung.

»Danke Guido. Alles im Lack?«

»Bestens, Sigi. Schau dich um! Da sage einer, mit den alten Kneipen ginge es bergab.«

»Anderswo sieht es nicht so gut aus.«

»Ich behaupte nicht, dass es einfach ist. Aber bei mir geht beinahe jeden Abend die Post ab.«

»Du machst eben alles richtig«, lobte Ecki. »Bist ein Freund von Traditionen, ohne den Anschluss an Trends zu verpassen.«

Ein bemerkenswerter Satz für einen Ecki! Dass Guido das ebenfalls auffiel, sah ich an seinem Blick. Er wurde jedoch anderswo gebraucht und tippte sich, ohne etwas zu erwidern, zum Dank für das Lob mit zwei Fingern an die Schläfe und verschwand.

»Erich ist noch nicht da?«, stellte ich mehr fest, als dass ich fragte.

»Nöö. Wann wollte der denn kommen? Du hast mit ihm telefoniert.«

Erich, mein langjähriger Wegbegleiter im Polizeidienst, hatte sich beim letzten Mal in die Runde eingeklinkt und gefragt, ob er bei Gelegenheit wieder dazustoßen dürfte. Da er ein angenehmer Kerl ist, hatten Ecki und ich gerne zugestimmt. Wir mussten auch an Guido denken. Der war angewiesen auf Nachwuchs.

Letzte Woche hatte ich Erich den Termin durchgegeben. Bestimmt würde er wieder von Möhrchen hier abgeliefert, der Dritten im Team meiner letzten Dienstjahre. Nach langem Nebeneinander hatte es vor ungefähr zwei Jahren endlich zwischen den beiden jüngeren Kollegen gefunkt. Besser: Endlich bei Erich gefunkt, dem ewigen Schürzenjäger.

Möhrchen hatte ich immer in Verdacht, dass sie heimlich in unseren Mitstreiter verschossen war. Die beiden hatten vor Kurzem geheiratet und mir war die Ehre zugefallen, einer ihrer Trauzeugen zu sein.

Ich war seltsam gerührt gewesen, als ich meine Unterschrift unter die Dokumente setzen durfte. Anschließend hatte es eine kleine Feier gegeben mit vielleicht zwanzig, fünfundzwanzig Gästen. Allesamt angenehme Leute. Ich hatte mich sehr wohlgefühlt in diesem Kreis. Selten habe ich eine glücklichere Braut gesehen. Wie sagt man so schön: Was ewig währt …

Die Tür schlug auf und Erich erschien im Rahmen. Mit seinen einsneunzig und dem breiten Kreuz füllte er ihn gut aus. In seinem Schatten spazierte Möhrchen herein. Seit unserer gemeinsamen Zeit hatte sie kräftig abgenommen. Die weiche Knautschzone um die Hüfte herum war sie trotzdem nicht losgeworden. Ein ungleiches Paar. Erich mit sportlichem, trapezförmigem Körperbau, seine Frau einen guten Kopf kleiner als er, schmal in den Schultern, mit insgesamt kegelartiger Silhouette. Ohne ihre üppige, möhrenfarbige Lockenpracht, wäre die Kleine komplett neben ihrer männlichen Begleitung verblasst. Wen sie allerdings ansah, den zog sie unweigerlich hinein in ihre tellergroßen, saphirblauen Augen. Männer wie mich jedenfalls. Ihre Sommersprossen sahen dunkelbraun aus. Erst im Winter würden sie blasser werden. Ich wusste, wie sehr die Kleine diese sommerliche Veränderung hasste.

Erich entdeckte uns. »’nabend Männer. Schon bestellt?«

Die kleine Rote lächelte uns verschmitzt zu. »Hallo Sigi, hallo Ecki. Da habt ihr euren Mitstreiter. Gerne gebe ich ihn nicht her. Ihr seid Zeugen, dass ich ihn unbeschädigt bei euch abliefere.«

Ich schmunzelte zurück. »Hallo meine Gute. An deinen Männe kommt nix dran. Ich pass auf. Versprochen!«

»Das soll mich beruhigen? Du weißt, ich habe lang genug auf ihn gewartet. Die wenigen Stunden, die wir uns sehen, möchte ich ihn möglichst unversehrt an meiner Seite haben.«

»Wir alten Männer trinken ihn schon nicht unter den Tisch!«

Das wollte Ecki so nicht stehen lassen. Er protestierte: »Na, Sigi, da sprichst du aber nur für dich. Alter Mann. Ha! Sieh hier: Ich bin gut im Training!« Er strich sich über sein Pilsgeschwür, dem die Schwerkraft zu einer deutlichen Ausstülpung über den Gürtelrand hinweg verhalf.

Die kleine Rote schüttelte gespielt den Kopf über Eckis Einwurf.

Dann kniff sie Erich ein Auge. »Halte dich von dem da fern. In seine Tiefe passt deutlich mehr hinein als in deine Länge. Du ziehst unweigerlich den Kürzeren. Ich übergebe dich in Sigis Obhut. Der ist schließlich unser Trauzeuge und wird Schaden von dir fernhalten. Pflichtbewusst, wie er ist.«

Unser Möhrchen. Sie hatte es immer schon gut draufgehabt, uns Männer elegant einzuwickeln. So humorig sie das hervorgebracht hatte – der Ernst in ihren Worten war bei mir angekommen. Sie mochte einen angeheiterten Erich genauso wenig wie Lotte einen angeheiterten Sigi. Mal schauen, was ich für sie tun konnte.

Möhrchen verabschiedete sich. Sie schenkte jedem von uns zum Abschied einen Blick aus ihren blauen Ozeanen.

»Macht’s gut. Um elf hole ich dich ab, Erich.« Sie drückte ihrem Mann einen intensiven Kuss auf den Mund und verschwand durch die Pforte des Kneipenparadieses.

Ecki grinste Erich feist an. »Die hat dich ganz schön unter der Fuchtel, was?«

»Hatten das seine Frauen nicht immer?«, lästerte ich.

»Schnauze, Männer. Ihr wisst, dass ich lange nach der Richtigen gesucht habe. Und Möhrchen ist die Richtige, glaubt mir das.«

Ecki, wie er war, konnte sich unmöglich verkneifen, weiter Öl aufs Feuer zu gießen. »Sehnst du dich nicht nach all deinen schicken Blondinen zurück? Mit schlanken Körpern und draufgängerischem Temperament?«

Der Dicke traf den Punkt. So hatte es lange ausgesehen, Erichs Beuteschema. Diese Beziehungen hatten maximal drei Jahre gehalten. Übrigens in seltsamer Synchronizität zu dem Rhythmus, in dem Ecki seine viel zu großkotzigen Autos wechselte. Ob die Trennungen nun von Erich oder von seinen Flammen ausgegangen waren – das Resultat war immer dasselbe gewesen. Kurz darauf war er erneut auf Treibe gegangen. Bis er endlich das treue Möhrchen für sich entdeckt hatte.

Erichs Gesichtsausdruck wurde richtig ernst. »Das war mal. Ist Geschichte. Mein Lehrgeld habe ich bezahlt. Und das nicht zu knapp. Ihr werdet es kaum glauben: Ich sehne mich kein Bisschen nach dieser Zeit zurück. Möhrchen ist perfekt für mich.«

Der Tonfall unseres Kumpels ließ Ecki verstummen. Ein wenig gönnte ich ihm diesen Dämpfer. Bei Weitem nicht jedes Thema war dazu geeignet, in der Kneipe oberflächlich und mit Spott durchgekaut zu werden.

Ich lenkte die beiden von ihrem Thema ab. »Guido, ein Pils für den Jungen und drei Samtkragen.«

»Das ist ein Wort!«, bekräftigte Ecki meine Bestellung.

Erich verzog das Gesicht. »Uuh. Sofort mit Schnaps loslegen …«

Ich haute meinem Ex-Kollegen auf die muskelbepackte Schulter, dass es klatschte. »Deine Frau ist weg. Und außerdem weiß ich, was du verträgst. Ich gebe lange vor dir auf. Habe ich den Kanal bis zum Kragen voll, hast du exakt deinen eheverträglichen Pegel erreicht. Du rufst Möhrchen an, bittest sie, dich einzusammeln, vermeidest aber – ganz wichtig! – jede Art von Zärtlichkeiten. Und möglichst flach atmen! Deine Gattin wird deinen Zustand höchstens erahnen, aber mangels direkten Körperkontakts nicht allzu intensiv riechen. Du lässt dich von ihr einfach brav in die Heia abführen. Der Rest geht mich nichts mehr an.«

Ecki kicherte. Meine harmlose, verklausulierte Schlüpfrigkeit traf seinen Junggesellenhumor. Ich weiß es zwar nicht mit Gewissheit, denke mir aber, seine Bilanz bei der Damenwelt sieht recht mickrig aus. Wenn er überhaupt auf Frauen steht – selbst darüber bin ich mir nicht im Klaren. Als wir hier bei Guido den Stoppenberg-Fall durchgekaut hatten, war ich nah dran gewesen, seine Orientierung aufzudecken. Blieb am Ende ein Fehlversuch.

Das spielte ohnehin keine Rolle für mich. An diesem Abend nicht und an allen kommenden ebenso wenig. Ecki war ein umgänglicher Typ, mit dem man reden konnte. So was zählt am Tresen.

Wie von Zauberhand standen die Getränke vor uns und wir prosteten uns zu. Erst mit dem Pilschen, dann mit den Samtkragen. Ich schüttelte mich von dem bitteren Boonekamp. Es war tatsächlich ein wenig früh gewesen für den Schnaps.

Erich sprach aus, was er über die Ruhrgebiets-Spezialität dachte: »Ein absolut widerliches Zeug. Dass ihr das Sauzeug herunterkriegt!«

»Hast du doch auch«, entrüstete sich Ecki.

»Ihr habt mich verführt!«

»Dieser Anlauf muss es dir wert sein, dass dir der Nächste schmeckt«, philosophierte ich.

»Nee, lass man. Die nächste Schnapsrunde geht auf mich und dann trinke ich lieber einen Jägermeister.«

Ecki schüttelte mit wenig schauspielerischem Talent den Kopf. »Tss, tss, der Nachwuchs. Wozu wird unsere...