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Mörderspiele - Drei Fälle für Eve Dallas

J.D. Robb

 

Verlag Blanvalet, 2009

ISBN 9783641029418 , 416 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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9,99 EUR

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I
Mord schert sich nicht um Traditionen. Er ignoriert Emotionen. Und macht keine Ferien.
Weil Mord ihr Beruf war, stand Lieutenant Eve Dallas am frühen Morgen des ersten Weihnachtstages draußen in der Kälte und bestrich die Wildlederhandschuhe, die ihr Mann ihr wenige Stunden zuvor geschenkt hatte, mit Seal-It.
Der Anruf war eben erst eingegangen, kaum sechs Stunden nach Abschluss des letzten Falles, der ihr einiges abverlangt hatte.
Ihr erstes Weihnachtsfest mit Roarke sah nicht nach einem furiosen Start aus.
Für Richter Harold Wainger hatte das Fest jedoch eine wesentlich fatalere Wendung genommen.
Seine Leiche lag mitten auf der Eisbahn im Rockefeller Center. Mit dem Gesicht nach oben, sodass seine glasig starren Augen den bombastischen Weihnachtsbaum fokussierten – New Yorks Symbol der guten Wünsche für ein friedvolles Fest.
Waingers Leichnam war unbekleidet und bereits tiefblau verfärbt. Das dichte silbergraue Haar, zu Lebzeiten sein Markenzeichen, war stoppelkurz geschoren, sein Gesicht grässlich entstellt. Trotzdem hatte Eve keine Probleme, ihn zu identifizieren.
Sie war seit zehn Jahren bei der Polizei und hatte den Richter unzählige Male bei Verhandlungen erlebt. Er war, sinnierte sie, ein kompetenter und engagierter Mann gewesen, der die Gesetze respektierte, aber auch um ihre Fallstricke wusste.
Sie bückte sich über den Toten, um die Worte zu entziffern, die tief in seinen Brustkorb eingebrannt standen.
 
Richte, so wirst du gerichtet.
 
Sie hoffte für ihn, dass ihm die Brandmale post mortem zugefügt worden waren, bezweifelte dies jedoch stark.
Man hatte ihn brutal gefoltert, ihm die Finger beider Hände gebrochen. Blutige Einschnitte an Hand- und Fußgelenken deuteten darauf, dass er gefesselt worden war. Gleichwohl waren es weder Folter noch Brandmale, die seinen Exitus herbeigeführt hatten.
Das Seil, an dem man ihn aufgeknüpft hatte, schmiegte sich weiterhin um seinen Hals, grub sich tief in das tote Fleisch. Das war bestimmt kein schneller Tod, überlegte sie. Sie hatte nicht den Eindruck, als hätte er das Genick gebrochen, stattdessen ließen die geplatzten Äderchen in seinen Augäpfeln und im Gesicht eher auf eine langsame Strangulation schließen.
»Er wollte Sie möglichst lang am Leben halten«, murmelte sie. »Damit Sie das ganze Martyrium qualvoll spüren.«
In kniender Haltung inspizierte sie die handgeschriebene Notiz, die sich fröhlich im Wind bauschte. Sie bedeckte den Penis des Opfers, gleichsam wie ein obszönes Leichentuch. Fein säuberlich mit Druckschrift aufgelistet, standen darauf diverse Namen.
 
RICHTER HAROLD WAINGER
STAATSANWÄLTIN STEPHANIE RING
PFLICHTVERTEIDIGER CARL NEISSAN
JUSTINE POLINSKY
DR. CHARLOTTE MIRA
LIEUTENANT EVE DALLAS
 
»Mich hebst du dir für den Schluss auf, was, Dave?«
Sie erkannte seinen typischen Stil: bestialisch ausgeklügelte Foltermethoden, die langsam und qualvoll zum Tod führten. David Palmer genoss sein Tun. Seine Experimente, wie er es bezeichnete, als Eve ihn vor drei Jahren endlich gestellt hatte.
Bis sie ihn hinter Schloss und Riegel gebracht hatte, hatte er bereits acht Opfer auf dem Gewissen und Schränke voller Disketten, die seine »wissenschaftliche Arbeit« belegten. Seitdem saß er die acht Mal lebenslänglich ab, zu denen Wainger ihn verknackt hatte. Im Hochsicherheitstrakt einer Einrichtung für mental gestörte Täter.
»Aber du bist rausgekommen, stimmt’s, Dave? Es ist deine Handschrift. Die Folter, die Demütigungen, die Brandwunden. Öffentliche Zurschaustellung des Opfers. Das hier war gewiss kein Trittbrettfahrer. Bergen Sie den Leichnam«, befahl sie und erhob sich auf wackligen Beinen.
Sah echt nicht danach aus, als würden die letzten Dezembertage des Jahres 2058 ein Zuckerschlecken werden.
Kaum dass sie wieder in ihrem Wagen saß, fuhr Eve das Heizungsgebläse auf Hochtouren. Streifte die Handschuhe ab und rieb sich mit den Händen die kalten Wangen. Keine Frage, sie müsste einen Bericht erstellen, aber das konnte sie auch zu Hause erledigen. Verdammt noch mal, sie würde Weihnachten diesmal nicht auf dem Revier verbringen!
Über den eingebauten Link gab sie an die Zentrale durch, dass sämtliche Namen auf der Liste hinsichtlich möglicher Gefahren an Leib und Leben informiert werden sollten. Und, Weihnachten hin oder her, sie beorderte Polizeischutz für jede der genannten Personen.
Während sie fuhr, beauftragte sie ihren Computer: »Computer, aktueller Stand über David Palmer, geisteskranker Insasse der Rexal-Strafanstalt.«
 
COMPUTER ARBEITET … DAVID PALMER, VERURTEILT ZU ACHT MAL LEBENSLÄNGLICH IN AUSSERPLANETARISCHER EINRICHTUNG REXAL, WURDE AM 19. DEZEMBER ALS FLÜCHTIG GEMELDET, WÄHREND DES TRANSPORTS ZUM GEFÄNGNISKRANKENHAUS ENTKOMMEN. DIE SUCHE WIRD FORTGESETZT.
 
»Schätze, Dave beschloss, über die Feiertage nach Hause zu kommen.« Sie blickte auf und runzelte die Stirn, als ein kleines Luftschiff über ihr kreuzte, aus dem lautstark Weihnachtslieder plärrten, während dunstig der Morgen über der Stadt hereinbrach. Zum Teufel mit den himmlischen Heerscharen, dachte sie im Stillen, und rief den Commander an.
»Sir«, sagte sie, als Whitneys Gesicht auf dem Monitor auftauchte. »Bedaure, dass ich Sie an den Feiertagen stören muss.«
»Ich bin über den Fall Wainger bereits informiert. Der Richter war ein kompetenter Mann.«
»Ja, Sir, das war er.« Sie stellte fest, dass Whitney einen flauschigen, burgunderroten Bademantel trug – vermutlich ein Weihnachtspräsent seiner Frau. Roarke überraschte sie ständig mit tollen Geschenken. Ob Whitney über die Geschenke wohl auch so erstaunt war wie sie meistens? »Der Tote wird ins Leichenschauhaus überführt. Ich habe den Bereich um den Fundort der Leiche absperren lassen und bin jetzt auf dem Weg nach Hause, um in meinem privaten Büro zu arbeiten.«
»Was den vorliegenden Fall anbelangt, plädiere ich für andere Zuständigkeiten, Lieutenant.« Er gewahrte das temperamentvolle Aufblitzen in ihren goldbraunen Augen, ihr müder Blick verdunkelte sich. Ihr scharf geschnittenes Gesicht mit dem energischen Kinn und dem kleinen Grübchen und der volle, ernste Mund blieben indessen frostig kontrolliert.
»Heißt das, Sie wollen mir den Fall wegnehmen?«
»Sie haben gerade eine schwierige und nervenaufreibende Ermittlung hinter sich. Ihre Partnerin wurde tätlich angegriffen.«
»Peabody bleibt außen vor«, sagte Eve hastig. »Sie muss sich erst einmal erholen.«
»Sie etwa nicht?«
Sie öffnete den Mund und schloss ihn wieder. Vorsicht, Eve, du bewegst dich auf dünnem Eis, sann sie insgeheim. »Commander, mein Name steht auch auf der Liste.«
»Exakt. Ein Grund mehr für Sie, sich dieses Mal auszuklinken.«
Die Aussicht, erst einmal alles zu verdrängen, nach Hause zu fahren und ganz normal Weihnachten zu feiern wie andere Leute auch, war verlockend – und eine völlig neue Erfahrung für sie. Andererseits geisterte ihr Wainger durch den Kopf, brutal ermordet und sämtlicher Menschenwürde beraubt.
»Ich habe David Palmer seinerzeit gestellt und verknackt. Er war mein Fang, keiner kennt seine Denkstrukturen so gut wie ich.«
»Palmer?« Whitneys buschige Brauen hoben sich irritiert. »Der sitzt doch im Gefängnis ein.«
»Nicht mehr. Am 19. entkam er. Er ist zurück, Commander. Man könnte sagen, ich habe seine Handschrift wiedererkannt. Die Namen auf der Liste«, fuhr sie fort, entschlossen, ihre Interessen durchzusetzen, »stehen alle in Zusammenhang mit ihm. Wainger war der zuständige Richter in dem Verfahren, Stephanie Ring die stellvertretende Staatsanwältin. Cicely Towers, die die Verhandlungen leitete, ist inzwischen tot. Ring assistierte ihr. Carl Neissan sprang als Pflichtverteidiger ein, nachdem Palmer sich sträubte, einen Anwalt seiner Wahl zu benennen. Justine Polinsky übernahm den Vorsitz über die Jury. Dr. Mira erstellte das psychiatrische Gutachten und stimmte in der Verurteilung gegen ihn. Ich brachte ihn damals vor Gericht.«
»Die auf der Liste genannten Personen müssen informiert werden.«
»Das habe ich bereits veranlasst, Sir. Und Personenschutz zugesichert. Ich könnte die Dateien auf meinen Computer zu Hause überspielen, um meine Erinnerung aufzufrischen, aber was mich betrifft, wäre das absolut überflüssig. Einen Typen wie David Palmer vergisst man nicht. Ein neuer Chefermittler müsste sich erst mit dem Fall vertraut machen, und das erfordert Zeit, die wir nun einmal nicht haben. Ich kenne diesen Mann, wie er arbeitet, wie er denkt. Was er will.«
»Und, was will er, Lieutenant?«
»Was er immer schon wollte. Anerkennung für sein Genie.«
»Es ist Ihr Fall, Dallas«,...