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Teufelsengel

Monika Feth

 

Verlag cbj Kinder- & Jugendbücher, 2009

ISBN 9783641037901 , 416 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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8,99 EUR

  • Unterm Kreuz des Südens. Eine australische Familiensaga
    Küss mich, Schatz! - Roman
    Du wirst lachen, mir geht's gut - Roman
    Die Schwalbe, die Katze, die Rose und der Tod - Roman
    Die Behandlung - Psychothriller
    Der Vogelmann - Psychothriller

     

     

     

 

 

1
 
 
 
 
Schmuddelbuch, Montag, 10. November
 
Gestern wurde aus dem Fühlinger See die Leiche eines zweiundzwanzigjährigen Mannes geborgen. Die Polizei geht von einem Fremdverschulden aus, machte aber, um die Ermittlungen nicht zu gefährden, keine weiteren Angaben. Dies wäre seit Mai bereits das vierte Gewaltverbrechen mit Todesfolge in Köln. Einen Zusammenhang der Todesfälle schließt die Polizei nach dem derzeitigen Kenntnisstand jedoch aus. (Kölner Anzeiger)
 
 
 
»Warum nicht, Greg?«
»Dafür gibt es tausend Gründe, Schätzchen.«
»Nenn mir drei!«
»Also gut. Erstens: Ich will nicht. Zweitens: Ich will nicht. Drittens: Ich will nicht. Und jetzt lass mich arbeiten.«
»Das ist nicht fair, Greg!«
Gregory Chaucer stützte die Ellbogen auf den Schreibtisch und vergrub die Finger im Haar. Dann hob er den Kopf und bedachte Romy mit einem milden Blick. »Seit wann, Mädchen, ist das Leben fair?«
»Ich weiß, dass ich recht habe, Greg.«
»Das ist ja das Schlimme. Du hast meistens recht.«
»Also gibst du mir grünes Licht?«
»Nein!« Gregory Chaucer beugte sich vor und griff nach dem Telefon. »Sonst noch was?«
Er konnte das gut, jemanden, der ihm auf die Nerven fiel, mit beleidigender Beiläufigkeit abservieren, und Romy hatte das schon oft am eigenen Leib zu spüren bekommen. Er guckte einen dann stur über den Rand seiner Lesebrille hinweg an, wobei sich seine Stirn in angestrengte Falten legte, was seinem Gesicht einen gleichermaßen erstaunten wie abwartenden Ausdruck verlieh. Diesmal, hatte Romy sich vorgenommen, würde sie sich davon nicht beeindrucken lassen.
»Und wenn ich dir verspreche, vorsichtig zu sein?«
»Das versprichst du mir doch dauernd.«
»Bitte, Greg. Du weißt, dass du dich auf meine Nase verlassen kannst.« Sie rührte sich nicht von der Stelle. »Vier Tote in einem halben Jahr, Greg. Du willst mir doch nicht erzählen, dass nichts dahintersteckt?«
»Ich will dir gar nichts erzählen, Romy. Ich will meine Ruhe haben, nichts weiter. Renitente Volontärinnen sind das Letzte, was ich im Augenblick brauche.«
»Renitent? Das kränkt mich jetzt aber wirklich, Greg.«
Gregory Chaucer stöhnte auf.
»Setz dich, Romy.«
Er hatte den Satz noch nicht ausgesprochen, als Romy schon auf dem Stuhl vor seinem Schreibtisch saß und ihn mit großen Augen anschaute.
»Also. Noch einmal. Was hast du vor?«
»Bloß ein bisschen herumstochern, Greg. Vier Tote! Das könnte die Geschichte meines Lebens werden.«
»Die Geschichte deines Lebens …« Gregory Chaucer konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. »Wie alt bist du? Fünfzig?«
Romy beschloss, ihn mit seinen eigenen Waffen zu schlagen. »Gerade achtzehn geworden. Aber du hast mir immer gesagt, dass man zugreifen muss, wenn man eine Geschichte vor sich hat.«
»Wenn
»Das ist eine Geschichte, Greg. Ich hab das im Gefühl.«
Gregory Chaucer hatte Romy schon oft gepredigt, ein Journalist ohne den richtigen Riecher sei keinen Pfifferling wert. Genau da versuchte Romy ihn zu packen.
»Es geht um Mord, Romy, das ist ein verdammt heißes Eisen …«
»… das man schmieden muss, solange es heiß ist …«
»Du hast keine Erfahrung. Nimm wenigstens einen Kollegen mit.«
»Es ist meine Geschichte, Greg. Ich will die nicht teilen.«
Gregory Chaucer, deutsch-irischer Abstammung, seit dreißig Jahren im Zeitungsgeschäft und seit zehn Jahren Verleger und Chefredakteur des links-alternativen KölnJournals, hatte vier Tugenden auf sein Banner geschrieben: den richtigen Riecher, Neugier, Biss und eine ordentliche Portion Egoismus. Er selbst hatte sich mit mutigen, kompromisslosen Artikeln an die Spitze geschrieben und verlangte normalerweise auch von anderen, dass sie Zivilcourage und Ehrgeiz zeigten.
»Tut mir leid, Romy. Ich kann dir nicht …«
Sie stand auf und sah traurig auf ihn hinunter. »Okay, Greg.«
»Du wirst es ohne meine Erlaubnis tun«, sagte er.
»Was?«
»Du weißt genau, was ich meine.«
»Du lässt mir ja keine Wahl, Greg.«
Er seufzte. »Hau schon ab! Und pass auf dich auf!«
Das brauchte er ihr nicht zweimal zu sagen. Sie warf ihm eine Kusshand zu und war schon aus seinem Büro verschwunden.
Das Alibi war rappelvoll. Romy erkannte das eine oder andere Gesicht, aber sie hatte heute keine Lust, sich zu irgendjemandem an den Tisch zu setzen. Ganz hinten, bei der Garderobe, war noch ein Zweiertisch frei. Romy nahm ihn, obwohl sie es hasste, wenn die Ärmel fremder Mäntel und Jacken ihren Nacken streiften, sobald sie sich bewegte. Zudem war dies die absolut finsterste Ecke in diesem ohnehin sehr düsteren Café.
Aber sie würde halbwegs ungestört nachdenken können. Das gelang ihr in der Redaktion nur selten. Da war ein ständiges Kommen und Gehen, ein Klingeln von Telefonen und ein Summen von Stimmen. Da gab es keine ruhige Nische.
Irgendwann hatte Romy das Alibi für sich entdeckt, ein Bistro, das von einem schwulen Paar geleitet wurde, Giulio und Glen, die beide behaupteten, ihren ursprünglichen Taufnamen zu tragen und nicht auf Wohlklang geschielt zu haben. Doch das behaupteten sie von ihrer Haarfarbe auch, obwohl jeder sehen konnte, dass Siegfried und Roy dafür Pate gestanden hatten.
Man konnte im Alibi stundenlang vor einem einzigen Cappuccino sitzen, ohne zum Verzehr genötigt zu werden. Der Boden war schwarz lackiert, an den blutrot gestrichenen Wänden hingen verrückte Bilder, die zum Verkauf angeboten wurden, nackte, verdrehte, signalfarbene Leiber, in deren Haaren Vögel nisteten, aus deren Wimpern Blätter sprossen und zwischen deren Zehen Käfer und Hummeln hausten.
An einer Wand standen Bücherregale, vollgestopft mit zerlesenen, teilweise arg zerfledderten Kriminalromanen, die dem Alibi seinen Namen gegeben hatten. Es war erlaubt, sogar erwünscht, sich daraus zu bedienen. Man konnte ein Buch mit nach Hause nehmen, um es zu Ende zu lesen, und später zurückbringen, durfte es jedoch auch behalten, solange man es durch ein anderes ersetzte.
Die langbeinigen Mädchen, die hier bedienten, blieben nie lange. Kaum hatte man sich an die eine gewöhnt, wurde sie auch schon von einer anderen abgelöst. Es waren Paradiesvögel, die sich für eine Weile niederließen, um dann in wärmere Gefilde weiterzufliegen.
Romy bestellte sich einen Cappuccino und ein Mineralwasser und packte ihren Laptop aus.
Gleich am ersten Tag bei der Zeitung hatte sie damit angefangen, regelmäßig ihre Gedanken und Beobachtungen zu notieren. Sie verfasste Texte zu allen möglichen Themen, manchmal ausgefeilt und so gut wie druckreif, manchmal unfertig oder auch nur in Form bloßer Gedankensplitter. Sie sammelte Zitate, Zeitungsausschnitte, Fotografien und Einkaufsquittungen, ohne zu wissen, wann und wofür und ob überhaupt sich das alles jemals verwenden lassen würde.
Meistens schrieb sie an ihrem Laptop. War sie ohne ihn unterwegs, was selten vorkam, benutzte sie eines der Notizbücher, die sie wie unter Zwang ständig kaufte und von denen sie das aktuelle immer mit sich herumschleppte. Bei Gesprächen verwendete sie gern das Diktiergerät, das sie sich vor kurzem zugelegt hatte. Zur Not taten es aber auch Zettel, die sie später in das Notizbuch einklebte, genau wie die Zeitungsausschnitte, Fotografien und Quittungen.
Sie nannte diese Form des Tagebuchs, das ja streng genommen gar keines war, ihr Schmuddelbuch.
Jedes Mal, wenn sich die Tür öffnete, strömte kalte Luft herein. Das Wetter hatte sich verändert. Die Temperatur war über Nacht um zehn Grad gefallen. Leichter Schneeregen ging aus dem braungrauen Himmel nieder. Die Häuser waren in Grau getaucht. Selbst das Licht der Autos wirkte schmutzig. Romy wickelte sich den Schal fester um den Hals und zog die Stulpen, die sie in den Wintermonaten meistens trug, ein Stück weiter über die Finger. Dann fing sie an zu schreiben.
 
Fühlinger See. Leiche: männlich, zweiundzwanzig Jahre alt.
Tatort aufsuchen. Informationen über das Opfer beschaffen. Umfeld kennenlernen.
Vierter Mord.
Wer waren die früheren Opfer?
 
»Hi,...