dummies
 

Suchen und Finden

Titel

Autor/Verlag

Inhaltsverzeichnis

Nur ebooks mit Firmenlizenz anzeigen:

 

Inklusion und Exklusion: Analysen zur Sozialstruktur und sozialen Ungleichheit

Rudolf Stichweh, Paul Windolf

 

Verlag VS Verlag für Sozialwissenschaften (GWV), 2009

ISBN 9783531919881 , 361 Seiten

Format PDF, OL

Kopierschutz Wasserzeichen

Geräte

33,26 EUR

  • Die Zeit der Gesellschaft - Auf dem Weg zu einer soziologischen Theorie der Zeit
    Lebensqualität aus Nutzersicht - Wie Menschen mit geistiger Behinderung ihre Lebenssituation beurteilen
    Gemeinschaft in Gesellschaft - Soziologie nach Hegel und Parsons
    Erkenntniskritische Sozialisationstheorie - Kritik der sozialisierten Vernunft
    Erziehung zur Armut? - Soziale Arbeit und die 'neue Unterschicht'
    Wieviel Subjekt braucht die Theorie? - Ökonomie / Soziologie / Philosophie
    Das Soziale gestalten - Über Mögliches und Unmögliches der Sozialpädagogik
    Politische Steuerung von Integrationsprozessen - Intentionen und Wirkungen
  • Das Individuum im Widerspruch - Zur Theoriegeschichte des modernen Individualismus.

     

     

     

     

     

     

     

     

 

 

Einleitung: Inklusion und soziale Ungleichheit (S. 11)

Paul Windolf

1. Solidarität und funktionale Differenzierung

Was die Gesellschaft im Innersten zusammenhält, war für Durkheim die soziale Solidarität, die die Individuen aneinander bindet und ihnen reziproke Verpflichtungen auferlegt. In seiner Studie zur Arbeitsteilung konzipiert Durkheim zwei Typen sozialer Solidarität. Diese beschreiben unterschiedliche Formen gesellschaftlicher Integration und zugleich die Art und Weise, wie Individuen in die Gesellschaft „inkludiert“ werden.

In traditionalen Gesellschaften sind es die gemeinsamen Normen und Werte, die die Gleichheit der Institutionen und der Sitten und Gebräuche garantieren. Sie uniformisieren das Verhalten und Bewusstsein der Individuen (Kollektivbewusstsein). Durkheim bezeichnet diese Form der kulturellen Integration als mechanische Solidarität bzw. als „solidarité par similitude“.

In modernen Gesellschaften ist es die Arbeitsteilung, die die Individuen in eine funktionale wechselseitige Abhängigkeit einbindet. Sie sind in die Gesellschaft integriert, weil sie voneinander abhängig sind und deshalb nicht weglaufen können (organische Solidarität). Die Gesellschaftsmitglieder werden autonomer und „individualisieren“ sich, gleichzeitig werden sie voneinander immer abhängiger.

Luhmann ersetzt diese Solidaritäts-Typen durch eine Klassifikation von unterschiedlichen Formen der Differenzierung, die im Prozess der gesellschaftlichen Evolution einander ablösen. Sie unterscheiden sich nicht voneinander hinsichtlich des Grades der Differenzierung, sondern es sind qualitativ unterschiedliche Typen der Differenzierung: „Segmentäre Differenzierung unter dem Gesichtspunkt der Gleichheit gesellschaftlicher Teilsysteme, stratifikatorische Differenzierung unter dem Gesichtspunkt der rangmäßigen Ungleichheit der Teilsysteme, funktionale Differenzierung unter dem Gesichtspunkt sowohl der Ungleichheit als auch der Gleichheit der Teilsysteme. Funktionssysteme sind in ihrer Ungleichheit gleich.“

Luhmann argumentiert weiterhin, dass die Bedingungen, unter denen Personen in gesellschaftliche Systeme inkludiert werden, mit der Form der Differenzierung variieren. Inklusion in eine stratifikatorisch differenzierte Gesellschaft vollzieht sich nach anderen Regeln als Inklusion in eine funktional differenzierte Gesellschaft.

Die Form der Inklusion/Exklusion hängt also davon ab, wie die Gesellschaft strukturiert ist. In Gesellschaften, deren Struktur durch einen Primat funktionaler Differenzierung geprägt ist, kann es keine auf die Gesamtperson bezogene Totalinklusion mehr geben. Die Teilsysteme haben ihre jeweilige Funktion monopolisiert, sie operieren als autonome und nach außen geschlossene Systeme. Dies hat Folgen für die Inklusionsbedingungen: „Man kann nicht Menschen den Funktionssystemen derart zuordnen, daß jeder von ihnen nur einem System angehört, also nur am Recht, aber nicht an der Wirtschaft, nur an der Politik, aber nicht am Erziehungssystem teilnimmt.

Das führt letztlich zu der Konsequenz, daß man nicht mehr behaupten kann, die Gesellschaft bestehe aus Menschen, denn die Menschen lassen sich offensichtlich in keinem Teilsystem der Gesellschaft ... mehr unterbringen.“ Wenn man Durkheims Typologie mit den Differenzierungsformen von Luhmann vergleicht, wird deutlich, dass die organische Solidarität der funktionalen Differenzierung korrespondiert, während die mechanische Solidarität auf ihren strukturellen Aspekt reduziert wird (segmentäre Differenzierung).

Eine Inklusion über Normen und Werte kommt in der Typologie von Luhmann nicht mehr vor. Man kann jedoch zeigen, dass diese Form der Inklusion für einige Teilsysteme bedeutsam ist (z.B. politische Parteien, Gewerkschaften), und wir kommen in Abschnitt 3 darauf zurück. Die Frage, wie Personen in Funktionssysteme inkludiert werden, lässt sich in zwei Teilfragen zerlegen: Erstens, welche Positionen stellt ein Teilsystem zur Verfügung, in die Personen dann inkludiert werden können?

Durch welche Strukturmerkmale lässt sich dieses Positionssystem charakterisieren (z.B.: soziale Ungleichheit)? Zweitens, unter welchen Bedingungen und nach welchen Regeln werden Personen in die jeweiligen Teilsysteme inkludiert (z.B. Chancengleichheit)? Die erste Frage wird in Abschnitt 2, die zweite Frage in den Abschnitten 3 und 4 diskutiert.