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Das Leiden und die Gottesliebe - Beiträge zur Frage der Theodizee - Reutlinger Theologische Studien, Band 1

Jörg Barthel, Holger Eschmann, Christof Voigt (Hrsg.)

 

Verlag Edition Ruprecht, 2006

ISBN 9783767570801 , 141 Seiten

Format PDF, OL

Kopierschutz Wasserzeichen

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27,00 EUR


 

Von der Klage zum Lob Gottes (S. 76-77)

Bibelarbeit zu Psalm 13


Christin Eibisch/Olf Tunger


1 Klagendes Beten – ein Plädoyer


Ein Gefühl von Vergeblichkeit über die Dinge hat sich vieler Menschen in der Gegend, in der wir leben, bemächtigt. Arbeitslosigkeit, Verlust der Fähigkeit, soziale Kontakte zu pflegen oder neu aufzubauen bis hin zur Beziehungsunfähigkeit Einzelner treffen wir auffällig oft an – auch im Umfeld der christlichen Gemeinde. Die meisten Menschen können nicht erkennen, was ihre Not und ihre Fragen mit ihrem Bild vom »lieben Gott« zu tun haben sollen. Zwischen dem »lieben Gott«, der sich möglicherweise irgendwo aufhält, und der eigenen Realität liegen Welten. Predigten am Sonntagmorgen erreichen diese Leute so gut wie nicht.

In unseren Gemeinden haben wir nicht selten mit einem Glaubensverständnis zu tun, welches den Glauben an das Gute im Menschen mit Gott gleichsetzt. Was aber, wenn genau diese Art, an den guten Kern im Menschen zu glauben, durch unmenschliches, brutales Erleben erschüttert wird?

Wir beklagen einen seit Jahren anhaltenden Auswanderungsprozess aus der Kirche und müssen eine Abkehr vom gelernten Glauben zur Kenntnis nehmen. Menschen schaffen es nicht, in der persönlichen Gottesbeziehung erwachsen zu werden und im Gespräch mit Anderen Auskunft über ihren Glauben zu geben. Sie können sich einem geistlichen Wachstumsprozess nicht hingeben. Viele haben der Kirche den Rücken gekehrt, weil sie ihre kleinen und großen Enttäuschungen nicht wirklich in Bezug zu Gott bringen können. Für sie ist das Vertrauen in einen gnädigen und treuen Gott zur Bedeutungslosigkeit verkommen. Die meisten von ihnen schweigen: Für sie hat sich der Glaube erledigt. Manche jedoch geben ihrer Verletztheit Ausdruck, indem sie Gott zum Sündenbock für alles Schlimme in dieser Welt erklären. »Wer, außer dem ganz naiven Menschen, betet noch?« – selbst diese Frage stellen sie nicht mehr. Trotzdem beten sie insgeheim, wenn ihnen danach zumute ist. Und die ewigen Jammerer lassen sich hören. Sie erhoffen sich, durch das laute Bemitleiden des eigenen Schicksals Zustimmung und Anerkennung zu finden.

Unser pastoraler Dienst führt uns in die Begegnung mit dem Geschick einzelner Personen. Im Ringen um ein biblisches Verständnis werden wir auf die Frage nach der Zuwendung Gottes zurückgeführt. Wie verhält es sich mit den großartigen Segensverheißungen? Wie kann ein Mensch Trost finden, ja wie finden wir selbst wieder und wieder Zugang zu Trost und Kraft für eine Begleitung? Was ist es, das die einen an Gott zerbrechen lässt und den Glauben anderer trotz mancher Brüche bewahrt? Wie lässt sich – wenn die Sprache fehlt und Erklärungsmuster nicht greifen – dennoch das Leben vor Gott zur Sprache bringen?

Weiter fragen wir: Wie gelingt es, dass die Gemeinde als Teil des Volkes Gottes, also als Verheißungsträger, zu gegebener Zeit zu einer Gemeinschaft von klagenden Menschen wird? Genau dies haben wir in extremen Notzeiten auch erlebt: Verzweifelte und angesichts eines harten Schlages Verstummte fanden sich im gemeinsamen Klagegebet vor Gott wieder. So standen sie die schwere Zeit durch und stimmten irgendwann wieder in das Lob Gottes ein. Und wie können wir als Pastor, als Pastorin, den rettenden Ruf Gottes hören lassen, der nicht nur sozial, sondern anthropologischexistentiell in die Freiheit führt? »›Lehr mich täglich dich erkennen.‹ Offenbar muss der Mensch das lernen; und Gott muss uns geben, zu Gott zu gehen, und muss uns darin unterrichten, wie tief das Leben reicht, wenn wir es – sei es, was immer es sei – zu Gott tragen.«

Unser Reflektieren verbindet sich mit zwei Zitaten von Kornelis Heiko Miskotte: »Wer nicht beten kann, bleibt das Objekt der unbekannten Mächte, die ihn vorwärts treiben oder zurückhalten, gebrauchen oder vernichten; er ist der Spielball des Schicksals«. »Bleiben nicht viele hinter dem Stand der Gotteskindschaft zurück und sinken sie nicht unter ihren Status, indem sie es in den gewöhnlichen, nicht besonders bewegenden Zeiten, in den normalen alltäglichen Dingen daran haben fehlen lassen, das Erwerben der Erkenntnis Gottes, das Empfangen dieses höchsten Geschenkes zu üben? Ist es verwunderlich, dass wir dann, auch wenn uns Schläge treffen, die darin schlummernde Möglichkeit zu einer tieferen Erkenntnis nicht bemerken, an ihr zu unserem geistlichen Schaden vorbeigehen?«