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So soll er sterben - Inspector Rebus 15 - Kriminalroman

Ian Rankin

 

Verlag Manhattan, 2006

ISBN 9783894809560 , 447 Seiten

Format ePUB, OL

Kopierschutz Wasserzeichen

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9,99 EUR

  • Mitarbeiterbefragungen als Interventionsinstrument - Untersuchung ihrer Effektivität anhand des Kriteriums Arbeitszufriedenheit
    Fallrepetitorium Europarecht
    Sein letzter Fall - Roman
    Führungsinstrument Mitarbeiterbefragung
    Die 2. Chance - Women's Murder Club - - Thriller

     

     

     

     

 

 

Montag

»Was habe ich hier eigentlich verloren?«, sagte Detective Inspector John Rebus. Auch wenn ihm niemand zuhörte.
Knoxland war eine Hochhaussiedlung im Westen von Edinburgh, außerhalb von Rebus' offiziellem Zuständigkeitsgebiet. Er war nur hier, weil die Kollegen im West End unterbesetzt waren und sein Chef nicht wusste, was er mit ihm anfangen sollte. Es war ein verregneter Montagnachmittag, und nichts an diesem Tag ließ für den Rest der Arbeitswoche etwas Gutes ahnen.
Rebus' ehemaliges Revier, über acht Jahre lang sein hoch geschätztes Basislager, war Opfer einer Umstrukturierung geworden und verfügte seither nicht mehr über ein CID-Büro, was zur Folge hatte, dass Rebus und seine Kollegen heimatlos geworden waren und man sie auf andere Reviere verteilt hatte. Er war am Gayfield Square gelandet: ein ruhiger Job, wie manche meinten. Gayfield Square lag am Rand der vornehmen New Town, wo hinter den Fassaden aus dem achtzehnten und neunzehnten Jahrhundert alles Mögliche passieren konnte, ohne dass etwas nach draußen drang. Die gefühlte Entfernung zu Knoxland war enorm, größer als die tatsächlichen fünf Kilometer. Hier herrschte eine andere Kultur, es war ein anderes Land.
Man hatte Knoxland in den 1960ern erbaut, wie es schien aus Pappmache und Balsaholz. Die Wände waren so dünn, dass man seine Nachbarn beim Zehennägelschneiden hören konnte und ihr Abendessen roch. Auf den grauen Betonwänden prangten feuchte Flecken. Zahlreiche Graffiti hatten dem Viertel den Namen »Hard Knox« verliehen. Andere Wandverzierungen empfahlen »Pakis raus«, und ein Schriftzug, vermutlich kaum eine Stunde alt, verkündete: »Einer weniger.«
Die vereinzelten Geschäfte hatten Metallgitter an Fenstern und Türen, und niemand machte sich die Mühe, sie während der Öffnungszeiten zu entfernen. Das ganze Viertel wirkte isoliert, im Norden und Westen wurde es von Schnellstraßen begrenzt. Wohlmeinende Stadtentwickler hatten Unterführungen graben lassen, die in den ursprünglichen Plänen wahrscheinlich sauber und gut beleuchtet gewesen waren, damit die Leute dort gelegentlich stehen blieben, um mit ihren Nachbarn übers Wetter oder die neuen Vorhänge in Nummer 42 zu plaudern. Im wirklichen Leben jedoch galten sie selbst tagsüber für alle, die nicht völlig lebensmüde waren, als Sperrgebiet. Andauernd hatte es die Polizei mit Fällen von Handtaschendiebstahl oder Straßenraub zu tun.
Vermutlich waren es dieselben wohlmeinenden Stadtentwickler gewesen, die auf die Idee verfielen, die zahlreichen Wohnblocks der Siedlung nach schottischen Schriftstellern zu benennen und das Wort »House« anzuhängen, damit die Leute immer wieder daran erinnert wurden, dass diese Gebäude mit echten Häusern rein gar nichts gemein hatten.
Barrie House.
Stevenson House.
Scott House.
Burns House.
Unaufdringlich wie ein einzelner Salutschuss ragten sie in den Himmel.
Rebus sah sich suchend nach einer Möglichkeit um, seinen halb leeren Kaffeebecher zu entsorgen. Er hatte bei einem Bäcker auf der Gorgie Road Halt gemacht, weil er wusste, dass seine Chancen auf einen halbwegs genießbaren
Kaffee kontinuierlich abnahmen, je weiter er sich vom Stadtzentrum entfernte. Keine gute Wahl: Das Gebräu war erst brühend heiß gewesen und kurz darauf lauwarm, was das Fehlen jedweden Aromas nur noch unterstrich. Es gab keine Mülleimer in der Nähe, genau genommen keine Mülleimer weit und breit. Doch Bürgersteig und Grünstreifen boten bereitwillig an, die Aufgabe zu übernehmen. Also leistete Rebus seinen Beitrag zum Müllmosaik, richtete sich auf und vergrub die Hände tief in den Manteltaschen. Er konnte seinen eigenen Atem sehen.
»Ein gefundenes Fressen für die Presse«, brummelte jemand. In dem überdachten Verbindungsgang zwischen zwei hohen Wohnblocks liefen ein Dutzend Gestalten herum. Ein schwacher Geruch nach menschlichem oder nichtmenschlischem Urin hing in der Luft. Es gab jede Menge Hunde in dieser Gegend, und der eine oder andere trug sogar ein Halsband. Sie näherten sich schnüffelnd dem Verbindungsgang, bis sie von den Uniformierten verjagt wurden. Der Gang war an beiden Enden mit Absperrband gesichert. Ein paar Jugendliche auf Fahrrädern verrenkten sich den Hals, um einen Blick auf den Tatort zu werfen. Die Männer von der Spurensicherung in weißem Overall mit Kapuze und die Polizeifotografen machten sich gegenseitig den Platz streitig. Neben den Polizeiautos auf der matschigen Spielwiese parkte ein unauffälliger grauer Lieferwagen. Der Fahrer hatte sich bei Rebus beschwert, weil ein paar Halbwüchsige ihm Geld dafür hatten abknöpfen wollen, dass sie auf den Wagen aufpassten.
»Miese Ratten.«
In Kürze würde der Fahrer die Leiche zur Obduktion in die Gerichtsmedizin bringen. Aber es war bereits klar, dass es sich um einen gewaltsamen Tod handelte. Etliche Stichwunden, eine davon im Hals. Den Blutspuren nach zu urteilen, war das Opfer drei bis vier Meter vom einen Ende des
Verbindungsgangs entfernt angegriffen worden. Wahrscheinlich hatte er zu fliehen versucht, war aber, ehe es ihm gelang, ins Freie zu kommen, von seinem Angreifer endgültig niedergestreckt worden.
»In den Taschen ist bloß ein bisschen Kleingeld, sonst nichts«, sagte ein anderer Polizist. »Hoffentlich kennt ihn irgendwer...«
Rebus wusste nicht, wer er war, aber er wusste, was er war: nämlich ein Kriminalfall, ein Teil der Verbrechensstatistik. Außerdem war er Nachrichtenmaterial, und die Journalisten hatten garantiert schon Witterung aufgenommen, so wie das Hunderudel bei einer Treibjagd. Knoxland war keine beliebte Wohngegend. Hier zogen nur Leute her, denen nichts anderes übrig blieb. In der Vergangenheit hatten die Behörden die Siedlung benutzt, um Leute abzuschieben, für die sich sonst keine Wohnung fand: Junkies und Geistesgestörte. In letzter Zeit waren vermehrt Einwanderer und Asylbewerber in die besonders verwahrlosten Häuserblocks einquartiert worden. Leute, mit denen niemand zu tun haben, geschweige denn sich ernsthaft befassen wollte. Als Rebus sich umsah, wurde ihm klar, dass sich diese armen Menschen wie Mäuse in einem Labyrinth vorkommen mussten. Nur mit dem Unterschied, dass es in Versuchslabors nur wenige feindlich gesinnte Lebewesen gab, sie hier, im wirklichen Leben, hingegen allgegenwärtig waren.
Sie waren mit Messern bewaffnet, trieben ungehindert ihr Unwesen, beherrschten die Straßen.
Und nun hatten sie getötet.
Ein weiteres Auto hielt am Straßenrand, und ein Mann stieg aus. Rebus kannte ihn: Steve Holly, ein Schreiberling in Diensten eines Glasgower Boulevardblatts. Dick und umtriebig, gegeltes, stachelig vom Kopf abstehenden Haar. Ehe er den Wagen abschloss, griff er nach seinem Notebook und klemmte es sich unter den Arm. Er mochte alles Mögliche sein, dieser Steve Holly, naiv war er nicht. Er nickte Rebus zu.