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Prinzessin Rauschkind - Ein Marek-Miert-Krimi

Manfred Wieninger

 

Verlag Haymon, 2013

ISBN 9783709974681 , 204 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

Geräte

9,99 EUR


 

***

Die einzigen größeren Touristenströme, die Harland je gestreift hatten, waren mit ihren jeweiligen Entouragen ein Papst aus dem 18. Jahrhundert und Hitler gewesen, und auch diese Besuche hatten wohl eher den Charakter von bloßen Dienstreisen gehabt, dachte ich. Auch der erst vor wenigen Jahren hochgezogene Traisenpark, das zweitgrößte Einkaufszentrum des Bundeslandes, hatte bis jetzt noch keinen Deut dazu beitragen, aus Harland eine echte Attraktion zu machen.

Eine mehrere hundert Meter lange, zweistöckige Mall, an der Dutzende Filialen der sattsam bekannten, in ganz Mittel- und Osteuropa vertretenen Ketten lagen, überbaut mit viel Glas und Stahl, Büro- und Lagerräumen, ein Einkaufszentrum, das mit massiver Durchschnittlichkeit protzte und wie es überall zu finden war von Wuppertal bis Cluj-Napoca.

In der „Oase“, einem Restaurant schräg vis-à-vis vom Zoogeschäft die Traisenpark-Mall hinunter, das von einem Ägypter geführt wurde und sich nicht entscheiden konnte, ob es eine Pizzeria oder eine Bar war, hatte ich eine große Pizza Salami mit extradickem, amerikanischem Boden verschlungen und dann noch eine kleine Quattro Formaggi nachgeschoben, um gleich darauf zu einer doppelten Portion Tiramisu und Caffè Latte überzugehen. Ehrlich gesagt hatte ich die Käsepizza auch noch mit geriebenem Parmesan bestreut. Während Pepi II. in seiner Transportschachtel leise zu piepsen begonnen hatte, waren meine Lebensgeister langsam zurückgekehrt.

„Wie haben Sie meinen Pepi so schnell gefunden?“, fragte mich der riesenhafte Müllmann ein ganz klein wenig misstrauisch. Er lehnte an der Theke des Highlander-Würstelstandes, hatte trotz der frühen Tageszeit sechs oder sieben leere Bierflaschen vor sich aufgereiht stehen und die zehnte in der Hand. Sie sah darin unglaublich winzig aus und er schien gefährlich betrunken zu sein.

„Ich habe Ihnen doch gesagt, dass ich Vogelrettungsspezialist bin!“, fabulierte ich drauflos. „Ich habe Ihren Pepi noch vor Sonnenaufgang gelockt. Mit einem speziellen Lockfutter, auf das nur Wellensittiche ansprechen. Ich will nicht allzu sehr ins Detail gehen, aber das funktioniert auf olfaktorisch-mimetischer Basis.“

Besänftigt nahm der Riese die Schachtel aus meiner Hand entgegen und riskierte einen Blick durch eines der größeren Luftlöcher.

„Pepi! Mein Pepi!“, schluchzte er auf, was sich bei der Größe seines HNO-Bereiches wie eine Trompete von Jericho anhörte.

Ich war nur heilfroh, dass der Vogel offensichtlich den Transport und die ausgiebige Pizzapause überlebt hatte.

Der ältere Standler hinter der Budel sah mich aber eher ungut an.

„Heast, was mochst du mit dem Hermann? Der reart jo wie a Schlosshund! Des ist doch net die Ort vom Hermann!“

Der Riese Hermann riss sich vom Anblick des Kartons in seiner mächtigen Linken los und streckte mir begeistert seine Rechte entgegen.

„Ein Wahnsinn, Meister, Sie sind ein Wahnsinn! Danke!“

Ich beschloss seine Pratze zu ignorieren, da ich um die Unversehrtheit meiner Handwurzelknochen fürchtete.

„Können Sie mir nicht ein bisschen etwas von dem Lockfutterzeug verkaufen? Nur für den Fall, dass der Pepi noch einmal ausbüxt!“

„Tut mir leid, aber das ist nur für zertifizierte Anwender, da muss man zuerst einen Kurs bei der Erzeugerfirma belegen. Ich habe auch unterschreiben müssen, dass ich nichts unter der Hand weggebe. Wenn ich mich nicht daran halte, können die mich mit einem Lieferstopp belegen!“

„Des is sicher so ähnlich wie mit mein Bier, i derf auch ka andere Marken verkaufen, sonst nehman sie mir den Kühlschrank wieder weg, der was gratis wor von der Brauerei“, mischte sich der Standler wieder ein.

„Genau“, sagte ich rasch und machte, dass ich da wegkam.

Ich war nicht gerade stolz darauf, ein derart schlichtes Gemüt wie diesen riesenhaften Straßenkehrer angeschmiert zu haben, aber andererseits war ich auch nicht unbedingt erpicht darauf, statt einer Salami-Pizza gar nichts auf den Teller zu bekommen.

***

„Ich hätte gern die Frau Sladki gesprochen, Silvia Sladki.“

Die Fischhandlung in der Kremser Gasse war nur ein paar Schritte vom Würstelstand in der Domgasse entfernt. Langsam war es an der Zeit, dachte ich, sich um die Causa prima zu kümmern. Die Uhr in Gabloners Büro tickte.

„In welcher Angelegenheit?“

Die Filialleiterin der Fisch-Imbisskette trug eine grasgrüne Hose, ein knallgelbes T-Shirt mit einem orangen Schal und ein marineblaues Schiffchen auf ihrem tizianroten Haarschopf. Wahrscheinlich die übliche Firmenkleidung für das Verkaufspersonal dieser amerikanischen Kette, die sich ein meschuggener Mormone aus Utah oder ein geschäftstüchtiger Quartalssäufer aus Tennessee in den Fünfzigerjahren ausgedacht hatte, als bonbonfarben und Batman noch hochmodern waren. Von Berufs wegen, das spürte ich sofort, war die Filialleiterin eine harte Nuss. Immerhin herrschte sie über ein Imperium von zweihundertzwanzig Quadratmeter voller toter Fische und Fischgerichte in einer der besten Lagen der gut frequentierten Kremser Gasse. Nirosta und helles Holz waren die vorherrschenden Gestaltungselemente der Ladeneinrichtung, dazu jede Menge Fliesen mit kleinen, grinsenden Delphinen in einem ausgebleichten, bestenfalls hellblauen Meer. Es roch gar nicht so sehr nach Fisch, sondern nach einem dieser heftig beworbenen, amerikanischen Industrieparfüms. Ich tippte auf Orangenblüte, hergestellt auf Anilin- und Erdölbasis, garantiert krebserregend, aber wohlriechend. Allein die Monatsmiete für diesen Schuppen, schätzte ich, würde wohl das Ein- bis Zweifache meines Jahresverdienstes ausmachen.

„Privat“, antwortete ich gedehnt.

„Das wird aber jetzt auf keinen Fall gehen! Wir haben gerade eine neue Lieferung bekommen!“, ließ mich die Filialleiterin abblitzen.

„Schauen Sie, ich möchte in dieser Angelegenheit nicht unbedingt offiziell werden und jetzt meinen Dienstausweis zücken, Amt der Niederösterreichischen Landesregierung, Gruppe Gewerbeinspektorat, Abteilung Lebensmittelaufsicht“, erwiderte ich und holte meine Brieftasche aus der Hosentasche, um darin nach einem meiner mittelprächtig gefälschten Eigenbau-Ausweise zu kramen. Der von der Landesgewerbeaufsicht, so weit konnte ich mich erinnern, war lindgrün. Ich hatte ihn im Wesentlichen aus zwei uralten Heimatscheinen meiner Großväter zusammengebastelt und er hatte genug Stempel, um Laien damit zu beeindrucken.

„Schon gar nicht möchte ich jetzt mit einer Inspektion oder gar einer amtlichen Einschau drohen“, quasselte ich weiter und nestelte in meiner Brieftasche herum, „weil das turnusmäßig gar nicht vorgesehen ist bei Ihnen und weil das auch nicht mein Stil wäre. Und ein bisserl unkorrekt obendrein.“

Der verflixte Ausweis war einfach nirgendwo zu finden.

„Übrigens habe ich mich noch gar nicht offiziell vorgestellt. Ingenieur Miert ist mein Name, Fachbereich Lebensmittelaufsicht, wie gesagt.“

„Na, wenn das so ist“, wurde die Filialleiterin endlich weich. „Dann kommen Sie gleich mal mit in unser Frischelager, da sind Sie ungestört mit dem Fräulein Sladki.“

„Ich habe gleich gewusst, dass wir uns verstehen werden. Ist ja auch alles so blitzsauber in Ihrer Filiale. Wenn ich blankpolierten Nirosta sehe, beginnt mir das Herzerl vor Freude zu hüpfen, das können Sie mir glauben. Und erst diese properen, gepflegten, todschicken Uniformen! Respekt!“

„Wir bemühen uns redlich, den hohen Ansprüchen, die wir an uns selber stellen, gerecht zu werden. Das ist unsere Firmenphilosophie“, strahlte die Filialleiterin und hatte längst ihr bestes, ihr offizielles Sprachkleid angelegt.

„Dessen bin ich mir gewiss“, meinte ich und folgte ihr nach hinten ins Lager.

***

Außerhalb der Verkaufsräumlichkeiten war es mit dem blankpolierten Nirosta und der skandinavischen Ästhetik schnell vorbei. Ein halbdunkler, langer Flur mit abgetretenem Linoleumboden und mit Getränkekisten beidseitig fast bis an die Decke, von dem rechter Hand eine Reihe winziger Büros und Arbeitsräume, die Küche, eine Personalgarderobe und ein vollgestopftes Warenlager abgingen. In der Küche sah ich zwei winzige, ältere Frauen asiatischen Typs mit panierten Fischstücken vor einer mächtigen Fritteuse hantieren. Mir fiel auf, dass alle Türen ausgehängt waren, oder anders ausgedrückt, dass es gar keine gab. Die Filialleiterin stolzierte, sich ihrer Wichtigkeit bewusst, vor mir her und warf kurze, aber peinlich genaue Kontrollblicke in jeden der Räume.

„Ist es etwas Wichtiges, was Sie mit dem Fräulein Sladki so dringend besprechen müssen? Etwas, über das ich als Filialleiterin eigentlich auch Bescheid wissen sollte?“, fragte sie lauernd und blieb vor einer übermannsgroßen Stahltür am Ende des Ganges stehen. Neben dem Türstock hing ein dick wattierter Mantel auf einem Kleiderhaken.

„Na ja, eigentlich sollte ich ja keinesfalls darüber sprechen, aber Sie kennen doch sicher den Wettbewerb Niederösterreichische Handelsangestellte des Jahres, der vom Amt der Niederösterreichischen Landesregierung alle zwei Jahre ausgeschrieben wird.“

„Ja, natürlich!“, antwortete die Filialleiterin beflissen und nickte eifrig, obwohl ich diesen Bewerb gerade erfunden hatte.

„Nun ja, es ist eigentlich noch streng geheim, aber Frau Sladki ist wie eine ganze Reihe von Damen und Herren als Handelsangestellte des Jahres nominiert worden …“

„Dabei ist sie nur...