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Zeitenzauber - Das verborgene Tor - Band 3

Eva Völler

 

Verlag Baumhaus, 2014

ISBN 9783838752679 , 320 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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6,99 EUR

Für Firmen: Nutzung über Internet und Intranet (ab 2 Exemplaren) freigegeben

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London, 1813

Da drüben ist es«, sagte Sebastiano, nachdem wir vom Kutschbock des Fuhrwerks gestiegen und ein Stück die nächtliche Harley Street entlanggeschlendert waren.

»Du meinst das Haus mit den steinernen Löwen vor der Tür?«

»Das sind Sphinxe.«

»Aha.« Ich gab mich locker, obwohl mir das Herz bis zum Hals klopfte. »Ich habe mich schon gewundert, warum sie Flügel und Menschengesichter haben und so komisch grinsen.«

Sebastiano blieb vor der Pforte des ehrwürdig wirkenden Gebäudes stehen. »Lass uns noch mal rasch den Plan durchgehen«, sagte er, die Hand schon am Türklopfer. »Nur für alle Fälle.«

»Schon gut«, erwiderte ich. »Ich werde ihn nicht fragen, ob er mir ein Autogramm gibt. Okay, ich streite nicht ab, dass ich gern eins hätte, und ich bin sicher, er wäre für so was aufgeschlossen, aber ich sehe ein, dass es die Dinge komplizierter machen könnte. Also lasse ich es sein. Das müssen wir nicht noch mal durchgehen.« Vor lauter Aufregung redete ich ein bisschen zu viel. Das war eine Art Nebenwirkung der Zeitreise. Es fühlte sich einfach merkwürdig an, als Mensch aus dem Jahr 2013 auf einmal im Jahr 1813 herumzulaufen. Doch Sebastiano war die Geduld in Person – einer der vielen Gründe, warum ich ihn so liebte.

»Nein, ich meinte nicht, dass du ein Autogramm von ihm möchtest«, erklärte er. »Sondern die ganze zeitliche Abfolge.«

»Ach so. Also, du klopfst gleich mit diesem Löwenkopf. Als Nächstes warten wir, bis Mr Turner aufmacht. Dann lenke ich ihn ab, und du gehst rein und siehst nach, wo genau der Brand ausgebrochen ist. Anschließend folgt sofort Teil zwei des Plans.«

Teil zwei sah vor, dass wir das Fuhrwerk vorfahren ließen, das hinter der nächsten Straßenecke wartete – vollbeladen mit Wasserfässern und ein paar Eimern, die wir zum Löschen des Feuers benutzen konnten. Unser Einsatz hier wäre sehr viel einfacher gewesen, wenn es im Jahr 1813 schon eine vernünftige Feuerwehr gegeben hätte, doch alles, was man bisher auf diesem Sektor aufzubieten hatte, brauchte einfach viel zu lange für die Anfahrt. Bis sich genügend Löschkräfte versammelt hätten, wäre das ganze Haus bis auf die Grundmauern abgebrannt, mitsamt einer angebauten Galerie und jeder Menge wunderschöner Gemälde im Gegenwert von schätzungsweise einer Milliarde Pfund. Natürlich waren die Bilder hier und jetzt noch nicht so viel wert, aber in zweihundert Jahren würden sie es sein, vor allem, wenn man die vielen tausend zukünftigen Meisterwerke dazuzählte, die Mr Turner, der Maler, im Laufe seines restlichen Lebens noch anfertigen würde. Deshalb mussten wir dafür sorgen, dass nicht nur sein bisheriges Werk, sondern ganz besonders auch er selbst diesen Brand unbeschadet überstand.

Sebastiano betätigte den Türklopfer. »Am besten überlässt du das Reden mir«, schlug er vor.

»Wieso? Hast du Angst, ich würde ihn doch um ein Autogramm bitten? Traust du mir nicht zu, dass ich mich an unsere Absprache halte?«

»So wie letztes Jahr in Florenz, als du geschworen hast, dich von Michelangelo fernzuhalten und ihn dann trotzdem gefragt hast, ob du ihm für eine Skizze Modell sitzen darfst?«

»Oh, aber Michelangelo wollte mich zeichnen! Und außerdem gab es für dich nicht den geringsten Grund zur Eifersucht, denn der Typ war komplett schwul!«

»Ja, und genau deshalb wurde sein Lover sauer und hat die berühmteste Marmorstatue der Welt verstümmelt.«

»Es ist gar nicht gesagt, dass der das war – jeder hätte die Bank aus dem Fenster des Palastes werfen und den David damit treffen können«, verteidigte ich mich. »Außerdem ist er längst restauriert.« Ich wurde vom Klang einer nahen Glocke unterbrochen und hielt die Luft an, während die Schläge dicht aufeinander folgten, mit unerbittlicher Regelmäßigkeit. Zwölfmal.

»Das ist das Zeichen«, wisperte ich. »Es geht los.«

Kurz nach Mitternacht, so lautete die zeitliche Eingrenzung unseres Auftrages. Der Beginn des Brandes. Ich wandte den Kopf zur Tür und schnüffelte beunruhigt. »Riecht es hier nicht schon nach Rauch? Sind wir etwa zu spät?«

»Still!«, kam es leise von Sebastiano. »Da kommt jemand!« Er wich zurück und versteckte sich hinter einer der fetten, geflügelten Sphinxen.

Tatsächlich, es waren Schritte zu hören, und dann ging die Tür auf. Vor mir stand ein verschlafen wirkender Mann in einem langen Morgenmantel. Er war ungefähr Ende dreißig und hatte ein nettes, schmales Gesicht, das aber im Moment ziemlich mürrisch aussah.

»Wer stört meine Ruhe zu so später Stunde?« Er hielt eine Öllampe in der Hand, und in dem flackernden Licht erkannte ich die Farbkleckse an seinen Fingern.

»Oh«, hauchte ich ehrfürchtig. Das war er. William Turner persönlich. Der größte englische Impressionist aller Zeiten. Ich brauchte ein paar Augenblicke, bis ich mich an meine Aufgabe erinnerte. »Oh«, wiederholte ich, diesmal allerdings absichtlich. »Mir ist so … ich weiß nicht …« Ich legte den Handrücken an meine Stirn, vollführte eine anmutige Drehung und sank vor seine Füße.

»Um Himmels willen! Miss, was fehlt Ihnen?«

Mr Turner reagierte genau wie erwartet. Er kniete sich neben mich und tätschelte mir die Wangen. Ein bisschen zu fest vielleicht, aber es war ja gut gemeint. Stöhnend schlug ich die Augen auf. »Was ist geschehen? Bin ich ohnmächtig geworden?«

»In der Tat, das sind Sie«, stammelte Mr Turner, während er mir half, mich aufzurichten. »Wie kann ich … Was soll ich …«

»Ein Glas Wasser, bitte«, seufzte ich mit ersterbender Stimme, und wieder tat Mr Turner genau das, was er sollte: Er sprang hektisch auf und verschwand im Haus. Sebastiano kam hinter der Sphinx hervor und schlich ihm hinterher.

Kurz darauf kehrte Mr Turner zurück und reichte mir ein Glas. Von Sebastianos Eindringen hatte er offensichtlich nichts bemerkt. Teil eins des Plans hatte schon mal geklappt, zumindest der Anfang davon.

»Wie geht es Ihnen, Miss?« Verunsichert sah Mr Turner mich an. »Oder Mrs?«

»Miss, bitte.« Ich ließ mir von ihm aufhelfen, trank einen Schluck Wasser und tat dann so, als sei mir furchtbar schwindlig, worauf Mr Turner mich festhalten musste, weil ich sonst wieder zusammengebrochen wäre.

»Wo ist denn … Haben Sie niemanden …« Er sah sich panisch um. »Sind Sie etwa allein unterwegs?«

»Oh, nein.« Ich entsann mich, dass es in dieser Zeit für anständige Mädchen völlig undenkbar war, allein loszuziehen. »Ich war in Begleitung meines …« Gatte ging nicht, weil ich ja eine Miss war. »Meines Bruders. Und dann wurde unsere Kutsche angehalten, von einem … Räuber. Ich konnte fliehen, und da bin ich.«

»Du liebe Zeit! Du liebe Zeit!« Mr Turner wiederholte den Satz noch ein paarmal und rang dabei die Hände. »Die Polizei muss her! Ich werde die Haushälterin aus dem Bett klingeln und sie in die Bow Street schicken.«

»Ach, das wird nicht nötig sein.« Ich schnüffelte unauffällig, doch es roch immer noch nicht nach Rauch. Anscheinend war das Feuer noch nicht ausgebrochen. Hoffentlich entdeckte Sebastiano den Brandherd sofort. Es war lebenswichtig, dass es uns gelang, das Feuer rechtzeitig zu löschen. Vor allem für Mr Turner, denn sonst wäre er morgen tot. Eine Abweichung im Kausalverlauf der Zeit, die wir unbedingt verhindern mussten.

»Vielleicht bleiben Sie einfach kurz bei mir stehen, hier an der frischen Luft«, schlug ich Mr Turner vor. Solange er draußen stand, konnte er nicht Opfer eines Großbrandes werden.

»Aber der Räuber … Wir sollten die Obrigkeit …«

Prompt tat ich, als würde ich wieder in Ohnmacht fallen, worauf Mr Turner gezwungen war, bei mir zu bleiben und mich zu stützen.

Dann kam ein unerwartetes Geräusch aus dem Inneren des Hauses. Es klang nach einem unterdrückten Schrei. Mr Turner ließ mich los, anscheinend hatte seine Hilfsbereitschaft Grenzen. »Das war mein Vater!«

Er ergriff die Lampe und verschwand im Haus, und weil ich nicht untätig herumstehen wollte, lief ich hinterher und folgte ihm in die Eingangshalle, in der Dutzende von Gemälden an den Wänden hingen. Lauter echte Turner! Doch mir blieb keine Zeit, sie zu bewundern. Ein alter Mann kam vorbeigestolpert, von einem weiten Nachthemd umweht, die Füße in viel zu großen Pantoffeln steckend.

»Diebe! Einbrecher! Brandstifter!«, rief er mit aufgebrachter Fistelstimme. Er wurde von Sebastiano verfolgt, der beruhigend auf ihn einredete. »Aber Sir, so hören Sie mich doch an …«

Mr Turner, der dicht vor mir war, schrie beim Anblick des vermeintlichen Einbrechers nicht nur erschrocken auf, sondern ließ im selben Moment auch seine Lampe fallen, die klirrend auf dem Boden zerbrach und auslief. Die brennende Flüssigkeit leckte als Flammenzunge über den Boden und erreichte den langen Samtvorhang an einem der Fenster. Der Stoff fing sofort Feuer – und brannte binnen weniger Augenblicke lichterloh. Flackernd schlugen die Flammen hoch bis zu den hölzernen Deckenbalken. Qualm trieb in Schwaden durch die Halle und vernebelte die Sicht.

Jetzt roch es eindeutig nach Rauch!

Es dauerte einen Augenblick, bis ich kapiert hatte, was hier gerade geschah. Wir waren an dem Feuer schuld! Und dabei waren wir doch mit dem Auftrag gekommen, es zu verhindern! Fassungslos starrte ich den brennenden Vorhang an.

Sebastiano riss ihn aus der Halterung und trampelte in einer Art verrücktem Stepptanz darauf herum, doch die Flammen sprangen auf einen Teppich über und setzten ihn ebenfalls in Brand.

»Höchste...