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Blue Secrets - Das Flüstern der Wellen - Romantasy

Anna Banks

 

Verlag cbt Jugendbücher, 2014

ISBN 9783641128760 , 352 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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6,99 EUR


 

2

Galen mustert Grom verstohlen, als sie sich der Küste von Jersey nähern. Er sucht nach irgendeiner Gefühlsregung in Groms Gesicht, einem Schimmer von Glück vielleicht oder von Dankbarkeit oder Erregung. Irgendeinem beruhigenden Hinweis darauf, dass es die richtige Entscheidung war, seinen Bruder hierherzubringen. Irgendeinem ermutigenden Zeichen, dass er den Faden, an dem Groms Leben hängt, nicht vollkommen ausgefranst hat, als er seinem Bruder erzählt hat, wo er war. Und mit wem. Und warum.

Aber wie gewöhnlich benimmt sich Grom wie eine verbissene Auster, nach außen fest verschlossen und versiegelt, um das zu beschützen, was innen ist. Und wie gewöhnlich hat Galen keine Ahnung, wie er die Schale knacken kann. Selbst jetzt, als sie das seichte Wasser erreichen, driftet Grom so emotionslos wie ein Stück Treibholz auf seiner unausweichlichen Reise in Richtung Ufer.

Galen holt die Badehose hervor, die er unter einen vertrauten Stein gestopft hat – eines der vielen Verstecke, die er in der Nähe von Emmas Haus hat –, und reicht sie Grom. Während sein Bruder den mit Hawaii-Mustern bedruckten Stoff anstarrt, schnappen er und Toraf sich ihre eigenen Shorts und schlüpfen hinein. Bevor Galen sich in seine menschliche Gestalt verwandelt, dehnt er erst einmal ausgiebig seine Flosse und massiert sie der Länge nach mit den Fäusten. Seit sie das Hoheitsgebiet von Triton verlassen haben, hat seine Flosse unaufhörlich geschmerzt vor lauter Anspannung vor diesem Ereignis, der Wiedervereinigung von Grom und Nalia.

Und den Antworten, auf die sie alle warten.

Schließlich nimmt Grom Menschengestalt an und schlüpft in die Badehose, als wären die Beinlöcher mit Haizähnen gesäumt. Am liebsten würde Galen ihm sagen, dass es der leichte Teil ist, sich Shorts anzuziehen. Stattdessen sagt er: »Zum Haus ist es nur ein kurzes Stück den Strand hinauf.«

Grom nickt schmallippig und pflückt sich ein Stück Seegras von der Nase, als sein Kopf aus dem Wasser auftaucht. Toraf ist bereits am Ufer und schüttelt sich wie ein Eisbär das überschüssige Wasser ab. Galen wäre nicht überrascht, wenn Toraf losrennen würde, um als Erster das Haus zu erreichen. Sie haben Rayna dort zurückgelassen, darauf hatte Galen bestanden. Da sie beide zu diesem Zeitpunkt als Verstoßene beider Königreiche galten, war anzunehmen, dass Grom eher Toraf Glauben schenken würde als seinen eigenen Geschwistern. Glücklicherweise war Yudor ihnen zuvorgekommen und hatte den König von Triton schon längst davon in Kenntnis gesetzt, dass er selbst Nalias Puls gespürt hatte. Yudor ist der Ausbilder aller Fährtensucher und Torafs Mentor. Mit Yudor streitet niemand.

Trotzdem wäre es erheblich einfacher gewesen, wenn Nalia Galen und Toraf zum Hoheitsgebiet von Triton begleitet hätte. Grom davon zu überzeugen, dass sie noch lebte, war beinahe ebenso schwierig, wie ihn dazu zu überreden, mit an Land zu kommen. Aber genau wie Grom hatte sich Nalia verschlossen wie eine Auster gezeigt und war nicht bereit gewesen, auch nur die geringste Erklärung abzugeben, was vor all den Jahren geschehen war. Die einzigen Worte, die sie schließlich aus ihr herauspressten, waren: »Na, dann bringt Grom eben zu mir.«

Statt sie kurzerhand tretend und schreiend ins Wasser zu zerren – und Emmas Vertrauen in ihn zu zerstören –, traf Galen die spontane Entscheidung, Mutter und Tochter in Raynas Obhut zu lassen. In dieser Hinsicht ist auf Rayna Verlass – wenn sie sich um jemanden kümmert, dann richtig. Und zwar auf ihre ganz persönliche Art und Weise.

Aber jetzt dürfen sie keine Zeit mehr verlieren, denn wegen Yudors Vorsprung ist vielleicht schon ein Suchtrupp unterwegs, und selbst wenn nicht, würde es nicht mehr lange dauern, bis einer kommt. Und er kann – und will – nicht riskieren, dass Emma gefunden wird. Das schöne, eigensinnige Halbblut Emma.

Doch er geht davon aus, dass Nalia es riskieren würde, und das beunruhigt ihn ein wenig.

Während die drei auf dem Weg zu Emmas Veranda Spuren im Sand hinterlassen, bemerkt Galen daneben noch eine andere frische Fußspur, die vom Strand wegführt – wahrscheinlich stammt sie von Emma. Galen weiß, dass dieser Moment sich für immer in sein Gedächtnis einbrennen wird. Der Moment, in dem sein Bruder, der König von Triton, in menschliche Kleider schlüpft, um zu einem von Menschen errichteten Haus zu marschieren, und in das helle Tageslicht blinzelt, weil seine Augen nicht an die Sonne gewöhnt sind.

Was wird er zu Nalia sagen? Was wird er tun?

Die Stufen knarren unter ihren nackten Füßen. Toraf schiebt die Glastür auf und führt Galen und Grom hinein. Und in diesem Moment rutscht Galen das Herz in die Hose.

Wer auch immer Rayna an den Barhocker gefesselt hat – denselben Barhocker, auf dem Nalia bei ihrer letzten Begegnung gesessen hatte –, hat dafür gesorgt, dass es ein schmerzhafter Sturz werden würde, wenn sie sich zu heftig bewegt. Die Hände sind mit einem Stromkabel auf ihren Rücken gefesselt, die Knöchel jeweils mit einem Gürtel an den Hocker gebunden. Ein breites Stück silbernen Klebebands macht sie mundtot und sorgt dafür, dass ihre Augen vor Zorn beinahe bersten.

Toraf rennt zu seiner Gefährtin. »Meine arme Prinzessin, wer hat dir das angetan?«, fragt er und zieht sanft an einer Ecke des Klebebandes. Mit einer schnellen Bewegung wendet sie das Gesicht von ihm ab und gibt einen gedämpften Laut der Entrüstung von sich.

Entschlossen stürzt Galen auf sie zu und reißt das Klebeband mit einem Ruck von Raynas Mund. Sie heult laut auf und funkelt ihn mit einem tödlichen Blick an. »Das hast du absichtlich getan!«

Galen knüllt das Band zu einem klebrigen Ball zusammen und lässt ihn auf den Boden fallen. »Was ist passiert?«

Rayna strafft die Schultern. »Diesmal werde ich Nalia endgültig töten.«

»Okay. Aber was ist passiert

»Sie hat mich vergiftet. Oder irgendetwas in der Art.«

»Bei Tritons Dreizack, Rayna, erzähl mir einfach, was pass…«

»Nalia hat immer wieder gesagt, dass sie zur Toilette muss. Und ich habe ihr erlaubt, das Badezimmer hier unten zu benutzen. Ich dachte, es wäre okay, weil sie sich scheinbar beruhigt hatte, nachdem ihr weg wart. Also habe ich sie losgebunden. Wie auch immer, sie hat sich Zeit gelassen da drin.« Rayna zeigt auf das Badezimmer direkt unter der Treppe. »Irgendwann habe ich nach ihr gesehen. Ich habe geklopft und geklopft, aber sie hat nicht geantwortet. Dann habe ich die Tür geöffnet – ich hätte gleich wissen müssen, dass etwas nicht stimmt, wenn die Tür nicht abgeschlossen ist –, und das Badezimmer war dunkel. Da packt sie mich von hinten und drückt mir etwas aufs Gesicht. Das Letzte, woran ich mich erinnere, ist Emma, die in der Tür steht und Nalia anschreit. Und dann wache ich auf diesem Stuhl hier auf, gefesselt wie ein gewöhnlicher Mensch.«

Als Toraf sie endlich losgebunden hat, untersucht sie die roten Striemen, die sich um ihre Handgelenke gebildet haben. Sie reibt darüber und zuckt zusammen. »Ich werde ihr etwas Schlimmes antun. Bei solchen Sachen kann ich sehr kreativ sein, wie ihr wisst.« Plötzlich krümmt sich Rayna zusammen. »Uh-oh. Ich glaube … ich glaube, ich muss mich …«

Man muss ihr zugutehalten, dass sie wenigstens versucht, sich von Toraf abzuwenden, der jetzt auf den Fersen hockt, um ihre Füße loszubinden. Aber man könnte meinen, er wäre von Anfang an das Ziel gewesen, gerade so als fühle sich Raynas Erbrochenes irgendwie zu ihm hingezogen. »Oh!«, sagte sie, während ihr ein Rest vom Kinn tropft. »Das tut mir leid.« Dann stößt sie ein Knurren aus und bleckt die Zähne wie ein Piranha. »Ich hasse sie.«

Toraf wischt sich die nassen Brocken von der Schulter und hebt Rayna sanft hoch. »Komm, Prinzessin«, murmelt er. »Sehen wir zu, dass wir dich wieder sauber kriegen.« Während er sie in seinen Armen wiegt, wendet er sich mit fragendem Blick zu Galen um.

»Das ist nicht dein Ernst, oder?«, fragt Galen ungläubig. »Dafür haben wir jetzt keine Zeit. Hast du nicht gehört, was sie gerade gesagt hat? Emma und Nalia sind weg.«

Toraf runzelt finster die Stirn. »Ich weiß.« Dann sieht er Grom an. »Nur damit Ihr Bescheid wisst, Hoheit. Ich bin sauer auf Prinzessin Nalia, weil sie Rayna gefesselt hat.«

Galen fährt sich mit der Hand durchs Haar. Er weiß, wie das jetzt weitergeht. Toraf wird zu nichts zu gebrauchen sein, bis Rayna hinreichend beruhigt und wieder glücklich ist. Der Versuch, seinen besten Freund von etwas anderem zu überzeugen, wäre reine Zeitverschwendung. Zeit, die sie nicht haben. Unglaublich. »Im zweiten Stock ist eine Dusche«, sagt Galen und deutet mit dem Kopf zur Treppe. »In Emmas Zimmer.«

Galen und Grom sehen Toraf nach, während er mit ihrer Schwester die Treppe hinauf verschwindet. »Keine Sorge, Prinzessin«, hören sie ihn gurren. »Emma hat all diese köstlich duftenden Seifen, erinnerst du dich? Und diese schönen Kleider, die du so gerne trägst …«

Grom legt den Kopf schräg und...