dummies
 

Suchen und Finden

Titel

Autor/Verlag

Inhaltsverzeichnis

Nur ebooks mit Firmenlizenz anzeigen:

 

Stadt der Finsternis - Die magische Gabe

Ilona Andrews

 

Verlag LYX, 2014

ISBN 9783802595097 , 100 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

Geräte

3,99 EUR

Für Firmen: Nutzung über Internet und Intranet (ab 2 Exemplaren) freigegeben

Derzeit können über den Shop maximal 500 Exemplare bestellt werden. Benötigen Sie mehr Exemplare, nehmen Sie bitte Kontakt mit uns auf.


 

1


Ich war nur noch drei Meter von der Tür zum Büro von Cutting Edge Investigations entfernt, als ich drinnen das Telefon klingeln hörte. Bedauerlicherweise befand sich der Schlüssel zum Büro in der Tasche meines Sweatshirts, die in diesem Moment voll mit hellrosafarbenem Schleim war – und der tropfte von den Tentakeln, die auf meinen Schultern lagen. Die Tentakel wogen etwa siebzig Pfund, was meinen Schultern nicht besonders gefiel.

Hinter mir rückte Andrea, meine beste Freundin und Partnerin bei der Verbrechensaufklärung, die Fleischmassen zurecht, die noch von der Kreatur übrig waren. »Telefon!«

»Ich habe es gehört.« Ich kramte in meiner Tasche, die vom Schleim fast völlig verklebt war. Meine Finger glitten durch kalte Feuchtigkeit. Bäh.

»Kate, es könnte ein Klient sein.«

»Ich suche ja schon nach dem Schlüssel.«

Klienten bedeuteten Geld, und Geld war im Moment knapp. Cutting Edge hatte vor drei Monaten den Geschäftsbetrieb aufgenommen, und tröpfchenweise kamen bezahlte Aufträge herein, von denen die meisten allerdings miserabel waren. Trotz einer guten Empfehlung von der Red Guard, der führenden Leibwächterfirma von Atlanta, rannten uns die Leute nicht gerade die Tür ein, um uns zu engagieren.

Unsere Welt wurde von wiederkehrenden Magiewellen heimgesucht. Sie überfluteten uns in zufälliger Abfolge, legten jede Technik lahm und ließen in ihrem Fahrwasser Monster zurück. Eben noch hatten wir es mit gefährlichen Magiern zu tun, die Feuerbälle und Blitze spuckten, und im nächsten Moment verschwand die Magie, und die Polizei konnte die Magier mit ihren wieder funktionierenden Feuerwaffen erschießen.

Leider verschwanden zusammen mit den Magiewellen nicht auch deren Folgen, und zwangsläufig hatten sich in Atlanta viele Institutionen herausgebildet, die sich um magische Gefahrensituationen kümmerten. Alle waren schon viel länger im Geschäft als wir: die Polizei, die Söldnergilde, eine Menge privater Firmen und der große Gorilla, der Orden der Ritter der mildtätigen Hilfe. Der Orden und seine Ritter hatten es sich zur Aufgabe gemacht, die Menschheit vor allen möglichen Gefahren zu beschützen, und genau das taten sie auch – aber zu ihren Bedingungen. Sowohl Andrea als auch ich hatten für den Orden gearbeitet und ihn schließlich unter keineswegs einvernehmlichen Umständen verlassen.

Unser Ruf war nicht gerade herausragend, und wenn wir einen Auftrag bekamen, lag das meistens daran, dass jeder andere in der Stadt ihn bereits abgelehnt hatte. Wir waren sehr schnell zu Atlantas letzter Instanz geworden. Trotzdem war jeder erfolgreiche Job eine zusätzliche Empfehlung für uns.

Das Telefon klingelte hartnäckig weiter.

Unser letzter Auftrag war freundlicherweise von der Green Acres Home Owners Association gekommen. Vertreter der Hausbesitzervereinigung hatten heute früh an unsere Tür geklopft und behauptet, eine riesige schwebende Qualle würde sich in ihrer Vorstadt herumtreiben. Wir sollten vorbeikommen und sie dingfest machen, weil sie die Katzen des Wohngebiets fraß. Anscheinend flog die durchsichtige Qualle mit halbverdauten Katzenkadavern im Körper durch die Gegend, und die Kinder waren deswegen völlig verstört. Die Polizei hatte den Leuten mitgeteilt, dass die Sache keine hohe Priorität habe, weil die Qualle offenbar noch keine Menschen gefressen hatte, und die Söldnergilde würde sich nur darum kümmern, wenn man ihr mindestens einen vierstelligen Betrag bezahlte. Die Hausbesitzervereinigung bot uns 200 Dollar an. Niemand, der noch halbwegs bei Verstand war, würde für diesen Preis einen solchen Auftrag übernehmen.

Wir hatten dazu den ganzen verdammten Tag gebraucht. Und nun mussten wir das verfluchte Ding anständig entsorgen, weil der Umgang mit toten magischen Kreaturen etwas von russischem Roulette hatte. Manchmal ging alles gut … und manchmal zerschmolz der Kadaver zu einer Pfütze aus intelligentem, gefräßigem Protoplasma oder brütete einen einen halben Meter langen, blutsaugenden Egel aus.

Das Gewicht der Qualle verschwand plötzlich von meinen Schultern. Ich kramte weiter in meiner Tasche, bis meine Fingerspitzen kaltes Metall berührten. Ich riss den Schlüssel heraus, steckte ihn ins Schloss und drückte die schwere gepanzerte Tür auf. Ah! Triumph!

Ich stürmte durch den Eingang auf das Telefon zu. Ich erreichte es eine Sekunde zu spät. Der Anrufbeantworter war bereits angesprungen. »Kate!«, sagte Jims Stimme. »Geh ans Telefon.«

Ich zuckte vor dem Apparat zurück, als würde er in Flammen stehen. Ich wusste genau, worum es bei diesem Anruf ging, und ich wollte nichts damit zu tun haben.

»Kate, ich weiß, dass du da bist.«

»Nein, bin ich nicht«, sagte ich.

»Früher oder später musst du dich damit auseinandersetzen.«

Ich schüttelte den Kopf. »Nein, muss ich nicht.«

»Ruf mich zurück.« Jim legte auf.

Ich drehte mich zur Tür um und sah Andrea hereinkommen. Hinter ihr zwängte sich die Qualle aus eigenem Antrieb durch den Eingang. Ich blinzelte. Die Qualle bewegte sich immer noch. Als sie durch die Tür war, drehte sie sich um, und ich sah, wie Curran sie in den Händen trug, als wäre die dreihundert Pfund wiegende Fleischmasse nicht schwerer als ein Teller Pfannkuchen. Manchmal war es gut, der Herr der Bestien zu sein.

Wann war er eingetroffen, und was wollte er hier überhaupt?

»Wohin?«, fragte er.

»Hinterzimmer«, sagte Andrea. »Komm, ich zeig es dir.«

Ich folgte ihnen und beobachtete, wie Curran die Qualle in den Container für biologisches Gefahrengut verfrachtete. Er schloss den Deckel, ließ die Klammern einrasten und kehrte zu uns zurück. Ich streckte meine verschleimten Arme aus, damit er sich nicht mit dem Zeug besudelte, beugte mich vor und küsste den Herrn der Bestien. Er schmeckte nach Zahnpasta und Curran, und als ich seine Lippen auf meinen spürte, vergaß ich den beschissenen Tag, die Rechnungen, die Klienten und die zehn Liter Schleim, die meine Kleidung tränkten. Der Kuss hatte nur wenige Sekunden gedauert, aber es fühlte sich an wie eine Stunde, denn als wir uns voneinander lösten, war es, als wäre ich heimgekehrt und hätte all meine Sorgen hinter mir gelassen.

»Hallo«, sagte er und lächelte mich mit seinen grauen Augen an.

»Hallo.«

Hinter ihm verdrehte Andrea die Augen.

»Was ist los?«, fragte ich ihn.

Curran besuchte mich fast nie in meinem Büro und erst recht nicht abends. Er hasste Atlanta und das Menschengewimmel in der Stadt mit der feurigen Leidenschaft einer Supernova. Theoretisch hatte ich nichts gegen Atlanta – wenn man davon absah, dass die Metropole von den Magiewellen zur Hälfte verwüstet worden war und mit besorgniserregender Häufigkeit Brände ausbrachen –, aber ich hatte durchaus etwas für Menschenmassen übrig. Doch sobald mein Arbeitstag vorüber war, ließ ich die Stadt hinter mir. Ich machte mich sofort auf den Weg zur Festung, in der das Gestaltwandlerrudel von Atlanta und Seine Pelzige Majestät residierten.

»Ich dachte, wir könnten vielleicht etwas zu Abend essen«, sagte er. »Es ist schon eine ganze Weile her, seit wir zusammen aus waren.«

Streng genommen waren wir noch nie zusammen zum Abendessen ausgegangen, nur wir beide. Wir hatten zwar schon etwas in der Stadt gegessen, aber es war eher zufällig geschehen, und in den meisten Fällen waren andere Leute dabei gewesen, und die Sache endete jedes Mal mit gewalttätigen Zwischenfällen.

»Gibt es einen besonderen Anlass?«

Currans blonde Augenbrauen zogen sich zusammen. »Muss es denn einen besonderen Anlass geben, wenn ich dich zum Abendessen ausführen möchte?«

Ja. »Nein.«

Er beugte sich zu mir vor. »Ich habe dich vermisst und hatte es satt, darauf zu warten, dass du nach Hause kommst. Komm und iss einen Happen mit mir.«

Einen Happen essen klang himmlisch, nur dass Andrea dann ganz allein im Büro wäre. »Ich muss warten, bis Biohazard die Qualle abgeholt hat.«

»Das kann ich doch machen«, bot sich Andrea an. »Geh nur, es gibt keinen Grund, dass wir beide hier herumsitzen. Ich muss sowieso noch ein paar Sachen abarbeiten.«

Ich zögerte.

»Ich kann genauso gut wie du Formulare unterschreiben«, teilte Andrea mir mit. »Und meine Unterschrift sieht nicht so aus, als hätte ein betrunkenes Huhn im Dreck gescharrt.«

»Mit deiner Unterschrift ist alles bestens, vielen Dank.«

»Ja, ja. Geh und gönn dir ein bisschen Spaß.«

»Zuerst muss ich duschen«, sagte ich zu Curran. »Wir sehen uns in zehn Minuten.«

*

Es war Freitag acht Uhr an einem warmen Frühlingsabend, mein Haar war gebürstet, meine Kleidung war sauber und frei von Schleim, und ich ging mit dem Herrn der Bestien aus. Curran fuhr. Er fuhr sehr vorsichtig und konzentrierte sich auf die Straße. Ich hatte das Gefühl, dass er erst als Erwachsener fahren gelernt hatte. Auch ich fuhr vorsichtig, aber hauptsächlich, weil man jederzeit damit rechnen musste, dass der Motor den Geist aufgab.

Ich warf einen Seitenblick auf Curran. Selbst wenn er ruhig war wie jetzt, strahlte er so etwas wie angespannte Energie aus. Sein Körper war zum Töten gemacht, eine Mischung aus harten, kräftigen Muskeln und geschmeidiger Schnelligkeit, und etwas in seiner Haltung vermittelte die Botschaft, dass er ein schockierendes Gewaltpotenzial und die Bereitschaft hatte, es auch zu benutzen. Er schien viel mehr Platz zu beanspruchen als sein Körper, und es war unmöglich, ihn zu ignorieren. Das...