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Der Verehrer - Kriminalroman

Charlotte Link

 

Verlag Blanvalet, 2014

ISBN 9783641138103 , 512 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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10,99 EUR


 

»Wirst du etwa immer noch von deinem eigenartigen Verehrer belagert?« fragte Wolfgang.

Leona überlegte, weshalb er in bezug auf Robert beharrlich den Begriff Verehrer verwandte. Aus seinem Mund klang das wie »Schmeißfliege«. Er versuchte offenbar zu verdrängen, daß es sich um eine ernste Beziehung handelte, die von zwei Seiten ausging.

»Robert und ich leben zusammen«, sagte sie, »und daran wird sich nichts mehr ändern.«

Wolfgang seufzte tief. »Er gefällt mir nicht, Leona.«

Leona lachte. »Vielleicht würde mir deine neue Partnerin auch nicht gefallen. Aber ich muß dich deine Entscheidungen selber treffen lassen.«

»Und ich dich deine, ich weiß. Ich meine nur … ach, das ist alles so schwierig am Telefon! Könnten wir uns nicht einmal treffen in den nächsten Tagen? Nur wir beide?«

»Ich habe wirklich furchtbar viel zu tun, Wolfgang. Gerade in dieser Woche, weil ich die nächste im Urlaub bin. Ich muß meinen Schreibtisch leer bekommen bis dahin – wenigstens weitestgehend.«

»Seit wann nimmst du im März Urlaub? Das hast du noch nie getan!«

»Robert will mir Ascona zeigen. Wir fahren am Samstag.«

»Leona, bitte, laß uns vorher noch reden«, drängte Wolfgang. »Es ist mir wirklich wichtig, mit dir zu sprechen!«

Sie kostete ihren Triumph diesmal bewußt aus.

»Wolfgang, leider ist es mir nicht mehr wichtig, mit dir zu sprechen«, sagte sie und legte den Hörer auf.

13


Lisa stand eine ganze Weile vor dem grauen Mehrfamilienhaus in der Münchener Innenstadt und trat von einem Fuß auf den anderen, ehe sie wagte, die Klingel neben dem kleinen Türschild mit der Aufschrift »Frederica Hofer« zu betätigen. Vielleicht war Frederica an diesem Samstagnachmittag gar nicht zu Hause. Oder sie wollte später ausgehen, badete oder duschte gerade und würde alles andere als erfreut sein, wenn plötzlich unangemeldeter Besuch aufkreuzte. Aber selbst wenn sie nichts vorhatte, würde sie vermutlich unwillig reagieren. Durch ihr rasches Auflegen am Telefon hatte sie deutlich gezeigt, daß sie in nichts hineingezogen zu werden wünschte.

Aber mehr als hinauswerfen kann sie mich nicht, dachte Lisa.

Über die Auskunft hatte sie Fredericas Telefonnummer und Adresse herausgefunden, und eine Weile hatte sie überlegt, Frederica noch einmal telefonisch um einen Termin zu bitten. Aber dann war sie zu dem Schluß gelangt, daß die Fremde sie weniger leicht abwimmeln konnte, wenn sie schon in der Tür stand.

Es war nicht leicht gewesen, von daheim wegzukommen. Sie hatte eine Nachbarin fast auf Knien anflehen müssen, für ein paar Stunden am Bett des Vaters Wache zu halten. Wer mochte schon gern neben einem Mann sitzen, der im letzten Stadium seiner Krebskrankheit angelangt war?

»Also gut«, hatte die Nachbarin schließlich mürrisch versprochen, »ab drei Uhr am Samstag kann ich’s für ein paar Stunden machen. Aber keinesfalls länger als bis um acht! Da will ich fernsehen!«

Dennoch war sie dann zurückgezuckt, als sie den zum Skelett abgemagerten Mann an der Schwelle des Todes im Bett liegen sah und den Gestank roch, der von dem zerfressenen Körper ausging.

»Jesus Maria! Der gehört längst in ein Krankenhaus!«

»Da will er aber nicht hin«, erklärte Lisa, »und ich respektiere das. Der Arzt war heute mittag da, er hat eine Morphiumspritze bekommen. Er müßte ruhig bleiben.«

»Hoffentlich«, murmelte die Nachbarin und krallte sich an dem Zettel mit der Telefonnummer des Arztes, den Lisa ihr gegeben hatte, förmlich fest. Lisa machte, daß sie fortkam. Die Alte konnte jeden Augenblick umkippen.

Als sie nun klingelte, betete sie, Frederica möge daheim sein. Eine zweite Gelegenheit für einen Besuch würde sie so rasch nicht bekommen.

Es knackte in der Sprechanlage. »Ja?«

»Frau Hofer?«

»Ja?«

»Hier ist Lisa Heldauer. Darf ich raufkommen?«

Zögern. Seufzen. Aber schließlich sagte Frederica: »In Ordnung!« Und betätigte den elektrischen Türöffner.

 

»Sie war so furchtbar nervös«, erzählte Frederica, »das ist mir als erstes an ihr aufgefallen. Sie schaute sich manchmal mit einem Blick um wie ein ängstliches Kaninchen. Und das schien gar nicht recht zu ihr zu passen. Sie war eine schöne, große Frau. Viele Männer verrenkten sich die Köpfe nach ihr. Aber sie ging auf keinen einzigen Annäherungsversuch ein.«

Das klang nicht im mindesten nach Anna, fand Lisa. Anna war nie schüchtern und furchtsam gewesen. Und nie hatte sie auf Annäherungsversuche nicht reagiert. Im Gegenteil. Den Flirt mit Männern hatte sie gebraucht wie die Luft zum Atmen.

»Sie war allein in dem Hotel, und ich war ebenfalls allein«, sagte Frederica. »Und einmal, als beim Frühstück kein Tisch mehr frei war, habe ich sie gefragt, ob ich mich zu ihr setzen dürfte. Von da an haben wir ab und zu etwas zusammen unternommen.«

»Und wo in Spanien war das Hotel?«

»In Torremolinos. An der Costa del Sol.«

»Oh …«, sagte Lisa ehrfürchtig. Da hatte sie immer schon hingewollt.

Frederica lächelte mitleidig. »Torremolinos ist grauenhaft. Eigentlich wollte ich sowieso nach Marbella, aber da war alles zu teuer. In Torremolinos haben sie einen Hotel-Silo neben den anderen gebaut, gleich am Meer, aber wenn man Pech hat, erwischt man natürlich ein Fenster zur anderen Seite, und wenn man noch mehr Pech hat – und das hatte ich –, schaut man in einen schachtähnlichen Innenhof, an dessen oberem Ende ein winziges Stück blauer Himmel sichtbar wird. Tagsüber drängelt man sich an einem schmutzigen, überfüllten Strand, an dem sich ein Liegestuhl an den anderen quetscht. Sie können mir glauben, diese Reise war ziemlich ernüchternd.«

Sie saßen einander in Fredericas Wohnzimmer gegenüber, Frederica auf dem Sofa, Lisa in einem Sessel. Frederica hatte sich als eine ausgesprochen attraktive junge Frau entpuppt, kaum dreißig Jahre alt, sehr schlank, ein südländischer Typ mit schwarzen Haaren und olivfarbenem Teint. Sie trug einen Leder-Minirock und hochhackige Schuhe mit silberfarbenem Metallabsatz. Lisa fand das toll. Sie hätte auch gern so schicke Klamotten gehabt, aber es fehlte ihr ja immer am Geld. Sie kam sich in ihrem schwarzen Stretchmini und der weißen Rüschenbluse auf einmal hoffnungslos provinziell vor.

»Was hat Anna denn alles so erzählt?« fragte sie. »Ich meine, sie muß doch irgend etwas gesagt haben. Was sie so macht, wo sie herkommt, wie sie lebt …«

»Sie redete nicht gern von sich. Meistens erzählte ich von mir. Es ging im allgemeinen um … na ja, worum geht’s bei Frauen im allgemeinen? Um Männer! Erst nach einer Weile habe ich gemerkt, daß sie langsam alles von mir weiß, aber ich nichts von ihr.«

Anna, die immer geredet hatte wie ein Wasserfall! Die übersprudelte vor lauter Mitteilungsbedürfnis!

Lisa öffnete ihre Handtasche und zog ein Foto von Anna heraus. »Wir reden doch von derselben Frau, oder? Hier, das ist meine Schwester. Mit achtzehn. Ein neueres Bild habe ich ja leider nicht von ihr.«

Frederica betrachtete das Foto. »Ja. Das ist sie auf jeden Fall. Aber als ich sie kennenlernte, war sie viel dünner.«

»Sie ist auf dem Bild doch auch schon ganz schlank!«

»Ja. Aber in Spanien war sie völlig abgemagert. Sie hat die ganze Zeit über auch nie richtig gegessen. Sie sagte immer, sie habe einen nervösen Magen und könne einfach kaum etwas vertragen.«

»Und auf die Frage, woher sie kommt, hat sie …«

»Da hat sie dieses Kaff genannt, in dem Sie ja auch leben. Bei Augsburg, hat sie gesagt.«

»Und beruflich?«

»Da war sie ziemlich ausweichend. Sie habe nichts gelernt, sagte sie, jobbe mal hier, mal da, aber sie kümmere sich seit dem Tod ihrer Mutter hauptsächlich um ihren Vater, die jüngere Schwester und den Haushalt.«

Lisa gab einen Laut der Empörung von sich. Das war wirklich dreist! Nicht einen Tag lang hatte sich Anna um irgend etwas gekümmert!

»Ich habe ihr vorgeschlagen, es doch mal in meinem Job zu versuchen«, sagte Frederica. »Soviel Geld verdient man sonst nirgends so schnell und angenehm.«

»Was machen Sie denn?«

»Ich arbeite in einem Escort-Service. Wissen Sie, was das ist?«

Lisa hatte nur eine vage Vorstellung. »Nicht genau …«

»Wir werden von Männern dafür bezahlt, daß wir sie dorthin begleiten, wohin sie nicht gern allein gehen.«

Ins Bett, dachte Lisa.

»Einsame Männer, Geschäftsreisende, die essen gehen wollen, ins Theater, in eine Bar … wohin auch immer. Das läuft über eine Agentur. Die bekommt eine Provision, wir den Rest. Aber man kriegt nebenher noch viele großzügige Geschenke, und dann natürlich immer die Abendessen, den Champagner …«

Es klang nach Paradies, fand Lisa. Genaugenommen könnte es das sein, wonach sie immer gesucht hatte.

»Nun, jedenfalls habe ich Anna vorgeschlagen, sich bei meiner Agentur zu bewerben«, fuhr Frederica fort. »Das Aussehen dazu hatte sie jedenfalls. Sie meinte, sie werde es sich überlegen. Aber ich hatte den Eindruck, daß sie mir gar nicht richtig zuhörte. Einerseits schien sie ständig ihre Umgebung zu mustern, argwöhnisch und mißtrauisch, und gleichzeitig war sie immer wie in sich selbst versunken. Ich wurde nicht recht schlau aus ihr.«

»Haben Sie sie nach einem Mann in ihrem Leben gefragt?«

»Natürlich. Aber da sei keiner, hat sie gesagt. Ich mochte es ja kaum glauben. So eine hübsche Frau … Sie erzählte, sie habe längere Zeit mit einem Mann zusammengelebt, aber die Beziehung sei dann irgendwie zerbrochen.«

»Hat sie gesagt,...