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Star Trek - The Next Generation: Relikte - Roman

Michael Jan Friedman

 

Verlag Heyne, 2014

ISBN 9783641116903

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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4,99 EUR


 

Prolog


 

Montie Scott befand sich im freien Flug. Die kalte, steife Brise spannte die Gesichtshaut über seinen jungen Wangenknochen und ließ ihn wie eine Hyäne grinsen. Sein Drachengleiter bockte einmal und dann ein zweites Mal in einer besonders starken Böe und erinnerte ihn daran, wie müde seine Arme waren.

Aber er dachte noch längst nicht an die Landung. So überanstrengt Scotts Arme auch sein mochten, es war noch jede Menge Leben in ihnen. Und freiwillig würde er keine einzige glückselige Sekunde lang auf das atemberaubende Panorama Hunderte von Metern unter ihm verzichten.

Große Zinnen aus grauem Fels. Lange grüne, geschwungene Hänge. Tiefe dunkle Gräben in der Erde, die einen Geruch des Geheimnisvollen ausströmten, den er auch hier oben, hoch in den Wolken, noch gut wahrnehmen konnte.

Fern im Norden hatten sich stahlgraue, bedrohliche Sturmwolken aufgebaut. Die Erfahrung hatte ihn gelehrt, dass Wolken aus dieser Himmelsrichtung eine Weile brauchten, um ihn zu erreichen.

Freiheit. Das war besser als alles andere, besser als hundert Jahre alter Scotch, sogar besser als die klagenden Gesänge des Dudelsacks in den düsteren Highlands. Wenn man es genau überdachte, bewirkte erst die Freiheit, dass man sich lebendig fühlte …

»Captain Scott?«

Plötzlich schien die zerklüftete grüne Landschaft unter ihm zu schmelzen. Scott blinzelte einmal, zweimal, und sah das lange, schmale Gesicht Matt Franklins, das undeutlich vor ihm sichtbar wurde, das strohgelbe Haar der aktuellen Mode zufolge eng am Kopf klebend.

»Was?«, sagte Scott. Er brauchte noch einen Augenblick, um sich zu orientieren – um zu begreifen, dass er in einer Schiffsbibliothek saß, hinter einem eingeschalteten Monitor. Und eingenickt war.

Leider widerfuhr ihm das in letzter Zeit immer öfter. Und er ärgerte sich fürchterlich darüber.

Fähnrich Franklin lächelte. »Tut mir leid, Sir. Ich wollte Sie nicht bei Ihrem Nickerchen stören.«

»Ich habe kein Nickerchen gehalten«, protestierte Scott. Und dann: »Was führt Sie überhaupt her? Stimmt etwas nicht?«

Fähnrich Franklin schüttelte beruhigend den Kopf. »Nichts Ernstes, Sir. Wir haben nur ein kleines Problem mit dem Warpantrieb und müssen in ein paar Minuten auf Impulskraft gehen. Der Captain war der Ansicht, Sie sollten es wissen – damit Sie nicht beunruhigt sind, wenn Sie das Bremsmanöver spüren.«

Scott sah Franklin misstrauisch an. »Ein kleines Problem? Sind Sie da auch sicher?«

Der Fähnrich lächelte, und sein Lächeln wurde noch breiter. »Nichts, worüber man sich Sorgen machen müsste, Sir. Nur eine leichte Überladung in einer der Plasmatransferleitungen.«

Der Ältere erhob sich. »Na ja, ich könnte es mir ja mal ansehen …«

Franklin legte sanft eine Hand auf Scotts Schulter. »Nicht nötig, Sir. Wirklich nicht. Ich weiß, Sie waren auch Ingenieur, aber Lieutenant Sachs hat alles unter Kontrolle.«

Als Scott den festen Blick des Fähnrichs bemerkte, ließ sein Enthusiasmus nach. »Na schön«, sagte er und seufzte. »Solange ich den Eindruck habe, dass er damit fertig wird …«

Mit dem offensichtlichen Versuch, das Thema zu wechseln, zeigte Franklin auf den Monitor. »Irgend etwas Interessantes, Sir?«

Scott zuckte mit den Achseln. »Nur ein altes Lehrbuch – sogar ein sehr altes. Ich bin darauf gestoßen, als ich an der Akademie war.«

Der Fähnrich beugte sich näher zum Bildschirm, um den Titel lesen zu können. »Die Gesetze der Physik«, sagte er laut.

Der Ältere nickte. »Aye. Die Gesetze der Physik. Ist erschienen, kurz nachdem Einstein die Relativitätstheorie veröffentlicht hat. Ein bemerkenswertes Buch – wenn auch nur als historischer Meilenstein. Keine Erwähnung von Gravitonen, Subraum oder Antimaterie.« Er schüttelte den Kopf. »Wir haben es seit dem zwanzigsten Jahrhundert weit gebracht, Junge.«

Franklin kicherte. »Daran habe ich nicht den geringsten Zweifel. Na ja, jetzt können Sie sich dem Text ja wieder widmen.«

Scott brummte etwas vor sich hin. Eigentlich war er gar nicht so versessen darauf, sich wieder mit dem Bildschirm zu beschäftigen. Verdammt, er hatte das blöde Ding schon ein Dutzend Mal gelesen. Er kannte es praktisch auswendig.

Sein Tagtraum hingegen war überaus aufregend gewesen. Er hatte vergessen, wie erhebend es sein konnte, über die zerklüfteten Hügel seiner Heimat zu schweben.

»Fähnrich«, sagte er abrupt, und Franklin erstarrte unmittelbar vor der Tür. Der jüngere Mann drehte sich um.

»Aye, Sir?«

»Sind Sie schon mal mit einem Gleitdrachen geflogen?«

Der Jüngere schüttelte den Kopf – ein wenig traurig, wie es Scott vorkam. »Nein, Sir, bin ich noch nicht.« Und dann: »Und Sie?«

Scott setzte sich wieder. »Da Sie schon mal fragen, ja. Nicht in letzter Zeit, verstehen Sie mich nicht falsch. Das ist schon vierzig Jahre oder sogar noch länger her. Noch bevor ich an der Akademie aufgenommen wurde.«

Er deutete auf einen kaum einen Meter entfernten Stuhl. Franklin zögerte einen Augenblick lang, und Scott runzelte im Geiste die Stirn.

Du bist ein alter Trottel, Montgomery Scott. Dieser Junge hat auf diesem Schiff Aufgaben wahrzunehmen – wichtige Aufgaben. Und er hat keine Zeit, einem alten Mann zuzuhören, der ihm abenteuerliche Geschichten erzählt.

Aber der Fähnrich überraschte ihn. Er kam zu ihm zurück, nahm auf dem angebotenen Stuhl Platz, drehte ihn um und setzte sich rittlings darauf.

Wenn der Junge nicht ehrlich interessiert war, dachte Scott, ließ er es sich auf keinen Fall anmerken. So oder so – Scott war ihm dankbar.

»Wissen Sie«, begann er, »ich wurde in Schottland geboren und bin dort auch aufgewachsen … als ob Sie das nicht schon mitgekriegt hätten. Und mein Onkel mütterlicherseits war ein alter Drachenflieger …«

Zwanzig Minuten später unterhielt Scott den jüngeren Mann noch immer mit Geschichten seiner Heldentaten in der Luft. Aber das bemerkte er erst, als er zufällig einen Blick auf die Digitaluhr am unteren linken Rand des Monitors warf.

»Verdammt«, fluchte er leise. »Ich habe Sie viel länger aufgehalten, als ich wollte.«

Franklin grinste. »Das macht doch nichts. Ich habe dienstfrei.«

Aha. Das erklärte, warum er nicht schon längst das Weite gesucht hatte.

»Und außerdem«, sagte der Fähnrich, »habe ich mich wirklich gut unterhalten.« Er beugte sich über die Rückenlehne des Stuhls vor. »Aber eigentlich hätte ich gern etwas über die Enterprise gehört. Sie wissen schon … wie es war, auf dem berühmtesten Schiff der Flotte zu dienen.«

Scott erwiderte das Grinsen. »Wie es war?« Er schüttelte den Kopf. »Das ist wirklich schwer zu beschreiben. Ich meine, was wir getan haben, steht in den Computerberichten … die Missionen, die wir ausgeführt, die Zivilisationen, die wir besucht haben. Aber wie es war … das hat mehr mit den Männern und Frauen zu tun, die mit mir auf dem Schiff gedient haben. Und natürlich mit dem Schiff selbst

»Captain Kirk?«, stachelte Franklin ihn an.

»Der beste Mann, den ich je kennengelernt habe, da gibt es nichts. Der beste vorgesetzte Offizier, der beste Freund. Und er hatte obendrein ein gutes Händchen für Frauen.«

»Commander Spock?«

Scott kicherte. »Wie jeder andere Vulkanier … Aber wenn man bereits im Rachen der Hölle steckt und nur einen auswählen kann, der einen da rausholt … Spock wäre die richtige Wahl.«

»Und Dr. McCoy?«

»Ein richtiger Griesgram … bis man ihn besser kennt, und dann würde man für ihn durchs Feuer gehen. Hat mir öfter das Leben gerettet, als ich an allen Fingern und Zehen abzählen könnte.«

Scott atmete die Erinnerungen tief ein, genoss sie und stieß sie dann wieder aus. Ja, das war seine große Zeit gewesen. Es hatte auch vor und nach dieser Zeit Abenteuer und einige schöne Erinnerungen gegeben. Aber die Enterprise …

»Captain Scott?«

Er hätte fast vergessen, dass Franklin noch vor ihm saß. »Aye, Junge?«

»Es wird vielleicht komisch klingen, aber …«

»Spucken Sie es aus, Fähnrich. Bei mir müssen Sie kein Blatt vor den Mund nehmen.«

Franklin richtete sich auf, etwas überrascht vom plötzlichen Nachdruck in Scotts Stimme. »Nun ja, Sir, verzeihen Sie mir, wenn ich das sage, aber …«

»Sie nehmen schon wieder ein Blatt vor den Mund, Junge.«

Schließlich rückte er mit der Sprache raus. »Sie kommen mir nicht wie die anderen vor, die zur Kolonie Norpin Fünf fliegen. Ich meine, ich diene jetzt schon über ein Jahr auf diesem Transporter und habe schon viele Pensionäre gesehen. Und irgendwie scheinen Sie mir da nicht reinzupassen.«

»Ach.« Scott tat die Vorstellung mit einer Handbewegung ab. »Schön, dass Sie das sagen, Mr. Franklin. Aber Sie liegen falsch – völlig falsch. Ich habe mich über vierzig Jahre lang für Starfleet abgerackert. Keiner hat sich einen friedlichen Ruhestand mehr verdient als Montgomery Scott. Und keiner freut sich mehr darauf. Tatsächlich …«

Plötzlich spürte er, wie die Deckplatten unter seinen Füßen erzitterten. »Wir fallen aus dem Warptransit«, schloss er.

Der Fähnrich nickte. »Aber wahrscheinlich nur für kurze Zeit.«

Scott sah ihn an. »Weil Lieutenant Sachs alles unter Kontrolle hat.«

Franklin nickte erneut. »Das hat er gesagt, Sir.«

Der Ältere trommelte mit den Fingern auf seine Armlehne. Und dann konnte er sich nicht mehr beherrschen und stand auf.

»Ist mir...