dummies
 

Suchen und Finden

Titel

Autor/Verlag

Inhaltsverzeichnis

Nur ebooks mit Firmenlizenz anzeigen:

 

Star Trek: Spocks Welt - Roman

Diane Duane

 

Verlag Heyne, 2014

ISBN 9783641114725

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

Geräte

4,99 EUR


 

Enterprise: Eins


 

Stellen Sie sich am richtigen Ort vor, zum Beispiel auf der Oberfläche des Mondes, irgendwo in der Nähe des langsam dahinkriechenden Terminators oder in einem der L5-Habitate, die den Planeten in friedlicher Gefangenschaft umkreisen. Dann kann man es ganz deutlich sehen: die alte Erde in den Armen der neuen. Manche Leute ziehen sie auf diese Weise vor. Sie lehnen die große, blaue Scheibe mit den weißen Wolkentupfern und die von ihr symbolisierte Sicherheit ab. Sie verlangen Geheimnisse und Mysterien. Sie wollen das nächtliche Bad in der alten Dunkelheit. Nun, sie kommt immer wieder zum Vorschein, aber später (zur großen Erleichterung dieser Leute) taucht sie erneut hinein: Blaues Feuer verblasst durchs Spektrum, bildet einen Regenbogen am Rand der Atmosphäre, glüht scharlachrot und weicht der Finsternis.

Dann erscheinen die Sterne. Sie sind ebenso treu wie die weiter entfernten Sterne in stabilen Konstellationen, leuchten in der ewigen Schwärze wie die künstlichen, kristallartigen Lichter in der irdischen Nacht, wie die urbanen Komplexe Bos Wash, Ellay, Groß-Peking, Bolshe-Moskva, Plu'Paris. Breite Straßen reichen wie helle Fäden über die Kontinente, so zart, als seien sie von Spinnen aus Feuer gewoben. Hier und dort ist das Licht ein wenig getrübt, denn es kommt vom Meeresgrund, von den Schelf-Siedlungen an den Küsten von Japan und Nordamerika. An der Peripherie zeigt sich schmales Glühen – ein neuer Tag, für immer ein Verfolger der Nacht. Doch es ist nur ein hauchdünner Streifen, eine Andeutung von perlmuttenen und türkisfarbenen Tönen am Rande der Schwärze. Derzeit regiert die Nacht.

An einigen Stellen schimmert Licht, ohne dass der Mensch dafür die Verantwortung trägt. Wenn der Mond in der richtigen Phase ist, erschimmern die polaren Eiskappen in einem brennenden Weiß. Die Rocky Mountains und der Himalaja, die Alpen und Anden – sie leuchten wie Glühwürmchen, schwach aber beharrlich. Manchmal kann man sogar die Chinesische Mauer sehen: ein silbernes Haar, zwischen dem langgestreckten Silber von Flüssen hin und her gewunden. Und dann gleitet der Mond weiter, setzt den langen Tanz um die Erde fort, blickt auf sein Spiegelbild im Atlantik oder Pazifik hinab. In einem halben Monat ist Neumond, und dann gibt die Erde, in hellen Sonnenschein gehüllt, das Licht zurück, lässt es aschgrau über Krater und Staubmeere streichen, während die pockennarbige Rückseite weiterhin der Dunkelheit ausgesetzt bleibt. Doch im Augenblick behält die Erde Mondschein und Romantik für sich selbst, dreht sich langsam, glänzt matt und wundervoll, wie ein Versprechen, das vor langer Zeit eingelöst wurde. Schwarzer Samt, mit Diamanten bestreut, eine nie ganz vollständige Finsternis: Dort liegt die Erde und dreht sich im Schlaf …

Und darüber leuchtet etwas anderes, klettert aus dem Feuer des Tages auf der anderen Seite: ein goldener Punkt, wie ein Stern. Sein Strahlen lässt nach, als er den Terminator in einer Höhe von fast vierzigtausend Kilometern passiert. Der Mondschein hüllt ihn in ein silbernes Gewand, als er sich nähert. Der Fleck hat es nicht eilig, bewegt sich mit einer Geschwindigkeit, die rund siebzehntausend Kilometer in der Stunde beträgt. Die Umlaufbahn ist nicht geosynchron: Der Funken holt im Vergleich zur Erde auf. Zuerst wirkt das Gebilde zart und zerbrechlich – ein Spielzeug, dünn, mit scharfen Kanten –, doch dann wird es allmählich größer und massiver. Die beiden Warpgondeln wachsen in die Länge, zeigen nach oben, ragen auf wie dreißigstöckige Gebäude, und das Diskussegment bedeckt den Himmel vom Zenit bis zum ›Horizont‹, als das Raumschiff vorbeischwebt, stumm und majestätisch, loderndes Silber, rubinrot und smaragdgrün dort, wo die Positionslichter blinken, schwarz nur an jenen Stellen, wo sich Schatten festklammern und Buchstaben ihren Namen nennen, in der Sprache des Planeten, den es nun verlässt: NCC 1701, die Enterprise. Der Mondschein tropft über ihre Flanken, verschmilzt mit dem Licht der irdischen Städte, das sich dort widerspiegelt – eine Königin der Nacht, bereit dazu, die Helligkeit aufzugeben und ins tiefe kalte Schwarz zurückzukehren, ihre wahre Heimat …

 

Es dauert eine Weile, um durch ein Raumschiff zu wandern. Elf Decks in der primären Sektion, zwölf in der sekundären, und die Länge der einzelnen Korridore reicht von knapp zweihundert Metern bis zu mehr als einem halben Kilometer – wer mit einer solchen Tour beginnt, versteht schon nach kurzer Zeit, warum man Raumschiffe mit kleinen Städten vergleicht. Doch Jim Kirk kümmerte sich nicht darum, wie lange die Wanderung dauerte. Er begann sie jedes Mal, wenn er an Bord zurückkehrte, nahm sich Zeit genug.

Diesmal veränderte er seine übliche Routine ein wenig. Ich habe den ganzen Tag beim Flottenkommando verbracht, dachte er. Dieser Umstand gibt mir das Recht auf eine Abwechslung – verdammte Schreibtischhengste! Eine Sekunde später unterdrückte er den Ärger; immerhin hatte er bekommen, was er wollte. Jim lachte leise vor sich hin, und kurze Zeit später ließ er sich vom Frachttransporter an Bord beamen, zusammen mit Computer-Materialien, Toilettenartikeln und medizinischen Ausrüstungsgegenständen.

In gewisser Weise bot der Frachttransporter eine angenehmere Umgebung als die üblichen Transporterräume. Die große Kammer befand sich direkt neben dem Shuttlehangar, und zwar aus gutem Grund: Dort trafen all jene Dinge ein, die zu groß waren, um auf eine andere Art und Weise befördert zu werden. An diesem Ort herrschte immer laute und rege Aktivität, wenn sich die Enterprise in einem planetaren Orbit befand. Fröhlicher Lärm tönte Kirk entgegen. Überall standen Kisten, Container und mit Kraftfeldern abgeschirmte Gegenstände, und zwischen ihnen verkehrten verschieden große Antigravplatten. Jim sprang hastig von der Transferfläche, wich mehreren AG-Einheiten von der Größe eines Shuttles aus und zögerte dann, als er feststellte, wer die Platten steuerte: zwei terranische Besatzungsmitglieder, ein kleiner, drahtiger Mann mit kastanienfarbenem Haar, und eine rothaarige Frau mit der Figur einer Walküre unter dem Frachttechniker-Overall.

»Mr. Matejas«, sagte er. »Miss Tei.« Als sie den Gruß hörten und überrascht feststellten, von wem er stammte, wollten sie Haltung annehmen. Kirk winkte ab. »Rühren. Wie war die Verlobungsparty?«

Sie wechselten einen kurzen Blick. Jorg Matejas errötete, und Lala Tei lachte leise. »Einfach toll«, antwortete sie und warf ihr rotes Haar zurück. »Alle haben sich prächtig amüsiert, insbesondere die Sulamiden … Rahere und Athene gerieten in den Zucker, und Sie wissen ja, wie Sulamiden auf Zucker reagieren. Es kam zu einem wilden Durcheinander. Sie verknoteten ihre Tentakel, und wir brauchten eine ganze Stunde, um sie wieder zu befreien. Besten Dank für das Telegramm, Sir! Jorgs Mutter geriet ganz außer sich, als sie die Meldung von Starfleet bekam. Sie war so aufgeregt, als sie die Mitteilung vorlas …«

Jim schmunzelte und dachte: Ich habe also genau die beabsichtigte Wirkung erzielt. Eine seiner zuverlässigsten Quellen für den Bordklatsch hatte ihm erzählt, es bereite Mr. Matejas Mutter Unbehagen, dass er eine Frau heiratete, die einen höheren Rang bekleidete. Daraufhin ging Kirk Jorgs Personaldatei durch, stellte fest, dass eine Beförderung überfällig war, und brachte die Angelegenheit in Ordnung. Gleichzeitig sorgte er dafür, dass das Glückwunschtelegramm mit dem deutlichen Hinweis auf die Beförderung während der Party eintraf. Der Informant nahm an dem Fest teil und berichtete dem Captain später, dass der Name des Absenders am unteren Rand des Telegramms eine mindestens ebensogroße Wirkung erzielte wie Jorgs neuer Rang als Quartiermeistermaat. Jim freute sich darüber. Manchmal zahlte es sich aus, ein galaktischer Held zu sein.

»Sir«, sagte Jorg, »ich möchte diese gute Gelegenheit nutzen, mich bei Ihnen zu bedanken.«

»Sie verdienen die Beförderung«, erwiderte Kirk. »Das ist mein Ernst. Ich habe nur ein wenig beim richtigen Timing nachgeholfen, das ist alles. Wie steht's mit den Verladearbeiten?«

Jorg wusste, worauf der Captain hinauswollte. »In einer halben Stunde sind wir fertig«, erwiderte er. »Vielleicht sogar noch etwas früher.«

Kirks breites Lächeln hatte nichts mit dem Zeitplan zu tun. »In Ordnung«, sagte er. »Machen Sie weiter.« Er ging fort und empfand dabei eine ungewöhnlich stark ausgeprägte Zufriedenheit.

Als er übers Frachtdeck wanderte, hörte er immer wieder Stimmen: »Guten Morgen, Captain« oder »Guten Abend, Captain.« Aus Jims Lächeln wurde ein Grinsen. Es bezog sich nicht etwa auf die Widersprüche zwischen den Grüßen – an Bord der Enterprise herrschte nun wieder die übliche Diensteinteilung, die drei sich einander ablösende Schichten vorsah, und daher war die zeitliche Perspektive der Besatzungsmitglieder verschieden. Draußen im Korridor verhielt es sich ebenso. Die Crew begrüßte ihn nicht etwa mit ›Admiral‹, sondern schlicht und einfach mit ›Captain‹, so wie es Gottes Willen entsprach. Jims Grinsen verflüchtigte sich nicht, als er den Weg fortsetzte.

Der lange Nachmittag im Büro des Flottenadmirals Nogura war recht anstrengend gewesen, aber das Ergebnis lohnte die Mühen. Zwanzig Stunden nach dem Transfer von Willow Grove und acht Stunden nach der Rematerialisierung im Hauptquartier der Flotte – dort musste er die unvermeidlichen Schreibarbeiten erledigen, die mit jeder neuen Mission einhergingen – war er ein glücklicher Ex-Admiral, zum Captain degradiert. Starfleet behielt sich das Recht vor, ihn jederzeit in den...