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Star Trek - The Next Generation: Die Epidemie - Roman

David Bischoff

 

Verlag Heyne, 2014

ISBN 9783641115517

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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4,99 EUR


 

Prolog


 

Sternzeit 45229.6

 

Captain Jean-Luc Picard wollte an seiner Uniform zerren. Er unterbrach sich mitten in der Bewegung. Er hatte die Angewohnheit, den reißfesten, weinroten Synth-Stoff, der seinen schlanken, muskulösen Oberkörper umschloss, zurechtzuziehen; die Uniform hatte ihm stets als fast unbewusstes Zeichen seiner Autorität gedient. Aber jetzt befand er sich nicht mehr an Bord der Enterprise, und ebenso wenig verfügte er momentan über irgendwelche Kommandogewalt.

Er trug nicht einmal mehr seine Uniform.

Statt dessen steckte er in einer eintönig schwarzen Zivilkluft. Einem Overall. Er fühlte sich darin fremd. Es fehlten die gewohnten Rangabzeichen am Uniformkragen und der Insignienkommunikator, den er sonst an der Brust stecken hatte; ohne sie fühlte er sich nahezu nackt.

Man ließ ihn warten, und das gefiel ihm nicht.

Es missfiel ihm außerordentlich.

Neben ihm saßen in gespanntem Schweigen drei weitere Crewmitglieder der U.S.S. Enterprise; auch sie warteten.

Commander William Riker wirkte, als wollte er, statt nur dazusitzen, lieber in dem Büro auf und ab stapfen. Sein Blick schweifte ruhelos umher, und er kratzte sich wiederholt den schwarzen Bart. Die Nummer Eins der Enterprise, erkannte Picard, blieb in der jetzigen Situation viel weniger gefasst als er. Riker war ein Mann, der im Zweifelsfall zum Handeln neigte. Die bitteren Erfahrungen der letzten Tage spiegelten sich in seiner Miene deutlich wider. Er trug gleichfalls einen schwarzen Overall; offenbar hatte er daran das gleiche Vergnügen wie der Captain.

An seiner Seite saß Dr. Beverly Crusher. Sie sah ruhig und gelassen aus, hatte die Beine übereinandergeschlagen und die Arme über der Brust verschränkt. Ihre finstere Miene zerfurchte ihre sonst glatte Stirn. Rund um die Augen bemerkte man einige Altersfältchen, die zu anderer Zeit nicht auffielen: bestimmt nur eine Folge der Anspannung …

Trotzdem sah sie heute reizvoller aus denn je. Ihr rotes Haar kontrastierte auf lebhafte, knistrige Weise mit dem Schwarz des beulenreichen, zu großen Overalls, den man ihr gegeben hatte. Während ihr Gesicht äußerlich Gleichmut zeigte, stand in ihren blauen Augen Sorge.

Sie schenkte Picard ein flüchtiges Lächeln der Ermutigung. Ihm war es peinlich, von ihr dabei ertappt worden zu sein, dass er sie musterte; deshalb nickte er ihr nur knapp zu.

»Hören Sie, Jean-Luc«, sagte sie, »wir haben hier eine Anzahl der besten Wissenschaftler, Techniker und Ingenieure der Föderation beisammen. Ich bin sicher, Sie lösen das Problem. Darum sind wir doch hier, oder nicht?«

»Wir sind schlicht und einfach deshalb hier«, entgegnete Picard nachdenklich, »weil uns keine anderen Alternativen mehr freistehen.«

»Ja genau, die besten Techniker, besten Wissenschaftler, besten Ingenieure«, murrte Lieutenant Commander Geordi LaForge. »Und ich darf nicht tun, was ich gelernt habe, verdammt noch mal.«

»Geordi, es liegen eben besondere Umstände vor.« Beverly senkte zum Trost eine Hand auf die Schulter des Chefingenieurs. Der gutaussehende Schwarze beugte sich vor, faltete die Hände und schüttelte den Kopf. Picard betrachtete ihn; er hatte sich noch immer nicht an Geordis Aussehen gewöhnt.

Seine stumpfen, milchweißen Pupillen hoben sich ungeschützt von den Hornhäuten der Augen ab. Beiderseits des Kopfs blinkten die roten Kontaktpunkte seiner Implantate. Gegenwärtig war Geordi vollkommen blind; sein VISOR war demontiert worden.

»Besondere Umstände? Mir kommt das alles eher wie das Übliche vor.« Aus Ungeduld klang Rikers Stimme gepresst. »Der übliche bürokratische Schwachsinn. Ich hoffe bloß, es war kein Fehler hierherzufliegen.«

»Wir hatten doch gar keine Wahl, Nummer Eins«, stellte Picard fest. Unruhig rutschte er in dem Kleidungsstück, in dem er sich richtig unwohl fühlte, auf seinem Platz hin und her.

»Wir sollten froh sein, dass wir es überhaupt bis hierher geschafft haben«, meinte Beverly. Sie warf Riker einen bedeutungsvollen Blick zu.

»Wahrscheinlich«, sagte Geordi. »Ja, wahrscheinlich … Ich will sagen, ich hoffe es.«

Picard konnte nicht mehr still sitzen. Er stand auf und schlenderte zum Sichtfenster.

Im Samtschwarz des Universums breitete sich das altbekannte, wirre Gesprenkel heller und trüberer Sterne aus; alle ballten ihre ehrfurchtgebietende Geheimnisfülle und Rätselhaftigkeit in winzigen Lichtpünktchen. Diesmal jedoch nahm Picard sie ohne das Staunen und die Bewunderung zur Kenntnis, die er normalerweise bei ihrem Anblick empfand.

Durch das Sichtfenster des Büros hatte man einen ausgezeichneten Ausblick auf mehrere Dockanlagen der Starbase. Gleichzeitig bot sich dem Betrachter ein wundervolles Panorama des Lebens und Treibens der gewaltigen Raumstation dar, all ihrer Betriebsamkeit. Kabelbündel, Laufstege und Liftgondeln umspannten die graue Fläche des Außenrumpfs.

Gewöhnlich genoss Picard das Schauspiel einer Starbase. Solche Wunderwerke der Raumfahrttechnik mussten als Monumente des Einfallsreichtums denkender Wesen gelten, als Prunkstücke architektonischer Errungenschaften der Föderation …

Doch jetzt sah Picard in allem nur ein belangloses Wechselspiel von Licht und Schatten.

Bei anderer Gelegenheit hätte er sicherlich auch die Größe und Eleganz des Büros bewundert, in dem er sich momentan aufhielt. Urkunden über die Karriere und die herausragenden Leistungen des Büroinhabers bedeckten die Wände. Eine weitere Attraktion des Büros bildete das herrliche Aquarium mit Dutzenden von Arten seltener aquatischer Lebensformen. Nicht zu verachten waren auch die geschmackvolle Anordnung holografischer Kunst an der Wand gegenüber, das augenfällige hochmoderne Design des Schreibtischs und Computers sowie die Qualität des schmucken Mobiliars.

Für Picards Empfinden lag die Zimmertemperatur ein wenig zu niedrig. Aber er musste zugeben, dass sie zusammen mit der gedämpften Beleuchtung und den Luftblasen des Aquariums im Büro eine Atmosphäre von Ruhe und Frieden erzeugte. Und die Aromatisierung der Luft … Sandelholz? Mit einem Hauch von Myrrhe und kassiopeianischem Jasmin?

Jedenfalls handelte es sich um männliche Duftnoten. Unzweifelhaft strenge, autoritäre Gerüche, die den Zweck hatten, jedem ein Gefühl der Sicherheit zu vermitteln, der sich hier mit dem höhergestellten Büroinhaber besprechen musste. Bedauerlicherweise flößte das alles Picard nicht die mindeste Ruhe ein. Selbstverständlich trug er seine gewohnte Fassade ernster Würde zur Schau. Doch in seinem Innern …

Aber nein, sagte er sich. Wo ist denn dein harter Kern …? Für einen Moment biss er die Zähne zusammen, konzentrierte sich … Aha! Da war er. Tief, tief im Innersten. Starkes, markiges Urgestein. Seine Pflichttreue. Sein Eid, die Werte von Recht und Ordnung zu schützen, auf denen das edle Anliegen der Föderation basierte. Ideale bestanden für ihn nicht nur aus verschlissenen Worthülsen. Bei ihm gaben sie die Grundfesten seines Gemüts ab. Voller aufrichtigem, unerschütterlichem Pflichtbewusstsein hatte er sich dem Dienst und der Sache verschrieben. Nichts konnte ihn je davon abbringen.

Das musste er sich ständig verdeutlichen. Er war ein Mann der Ideale, nicht mehr, nicht weniger. Im Vergleich dazu zählte alles andere kaum.

Nicht einmal das hier …

»Warum bummelt der Kerl denn so lange herum?«, maulte Riker, sprang aus dem Sessel auf und ging zum Schreibtisch; vermutlich beabsichtigte er, am Kommunikator eine Erklärung für die Verzögerung zu verlangen.

Beverly fasste neben sich, als wollte sie nach ihrem Handcomputer greifen; doch natürlich langte sie ins Leere. Sie konnte ihren Kummer nicht verbergen. Indem sie den Hals reckte, entdeckte sie ein digitales Chronometer auf dem Schreibtisch. »Die Sitzung sollte um vierzehn Uhr stattfinden. Jetzt ist's Viertel nach.«

»Mir ist ganz einfach nicht wohl in der Haut.« Geordis Verbitterung ließ sich nicht verkennen. »Ich wünschte, sie hätten mir wenigstens einen Stock und Blindenhund geliehen. Dann würde ich mich nicht so verflucht hilflos fühlen.«

»Ich bin sicher, dass man für Ihr VISOR bald Ersatz findet, Geordi«, äußerte Beverly in tröstlichem Ton.

»Die Typen hier haben einfach keine Vorstellung davon, welch wichtige Rolle die Zeit spielt.« Aus Enttäuschung schüttelte Riker den Kopf.

»Es ist ja nicht so«, ergänzte Geordi ihn, »dass wir viel hätten.«

»Beruhigt euch, Leute«, sagte Picard, indem er sich auf einen Tonfall verlegte, der gleichermaßen ermutigend wie gebieterisch klang. »Die Besatzung des Raumschiffs ist außer Gefahr. Wir sind in Sicherheit. Das ist es, was zählt … Alles übrige ist relativ unerheblich.«

»Und was ist mit Data?«, fragte Geordi.

»Ich habe es Ihnen versprochen, und ich hab's Data versprochen: Egal, was letzten Endes geschieht, es wird für ihn gesorgt.« Picard straffte seine Schultern und strich sich mit der Hand über den glatten, kahlen Schädel. Wenn er schon nicht an der Uniform ziehen konnte, hatte er doch wenigstens noch seine Glatze.

»Aber es geht um die Enterprise, Jean-Luc«, antwortete Riker. »Wir reden über unser Raumschiff …«

»Unser Zuhause«, betonte Beverly.

Picards Haltung verkrampfte sich; er wandte sich ab. »Ich wiederhole es, die Besatzung ist in Sicherheit. Hinsichtlich des Schiffs werden wir tun, was wir können. Aber wir dürfen uns von sentimentalen Gefühlen nicht in unserem Pflichtbewusstsein beirren oder von der Situation ablenken lassen.«

Dazu sagten seine Offiziere nichts. Doch der Captain...