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'daß es Sinn hat zu sterben - gelebt zu haben' - Adam von Trott zu Solz 1909 - 1944. Biographie

Benigna von Krusenstjern

 

Verlag Wallstein Verlag, 2013

ISBN 9783835320932 , 608 Seiten

3. Auflage

Format PDF, OL

Kopierschutz frei

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27,99 EUR


 

Das letzte Jahr vor dem Krieg (S. 364-365)

Einen knappen Monat war Adam von Trott auf dem fast leeren Riesenschiff SS Ranchi unterwegs, von Hongkong über Singapur, Penang und Colombo, durch das Rote Meer und den Suezkanal über Malta bis zum Zielhafen Marseille. Eine Reise, beschwert von Trauer und Gram, schlechten Nachrichten und bösen Vorahnungen. Obwohl er dem Wunsch seiner Mutter, ihr »so bald als irgend möglich beizustehen, von Herzen gern« gefolgt war, grämte ihn doch die entgangene Fahrt nach Kunming und Tschungking.

Er hatte von ihr wissenschaftliche Fortschritte ebenso erwartet wie Erkenntnisse über die gegenwärtige politische Lage und die zukünftigen Möglichkeiten Chinas, hatte unbedingt dorthin kommen wollen, »wo das wirkliche China noch kämpft«2. Der Rückweg hatte ihn dann noch über Indien führen sollen, wo sein Freund Humayun Kabir ihn mit einem Reiseprogramm erwartete. Für diese ganze Route westwärts hatte Trott auch die Option Amerika aufgegeben.

Es schien widersinnig: Der Vater, dessen größter Wunsch es gewesen war, seinen Sohn Adam wiederzusehen, hatte dennoch darauf gedrängt, daß dieser seine Zeit in China voll ausnutzte. Der Tod des Vaters bewirkte nun das Gegenteil und ließ den Sohn vorzeitig und doch zu spät für das erhoffte Wiedersehen heimkehren. Ihn erwarte »a hell of a time in my blessed country«3, schrieb Trott mit bitterer Ironie vom Schiff aus an Isaiah Berlin und wurde darin, noch bevor er Deutschland erreichte, auf das schlimmste bestätigt.

Unterwegs erfuhr er von den Pogromen des 9./10. November 1938: Im ganzen Land waren Synagogen in Brand gesteckt, Geschäfte jüdischer Inhaber demoliert und verwüstet, Tausende von Juden mißhandelt und in Konzentrationslager verschleppt worden. Trott wollte dazu nicht schweigen. In einem Brief an seine jüdische Freundin Diana betonte er, und zwar ohne zwischen Deutschen und Nazis zu unterscheiden, daß »wir durch das, was geschehen ist, erniedrigt wurden«.

Obwohl er die letzten beiden Jahre im Ausland verbracht hatte, nahm er sich selbst von diesem »wir« nicht aus, sondern schob sich »den vollen Anteil an Verantwortung « zu. Er teilte Diana auch mit, daß seine Gedanken ständig bei Wilfrid Israel seien. Über dessen Ergehen hörte er dann erst im Dezember. Wilfrid war unverletzt geblieben, im Kaufhaus N. Israel aber hatten Schlägertrupps unter SS-Kommando gewütet, und ein Teil der jüdischen Angestellten war ins KZ Sachsenhausen abtransportiert worden. »Ich bin unglücklich aus vielen Gründen, die Du Dir vorstellen kannst«, schrieb Trott seiner Freundin Shiela.

»Zudem kommt mir dieses Schiff vor wie ein großer, schwarzer Sarg, der mich nach Europa zurückbringt, um dort beerdigt zu werden.«6 Bei seiner Ankunft in Marseille am 25. November 1938 fand er die erhoffte Nachricht vor, daß Shiela ihn in Paris erwartete. Eine gewisse beiderseitige Entfremdung, eingetreten nach zwei Jahren mit höchst unterschiedlichen Erfahrungen, konnten sie jedoch während dieses kurzen Treffens nicht überwinden. Shiela Grant Duff hatte dem Freund ihr Buch »Europe and the Czechs« entgegengeschickt.