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Checkliste Komplementärmedizin

Roman Huber, Andreas Michalsen

 

Verlag Haug, 2014

ISBN 9783830477754 , 800 Seiten

Format PDF, ePUB, OL

Kopierschutz Wasserzeichen

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34,99 EUR

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1 Geschichte der Komplementärmedizin und Naturheilverfahren


Bernhard Uehleke, Annette Kerckhoff

Der Begriff „Komplementärmedizin“ (abgeleitet von complementary medicine) löste als Oberbegriff für eine Ansammlung unkonventioneller medizinischer Systeme, Methoden und Verfahren den nur wenig älteren Begriff „Alternativmedizin“ ab bzw. trat als Ergänzung dazu.

Betrachtet man die breite Palette der in der Komplementärmedizin zusammengefassten Verfahren, so ergibt sich die Frage, warum solch höchst unterschiedliche Verfahren, wie die Traditionelle Chinesische Medizin (TCM), Homöopathie, Kaltwasseranwendungen etc., unter einem Oberbegriff zusammengefasst werden. In der Tat waren die einzelnen Systeme bzw. Verfahren bis weit ins 20. Jahrhundert getrennt und die Vertreter untereinander verstritten ? [14]. Erst unter politischem Druck durch die Nationalsozialisten wurden in den 1930er-Jahren die großen und sich auf bürgerbasierte Verbände stützenden Naturheilverfahren, Homöopathie und Schüßler-Therapie unter dem Sammelbegriff „Biologische Medizin“ zusammengefasst und die einzelnen Verbände zwangsweise in eine Reichsarbeitsgemeinschaft eingegliedert ? [7]. Als wirksam überprüfte „biologische Methoden“ sollten dann mit einer modernisierten und angepassten Medizin zu einer „Neuen Deutschen Heilkunde“ als Synthese entwickelt werden ? [19].

Nach dem 2. Weltkrieg entwickelten sich in Deutschland die einzelnen Richtungen in separaten Verbänden weiter, aber es gab nun doch einige Dachverbände, wobei neue Sammelbegriffe den in Misskredit geratenen Begriff „Biologische Medizin“ ablösten: „Ganzheitsmedizin“, „Erfahrungsheilkunde“ und dann schließlich, Ende der 1960er-Jahre, „Alternativmedizin“ und später „Komplementärmedizin“. Später kam dann noch u.a. der Begriff „Regulationsmedizin“ dazu, der sich allerdings im Volksmund kaum ausgebreitet hat. Zur begrifflichen Abgrenzung aus heutiger Sicht s. Kap. ? 3.1.

Als gemeinsames Kriterium aller Verfahren fällt – neben dem Prinzip der ? Selbstheilung – die besondere Förderung durch Patienten und Bürger bei nicht selten gleichzeitiger kritischer Haltung gegenüber der „Schulmedizin“ auf. Ohne dieses Interesse könnten medizinisch-staatlich nicht anerkannte Verfahren kaum überleben, insbesondere auch die vom Patienten häufig selbst zu bezahlenden Behandlungen durch Heilpraktiker. Der Blick in die Geschichte zeigt, dass die Förderung entsprechender Methoden durch die Bevölkerung im deutschsprachigen Raum nunmehr eine durchgehende Tradition über immerhin rund 200 Jahren hat.

Als sich im Rahmen der Aufklärung Anfang des 19. Jahrhunderts nicht nur die Medizin ganz neuen Ideen öffnete und sich gleichzeitig die Ärzteschaft unter politischer Einflussnahme zu professionalisieren begann – wobei der Staat die Medikalisierung der Bevölkerung zunehmend regulierte –, entstanden v.a. in den gebildeten Mittelschichten des 19. Jahrhunderts Gegenströmungen. Diese entwickelten ein erhebliches Misstrauen gegen die Ärzteschaft, aber auch gegen eine die Freiheit des Einzelnen in Gesundheitsfragen und Verhalten einschränkende Staatsmedizin und wandten sich anderen Methoden oder Lebensweisen, wie Mesmerismus, Homöopathie, Hydropathie bzw. Naturheilkunde, zu. Dazu kamen dann später Vegetarismus, FKK-Bewegung und weitere Reform- und Sozialbewegungen. In wesentlichem Maße wurden die Komplementärmedizin und insbesondere die Naturheilkunde dabei durch Laienheiler und Nicht-Ärzte getragen.

  • 1871: Nachdem zuvor Nicht-Ärzte, die Kranke behandelten, als Heilpfuscher juristisch verfolgt wurden, wird nun in Deutschland durch eine Änderung der Gewerbeordnung die Therapiefreiheit für Nicht-Ärzte eingeführt. Damit ergibt sich die wesentliche Voraussetzung für die Behandlung mit entsprechenden Methoden durch Nicht-Ärzte. Die Ärzteschaft kämpft mit allen verfügbaren Mitteln gegen diese Therapiefreiheit und gegen die „Pfuscher“, denen die Patienten in Scharen zulaufen.

  • 1876: Der homöopathische Arzt Franz Fischer bringt den Begriff „Schulmedizin“ in die Streitigkeiten ein, die ihren Höhepunkt zu Beginn des 20. Jahrhunderts haben und danach immer wieder aufflackern. Die Homöopathie und verwandte Methoden bieten dabei mehr Angriffsfläche als die Naturheilkunde, deren Methoden auch von der konventionellen Medizin (z.B. in der physikalischen Medizin) herangezogen werden.

  • 1903: Die Deutsche Gesellschaft zur Bekämpfung der Kurpfuscherei wird durch die organisierte Ärzteschaft gegründet.

  • 1939: Aufgrund der anhaltenden Schwierigkeit, die Kurierfreiheit juristisch zu verbieten, wird das Heilpraktiker-Gesetz zur Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung erlassen.

1.1 Historischer Abriss wichtiger komplementärmedizinischer Verfahren und der Naturheilkunde


1.1.1 Naturheilkunde


Die Bezeichnung Naturheilkunde erscheint als Umbenennung der radikal vertretenen Hydropathie bzw. Kaltwasserheilkunde gegen Mitte des 19. Jahrhunderts – wobei sich nur eine geringfügige Erweiterung ergibt. Die Einbeziehung von Bewegung und Diät war quasi schon immanent in der Wasserheilkunde enthalten; erst später fanden weitere Verfahren Eingang in die Naturheilkunde, wie milde Heilpflanzen, Licht-Sonne und Ordnung. Aber der neue Begriff und seine Derivate „Naturarzt, Naturdoctor, Naturheilanstalt“ usw. klangen doch einfach weniger abschreckend als „(Kalt-)Wasserarzt, Wasserdoctor, Wasserheilanstalt“ usw. ? [8].

Heute sind diese klassischen Naturheilverfahren v.a. als die sog. 5 Säulen nach Kneipp bekannt (s. Kap. ? 3.1.4). Die alte hippokratische Sichtweise bezüglich einer Säftelehre bleibt in der Naturheilkunde des 19. Jahrhunderts erhalten – allenfalls berücksichtigt man eine neue Zuordnung zu den Organfunktionen. Die Ausscheidung von „materia peccans“ (krankmachende Substanz) im Sinne der alten Säftelehre soll nach wie vor über eine natürliche Anregung von Durchblutung, Stoffwechsel und Ausscheidung gefördert werden.

Die Hydrotherapie bzw. Hydropathie hatte sich bereits seit den 1830er-Jahren als medizinkritische und etwas einseitige Richtung entwickelt, wobei man sich durchaus auf die bereits in der Antike bekannte Wasserheilkunde bezog. Sie kann somit – zumindest historisch gesehen – als das „Rückgrat“ der Naturheilkunde bezeichnet werden.

  • Um 1745: In Deutschland tauchen die lateinischen Begriffe „medicina naturae“ und „methodus naturae“ erstmalig auf, auch bereits in Zusammenhang mit dem Gebrauch von kaltem Wasser ? [17].

  • 1852: Der Titel „Naturheilkunde“ erscheint erstmals in dem von Theodor Hahn 1852 herausgegebenen Buch Die Grundlagen der Natur- oder Wasserheilkunde. Theodor Hahn (1824–1883) übernimmt den Begriff und das Konzept von seinem Mentor J. H. Rausse, der den Begriff „Naturheilkunst“ erstmals 1846 in einem Buch benennt. Der Münchner Arzt Lorenz Gleich verwendet ebenfalls zunehmend „Naturheilkunde“ in seinen Streitschriften ? [5].

  • 1860er-Jahre: Einige Wasservereine benennen sich um in „Naturheilvereine“.

  • 1872: Gründung des Zentralvereins für Naturheilkunde in Sachsen

1.1.2 Hydrotherapie


  • 1702:...