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Die Wikingersklavin - Historischer Roman

Sabine Wassermann

 

Verlag Bookspot Verlag, 2014

ISBN 9783956690082 , 322 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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3,99 EUR


 

Prolog


Wie stets, wenn er in Svanas Haus einkehrte, fragte er sich, ob ihr Name ein Scherz der Götter war. Svana – der Schwan – war bei Weitem die dickste Frau, die er je erblickt hatte. Die Hurenwirtin thronte hinter einem Tisch gegenüber des Eingangs und tat, was ihr das Liebste war: Sie zählte, betrachtete und sortierte die Münzen, die ihr die fünf Mädchen einbrachten. Von den exotischsten Münzen hatte sie sich ein Armband fertigen lassen. Es klirrte, als sie die feisten Hände ineinander schlug.

»Du kommst spät dieses Frühjahr, Odins Rabe!«

»Das Wetter war ungünstig.« Er schob die Kapuze von den Haaren, deren Schwärze ihm den göttlichen Beinamen eingebracht hatte, löste die Bronzefibel am Hals und ließ den wollenen Umhang von den Schultern gleiten. Die Glut in der offenen Feuerstelle verbreitete Wärme. Draußen herrschte eine klare, kalte Frühjahrsnacht.

Svana lächelte. Sie besaß vollendet gezeichnete Lippen, um die sie jede Frau beneidet hätte. Doch darunter wölbte sich ein Kinn, das fast bis zum Ansatz ihrer Brüste reichte. Aus dem Ärmel zog sie ein Tuch und wischte sich damit über das stets schweißfeuchte und gerötete Gesicht. »Aber jetzt bist du ja hier, um dich in den Armen einer meiner Frauen aufzuwärmen. Gisla! Gisla, wo steckst du?«

Eine Seitentür öffnete sich. Eine junge, ihm fremde Frau mit zerzaustem Blondhaar steckte den Kopf in den Eingangsraum. Sie musterte ihn von unten nach oben und ließ den staunenden Blick an seinem Rabenhaar hängen.

»Bring Wein. Den guten, gewürzten, und spare nicht mit Honig.«

»Ja, Herrin.« Sie starrte und starrte und trollte sich erst, als Svana mit der Faust auf den Tisch schlug, sodass die Münzen klingelten. Rasch kehrte sie mit einem Krug und zwei hölzernen Bechern zurück.

»Die dir voriges Jahr so zusagte, ist nicht mehr bei uns, aber ich kann dir Gisla empfehlen«, sagte Svana, während sie zusah, wie das Mädchen einschenkte. Es beäugte ihn weiterhin aus dem Augenwinkel, zuckte aber mit keiner Wimper. »Sie ist ruhig und anschmiegsam – so magst du es doch, nicht wahr?«

Er nahm den von Gisla gereichten Becher entgegen. Svana hob ihren, lobte irgendeinen Heiligen und wartete höflich, dass er trank. Wacholder und die Süße des Honigs reizten angenehm den Gaumen. Er verspürte Lust, irgendwo die Beine auszustrecken und die Augen zu schließen. Die Tage in Haithabu waren vom Begutachten der Ware, von stundenlangem Handeln und Streiten ausgefüllt gewesen: Er hatte Zangen, Feilen und ein gutes Schwert verkauft, Silber- und Kupferdraht und günstige Roheisenbarren eingehandelt, sogar ein Stück Himmelseisen. Dazu ein paar Dinge für den Hausgebrauch. Es fehlten noch Segeltuch, gute Taue und der übliche Seidenballen für die Witwe Týra.

Und, bevor er morgen wieder nach Norden aufbrach, eine Frau.

»Ruhig und anschmiegsam, ja«, erwiderte er. »Aber dieses Mal komme ich nicht wegen einer Frau für eine Nacht.«

»Nein?« Svana lehnte sich in ihrem knarrenden Korbstuhl zurück, um staunend zu ihm aufzusehen. »Seit vier Jahren kommst du im Frühjahr hierher nach Haithabu, um deinen Geschäften nachzugehen …«

»Sechs, Svana.«

»Sechs. Seit vier in mein Haus. Und nie in ein anderes, wenn ich dir glauben darf, was ich tue.« Mit einer Handbewegung wischte sie Gisla fort, und die machte, dass sie verschwand. »Sind die Dinge, die du diesmal erworben hast, etwa zu teuer geworden, sodass du dir deine gewohnte Abschiedsnacht nicht mehr leisten kannst? Ich bin sicher, wir werden uns einig, mein schwarzer Rabe.«

Ihr Lächeln war einladend, als wolle sie selbst dafür sorgen, dass er auch dieses Jahr befriedigt wieder aufbrechen konnte. »Das bin ich auch«, erwiderte er. »Aber es geht mir nicht um eine Nacht …«

»Um was sonst? Oh«, sie hob die sorgsam gezupften Brauen. »Du möchtest eine Frau kaufen

Er nickte.

»Fürs Bett?«

»Ja, Svana.«

»Beim heiligen Ansgar!« Sie lachte, aber es klang gutmütig. »Warum? Willst du deine jährlichen Handelsfahrten etwa aufgeben? Ich würde dich vermissen.«

»Vor allem meinen Geldbeutel, nehme ich an.«

»Den und deine spitze Zunge.«

Natürlich hatte er nicht vor, zukünftig in seiner kargen Blockhütte auszuharren. Schließlich war er ein Nordmann; in seinen Adern floss die Reiselust der Wikinger. »Ach, weißt du, Svana, ich bin in einem Alter, in dem andere Männer schon fünf Kinder haben und dafür fünf Zähne weniger.«

»Du könntest mein Sohn sein, und deine Zähne sehen nicht aus, als bereiteten sie dir Grund zur Klage. Du willst also, dass eine Frau deine heimischen Felle wärmt.«

»So ist es.«

»Ein Mann wie du müsste genügend Heiratskandidatinnen haben.«

Er entblößte die Zähne und hob eine Faust. »Zu viel Ruß an meinen Schmiedehänden. Zu viel Schwärze in meinem Haar.«

»Und dein Lächeln scheint zu sagen: zu schwarz auch deine Seele. Vielleicht hast du recht.« Svana erwiderte es nachdenklich, als fragte sie sich, was wohl zutage käme, wollte sie die Tiefe seiner Seele ausloten. »Nun, Sklavenhandel ist nur eines meiner Nebengeschäfte. Warum gehst du nicht zu einem der großen Sklavenhändler? Bei denen hättest du viel mehr Auswahl. Schöne Slawinnen, die noch ihre seltsamen Götter anbeten – die müssten dir doch zusagen.«

Er schätzte an ihr, dass sie eine der seltenen ehrlichen Seelen in dieser von gierigen Händlern bewohnten Stadt war. Vielleicht hoffte sie, dadurch ihren Christengott milde zu stimmen, von dem es ja hieß, dass er Huren und Krämerseelen nicht wohlgesonnen war. »Den Tumult des Sklavenmarktes möchte ich mir ersparen, und ich bin satt vom Schwätzen und Feilschen. Außerdem weiß ich, dass du mich nicht übers Ohr hauen wirst.«

Der Vertrauensbeweis ließ sie freudig strahlen, und ihre Gesichtsröte vertiefte sich. »Gisla kann erworben werden, ebenso Haldelind, die du noch kennen müsstest, und dann hätte ich noch eine hübsche rothaarige Friesin. Ach ja, und … Nein.«

»Nein?«

Mit klingelnden Münzen winkte sie ab. »Eine Fränkin, aber ich müsste mich schämen, sie dir anzubieten. Die hat mir heute erst ein Kunde angeschleppt; er hatte sie günstig von friesischen Piraten erworben. Eigentlich wollte ich sie nicht, aber er hatte Schulden bei mir, und bevor ich gar nichts kriege … Ob sie anschmiegsam ist, weiß ich ja nicht, aber ruhig in jedem Falle.«

»Zeig sie mir.«

Svana stemmte sich hoch, ordnete ihr Gewand, während sie sich mühsam hinter dem Tisch hervorschob, und ergriff die Tranlampe in ihrem gusseisernen Gehäuse. Mit schwerfälligem Gang trat sie durch die rückwärtige Tür und bedeutete ihm höflich, ihr zu folgen. Die Räumlichkeiten dahinter kannte er: Die wacklige Treppe führte ins Obergeschoss, aus dem eindeutige Geräusche drangen, und bei den beiden Kammern hier unten handelte es sich um Lagerräume. Von einer schob Svana den Riegel zurück, drückte die Tür auf und streckte die Lampe vor.

Zwischen Säcken und Fässern hockte eine junge Frau auf einer Truhe. Sie hielt einen kleinen schwarzen Otterpelz an sich gedrückt und schmiegte die Wange daran. Langsam hob sie die Lider und ließ sie scheinbar uninteressiert wieder sinken. Wahrscheinlich hatte sie das Fell von dem Stapel auf einem der Fässer genommen, denn sie selbst sah schmutzig und abgerissen aus. Wie ein zerschlissener Vorhang lagen ihre hellbraunen Haare um ihre Schultern. Ihre dunkelblau gefärbte Cotte war am Saum aufgerissen und steif von getrocknetem Schlamm. Als sie einen Fuß bewegte, erklang das kalte Geräusch aneinanderreibender Fußketten.

Svana seufzte laut. »Sie macht meine Pelze dreckig. Aber schimpfen lohnt nicht; sie kommt mir nicht ganz richtig im Kopf vor, als hätte sie einen Schlag zu viel draufgekriegt.«

»Woher kommt sie?«

»Angeblich aus einem Dorf nahe bei Bremen, das ist da, wo der heilige Ansgar geboren wurde.«

Bremen, das war eine reiche Kaufmannsstadt vier oder fünf Tagesmärsche südlich, so viel war ihm bekannt. Und die Frau sah in der Tat aus, als sei sie die ganze Strecke gelaufen. Die Zehen, die unter dem schmutzstarrenden Saum hervorschauten, waren blutig.

Svana stapfte auf sie zu und zerrte ihr den Pelz aus den Händen. »Ihr Vater soll von den Friesen umgebracht worden sein, ihr Zuhause zerstört. Solltest du sie wirklich wollen, dürfte sie froh darum sein und wieder munterer werden. Lächle mal, Frau! Zeig deine Zähne!«

Stattdessen schaute die Fränkin sehnsüchtig auf das Fell in Svanas feisten Armen. Svana warf es auf den Stapel anderer Felle. »Sie versteht die nordische Zunge sehr gut und spricht sie wohl auch. Gesprächig ist sie nicht, aber welcher Mann will schon eine Sklavin, die ständig schwätzt? Komm, Mädchen, mach den Mund auf und lächle.«

Sie rüttelte am Kinn der Frau, die sich zur Seite drehte, um dem Zugriff zu entkommen. Für einen Augenblick blitzte etwas wie Ärger in den...