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Psychologie der Akkulturation - Neufassung eines Forschungsbereiches

Andreas Zick

 

Verlag VS Verlag für Sozialwissenschaften (GWV), 2010

ISBN 9783531921839 , 653 Seiten

Format PDF

Kopierschutz Wasserzeichen

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49,44 EUR


 

5. Sozialwissenschaftliche Theorien des Akkulturationsprozesses (S. 333-334)

Die Prozesstheorien der soziaIwissenschaftlichen Akkulturationsforschung werden erläutert und vor dem Hintergrund des in Kapitel 2 zugrunde gelegten Akkulturationskonzeptes diskutiert. Zentraler Fokus der Theorien ist wie in der psychologischen Prozessforschung, die Analyse von Bedingungen, Phänomenen und Konsequenzen einer für die sozialpsychologische Sicht relevanten Konzeption der Akkulturation. Es wird deutlich, dass die sozialwissenschaftlichen Ansätze mehrheitlich eine Analyse von Assimilationsprozessen vornehmen. Assimilation wird in den frühen Ansätzen als Stufenfolge betrachtet.

Die modemen Theorien rücken dagegen vielmehr den Einfluss gesellschaftlicher Wandlungsprozesse, sozialer Ungleichheiten und Gemeinschaftsbildungen in den Vordergrund. Dabei sind sie von der Studie ethnisch-kultureller Migrationsphänomene geprägt. Das heißt das Kapitel bietet auch eine Diskussion von Migrationstheorien mit Blick auf die Entwicklung einer sozialpsychologischer Perspektive auf die Prozesse der Aneignung neuer kultureller Umwelten.

5.1 Einleitung und Grundperspektiven

Auch in den Sozialwissenschaften sind die Theorien nicht explizit als Prozesstheorien benannt, was ihre Identifikation erschwert. Darüber hinaus werden sie auch nicht explizit als Akkulturationstheorien bezeichnet. In der Systematik der Ansätze findet man unter den sozialwissenschaftlichen Prozesstheorien vor allem solche der Migrations- oder Wanderungsforschung. Die Wanderungs- oder Migrationsforschung ist wiederum durch die Migrationssoziologie geprägt, das heißt ihr primäres Explanandurn ist der Prozess der Migration. Esser (1990, S. 33) skizziert die Forschungsfragen der Migrationsforschung wie folgt:

"Bei Wanderungen und deren Folgeprozessen haben aus soziologischer Sicht immer drei Gesichtspunkte und Problembereiche besonders interessiert: Was sind eigentlich die ,Ursachen für ganz bestimmte Wanderungsströme? Hiermit beschäftigt sich die Soziologie der Migration im engeren Sinne. Zweitens: Wie gestalten sich die Beziehungen zwischen den neu in Kontakt tretenden Gruppen, und welche ,Faktoren sind für unterschiedliche Resultate von Zwischengruppenbeziehungen verantwortlich? Dies ist der Gegenstand der sog. Integrationsforschung. Und schließlich kann man - aus einer eher mikrosoziologischen Sichtweise heraus - fragen, welche Folgen die mit Wanderungen oft einhergehenden ethnischen Differenzierungen gerade für ,moderne, d.h. funktional differenzierte, eigentlich auf der Grundlage von .formaler Gleichheit organisierte Sozialsysterne haben."

Obgleich in den Sozialwissenschaften immer deutlicher die Überzeugung Konsens wird, dass Wanderung und Flucht zur Geschichte und zur Struktur von Gesellschaften gehören, hat die Migrationsforschung bislang wenig Aufmerksamkeit in der Akkulturationsforschung erhalten. Noch arn stärksten ist sie durch die frühen Stufen- und Phasenrnodelle geprägt, die bereits vorgestellt wurden (vgl. Kapitel 4.3). Zum Teil mag das daran liegen, dass ein wesentliches Problem der Migrationsforschung63 darin besteht, dass aufgrund der konzeptuellen Vielfalt uneindeutige Termini verwendet werden (Hoffmann-Nowotny, 1990). Das erschwert den Zugang für andere Disziplinen. Begriffe wie Eingliederung, Integration, Assimilation, Absorption, Dispersion, Segregation, Anpassung, Akkulturation etc . stehen bei der Analyse des Migrationsprozesses oft unvermittelt nebeneinander.

Die Begriffe werden politisch und wissenschaftlich uneindeutig und oft missverständlich verwendet. Ernüchternd für diesen Forschungszweig erscheint Hoffmann-Nowotnys Einschätzung zu Beginn der 1990er Jahre, die zumindest auf die deutschsprachige Forschung zutreffend ist: "Die (...) theoretische und konzeptuelle Auseinandersetzung scheint angesichts der zunehmend drängenderen Probleme, mit denen wir es im Bereich der Einwanderung zu tun haben, eher von akademischem Belang zu sein. Sie ist es jedoch nicht.

Die Geschichte der Forschung zwn .Fremdarbeiterproblem der letzten 20 Jahre zeigt meines Erachtens vielmehr unwiderlegbar, wieviel Mittel und Anstrengungen letztlich (zu häufig) - gerade wegen konzeptueller Unschärfen und des Verzichts auf Theorie - nur Banalitäten und Trivialitäten gezeitigt haben ...." (HoffmannNowotny, 1990, S. 22) Wird Essers (1990) Fragenkatalog der Migrationsforschung aber noch einmal beachtet, wäre damit nur eine von drei wesentlichen Fragestellungen kritisiert: die Forschung zu Fragen der Aufnahme von Migranten.

Ein Blick in die so genannte Ausländerforschung (wie z.B. dargestellt bei Treibei, 1990,2003) zeigt jedoch, dass die Frage nach den Determinanten des Aufnahme- bzw. Imrnigrationsprozesses die Migrationsforschung dominieren, die außerordentlich interessante Beiträge für eine Sozialpsychologie der Akkulturation liefern kann. Genau dem soll im Folgenden nachgegangen werden. Es wird dabei aber keine lückendichte Darstellung aller Migrationstheorien erfolgen! Auch hier gilt der sozialpsychologische Blick auf den Prozess der Akkulturation, so wie er der vorliegenden Arbeit zugrunde gelegt wurde.