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Sati. Töchter der Sonne

Birgit Fiolka

 

Verlag Birgit Fiolka, 2014

ISBN 9783956900709 , 218 Seiten

Format PDF, ePUB, OL

Kopierschutz DRM

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6,90 EUR


 


Prolog

 

Den ganzen Tag schon flirrte die Luft, sodass Memi immer wieder von der Feldarbeit aufsah, um sich den Schweiß von der Stirn zu wischen. Eine solche Hitze war sogar für die Erntezeit Schemu ungewöhnlich.

Seufzend machte er sich wieder an die Arbeit. Der Emmer musste eingeholt werden, sonst hätten er und Wahit in der kommenden Nilschwemme nichts zu essen. Vor allem jetzt, wo Wahit ihr erstes Kind erwartete, plagten Memi die Sorgen und raubten ihm nachts den Schlaf.

„Die Ernte wird schlecht ausfallen in diesem Jahresumlauf – die Götter sind unzufrieden“, murmelte einer seiner Leidensgenossen.

„Schweig, oder willst du Ärger bekommen?“, ermahnte Memi ihn. Erst vor Kurzem hatte der Gaufürst ihm den Posten des Vorarbeiters zugetragen. Dieser brachte Memi ein wenig mehr Zuwendung für seine Familie, die er nicht verlieren wollte.

Der Andere schwieg, warf ihm jedoch einen verächtlichen Blick zu. Sie erkannten Memi nicht an als Vorarbeiter und neideten ihm seinen Aufstieg. Es wäre besser gewesen, der Gaufürst hätte einen Fremden, der nicht aus dem Wasetgau stammte, zu ihrem Vorarbeiter ernannt. Es bedeutete fast immer Ärger, wenn plötzlich einer, den die Männer schon ihr ganzes Leben kannten, über sie erhoben wurde. Doch Memi hatte Wahit erst vor einer Nilschwemme in sein Haus geholt, und nun gäbe es bald auch noch das Kleine. Er hatte den Vorarbeiterposten nicht ablehnen können.

Trotzdem gab er dem Mann insgeheim recht. Es stand nicht zum Besten in Men-nefer, im Haus des Guten Gottes, nach allem, was man hier im Süden so hörte. Der letzte Feldzug des Einzig Einen gegen Nub hatte die Schatzkammern geleert, und immer, wenn der Vorsteher ihres Dorfes zum Gaufürsten gerufen wurde, kehrte er mit sorgenvoller Miene zurück.

„Es gibt Zwist unter den Großen … unser Fürst ist nach Men-nefer gerufen worden, ins Große Haus.“

Auf die Fragen nach der Art der Unstimmigkeiten winkte der Dorfvorsteher jedoch stets ab. „Von den Dingen der Großen versteht ihr nichts. Lasst sie ihre Arbeit verrichten und kümmert ihr euch um die eure. Der Lebende Gott wird es richten, denn er ist Maat.“

Sie taten, was der Dorfvorsteher ihnen sagte, doch sorgten sich insgeheim trotzdem.

„Schaut zum Himmel! Was ist das?“, wurde Memi von einem der Männer aus seinen Gedanken gerissen. Er hob seinen Kopf und blinzelte. Dann schnürte sich ihm der Hals zu.

„Die Götter zürnen … ich habe es ja gesagt … fleht Neith an, uns zu helfen“, rief derjenige, dem Memi gerade noch den Mund verboten hatte, nun laut.

Dieses Mal maßregelte Memi den Mann nicht. Stattdessen starrte er selbst mit offenem Mund, und kein Laut wollte von seinen Lippen kommen – denn was er sah, ließ auch ihm die Angst den Nacken hinaufkriechen. Re, der allmächtige Weltenschöpfer, der das Schwarze Land mit seinem Licht und seiner Wärme überflutete, war im Begriff sich abzuwenden! Rot glühte er – wie Seth selbst, und schon im nächsten Augenblick begann sich, sein Antlitz zu verdüstern. Die strahlende Scheibe verwandelte sich vor ihrer aller Augen in tiefste Schwärze, fraß sich von einer Seite zur anderen und schluckte das lebensspendende Licht des Gottes!

Lange Schatten krochen über das Emmerfeld gleich dürren Fingern, die nach allem griffen, was das schwindende Licht des Gottes zurückließ. Die Männer fielen auf die Knie und riefen Neith laut um Hilfe an.

Nur Memi stand nach wie vor wie erstarrt und konnte seinen Blick nicht vom Geschehen am Himmel abwenden.

Dann endlich fand er seine Sprache wieder. „Ihr Götter, warum wendet ihr euch ab? Was haben wir getan, dass ihr uns in Dunkelheit hüllt?“

Zwischen die Rufe und das Wehklagen der Männer mischte sich plötzlich eine andere, höhere Stimme. Memi wandte sich um und sah am Rand des Feldes Nofret stehen, die Tochter seiner Nachbarn. Sie zitterte am ganzen Leib, und ihre Augen waren vor Angst weit aufgerissen - doch ihr Pflichtbewusstsein ließ sie das Chaos um sie herum ignorieren. Aufgeregt wedelte sie mit den Armen. „Vorabeiter Memi … du musst sofort zu deiner Frau gehen. Wahits Wehen haben eingesetzt, doch etwas stimmt nicht.“

Nur mit Mühe gelang es Memi, sich zu fassen und seinen Blick vom Himmel abzuwenden. Die Schwärze hatte Re nun fast verschlungen, und es war beinahe so dunkel, als wäre es Nacht, obwohl es doch erst Mittag war. Nur ein feiner Kranz aus Licht umgab die schwarze Scheibe am Himmel.

„Vorarbeiter Memi … bitte, ich habe Angst“, riss Nofret ihn abermals aus seiner Furchtstarre.

Memi ließ seine Männer allein und rannte zu Nofret. Über das Verbot, seine Arbeiter unbeaufsichtigt zu lassen, dachte er nicht nach. Das Chaos war im Begriff, Kemet zu verschlingen, was sollten ihn da noch Verbote kümmern. Wahrscheinlich gäbe es ohnehin kein Morgen mehr, und die letzten Stunden seines Lebens wollte er an der Seite von Wahit verbringen, der Schwester seines Herzens.

 

Memis Herz hämmerte gegen seine Rippen, als er die Binsenmatte der Geburtslaube zur Seite schob, in der Wahit in den Wehen lag. Den ganzen Weg zurück von den Feldern ins Dorf hatte Nofret geweint. Memi war derweil kein Laut über die Lippen gekommen. Er wusste nicht, um was er sich mehr sorgen sollte – Wahit oder das Chaos, welches in diesen Augenblicken über sie hereinbrach.

Die Dorfstraße war wie leer gefegt, die Bewohner versteckten sich in ihren Hütten. Nur einige vor Angst fast Wahnsinnige liefen durch das Dorf, rieben sich Sand ins Haar und schrien, Re möge Kemet das Licht zurückbringen.

„Schnell, schnell … geh hinein zu deiner Frau“, drängte Nofret, da auch sie nach Hause zu ihrer Familie wollte.

Sobald die Binsenmatte hinter Memi zugefallen und Nofret fort war, erwachte er wie aus einem Traum. Mit einem Mal nahm er den Geruch von Schweiß, Blut und Angst wahr und glaubte, in der verbrauchten Luft und stickigen Hitze der Geburtslaube keinen Augenblick verweilen zu können.

„Steh nicht herum, Mann! Du musst entscheiden, was zu tun ist!“

Die Stimme der Wehfrau, die schon ihm und Wahit auf die Welt geholfen hatte, ließ keinen Zweifel daran, dass es ernst um Wahit stand. Zögernd trat Memi an die Lehmziegel heran, auf denen Wahit mit schmerzverzerrtem Gesicht hockte.

„Wahit, ich bin hier“, war das Einzige, was ihm einfiel zu sagen. Ob sie es wusste? Ob Wahit in ihrem rasenden Schmerz bemerkt hatte, das die Götter sich von Kemet abwandten? Vielleicht konnte sie ja deshalb nicht gebären! Die Götter straften sie. Oh, ihr Götter … warum zürnt ihr uns?

„Memi … etwas stimmt nicht mit dem Kind“, schluchzte Wahit, und schrie dann, als wäre der rote Seth in ihren Leib gefahren, um sie zu quälen.

Memi stand wie erstarrt. Was sollte er tun? Er wollte Wahit helfen und ihr sagen, dass alles gut werden würde, doch wie konnte er das?

Die Wehfrau fuhr ihn harsch an. „Es ist eine denkbar schlechte Stunde für euer Kind … und eine schlechte Stunde für deine Frau, zu gebären.“ Sie nickte in Richtung der Binsenmatte. Memi verstand, dass sie genau wusste, was draußen vor sich ging.

Er ging neben seiner Frau in die Hocke und nahm ihre Hand. Hätte er doch nur etwas Kupfer oder eine Ziege zum Tauschen gegen schmerzlindernde Kräuter gehabt. Doch sie waren arm und konnten keine ihrer zwei mageren Ziegen entbehren. „Wahit, du bist stark … Thoeris wird dir beistehen.“

Die knotige Hand der Wehfrau legte sich wie Granit um sein Handgelenk. Im Halbdunkel konnte er ihre Augen funkeln sehen. „Du musst eine Entscheidung treffen. Ich kann das Kind retten, wenn ich es ihr aus dem Bauch schneide … doch deine Frau ist verloren. Wenn sie es nicht schafft, euer Kind zu gebären, wird sie den nächsten Tag nicht erleben.“ Die Stimme der Wehfrau war nur ein Flüstern. „Vielleicht besser für sie.“ Ihr Blick wanderte wieder Richtung Binsenmatte. Nun konnte Memi auch in ihren Augen Angst aufflackern sehen. „Vielleicht ist es besser, wenn beide sterben. Nichts Gutes kann entstehen in dieser unglücksverheißenden Stunde.“

In diesem Augenblick schrie Wahit erneut auf. Ihr Schrei drang Memi bis in sein Herz.

Nein! Das konnten die Götter nicht wollen! Wahit hatte ihnen regelmäßig Opfer auf ihrem Hausaltar dargebracht, sie war eine gute Frau! Er griff nach ihrer Hand. „Du musst kämpfen, Wahit! Ich bitte dich, um deinet- und um meinetwillen … und für das Kleine!“

Als hätten seine Worte sie irgendwo an einem Ort erreicht, an dem Wahit bereits aufgegeben und sich in ihr Schicksal gefügt hatte, spannte sich ihr Leib an. Sie begann erneut zu pressen und zu schreien – dieses Mal mit einer Gewalt, dass Memi glaubte, ihr Leib müsse zerspringen.

Dann – ganz plötzlich – glitt etwas aus ihr heraus, und fiel zwischen die Lehmziegel. Memi starrte auf das blutige Etwas. Es regte sich nicht.

„Thoeris sei gedankt. Sie hat es geschafft!“, hörte er die alte Wehfrau rufen, die nach dem leblosen Kind griff und es hochnahm, um es in ein Tuch zu hüllen. „Jedoch...