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Mein verficktes Jahr - Wie ich mit 40 den Sex noch mal neu entdeckte

Mona Rausch

 

Verlag mvg Verlag, 2014

ISBN 9783864156557 , 208 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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11,99 EUR

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Erste Gehversuche als Triebtätige


Wie ich auf der Homepage eines Pornokinos landete, kann ich im Nachhinein nicht mehr genau sagen. Pornokinos, wie man sie so kennt, sind eine Art Tagesstätte für Männer, die sich im Rhythmus der oral, vaginal und anal trainierten Darsteller auf der Leinwand einsam einen abschütteln. Den spermatriefenden Sesseln nähert man sich allenfalls mit Plastikunterlage, und in allen Räumlichkeiten gilt die unausgesprochene Regel »Don’t touch anything but yourself«.

Als Studentin hatte ich mich einmal in ein sogenanntes Blue Movie gewagt, ein Kino, in dem die eindeutigen Szenen als Endlosschleife vorgeführt wurden. In gepflegter Runde – mit meiner besten Freundin, ihrem und meinem Freund – saßen wir auf den durchgewichsten Sesseln und vermiesten dem Restpublikum den voyeuristischen Genuss mit lautem Gekicher, Kommentaren und vielen Bähs und Ähs, bevor wir wieder Zuflucht in unseren Kuschelbeziehungen suchten. Damals war Pornografie noch etwas Ekliges, das die Lust eher schmälerte als den Appetit weckte. Und Internet war zu der Zeit noch gar nicht erfunden. Erst in den letzten Jahren sind ja Kanäle entstanden, die uns die Welt der Pornografie näherbringen und auf diese Weise jedem, der es wissen will, vor Augen führen, was der Mensch im Bett (und an so ziemlich jedem anderen denkbaren Ort) sexuell zu leisten vermag. Theoretisch zumindest.

Das gepflegte Pornokino von heute hatte, damit einhergehend, einen elementaren Evolutionsschub durchlaufen. Es war offenkundig eine Stätte der Toleranz und Freizügigkeit, vergleichbar mit einem Swingerclub. So positionierte sich zumindest die »Lustoase«, das Etablissement, auf dessen Homepage ich gelandet war. Die »Lustoase« war allem Anschein nach ein Ort der Begegnung von Wichsern und Spannern, von Pärchen und allein cruisenden Herren. Frauen konnten sich hier in aller Öffentlichkeit präsentieren und beim Sex eine gewisse Bühnenerfahrung sammeln. Es gab zudem einen Shop, in dem man alles Mögliche erstehen konnte, was zum klassischen Lustgewinn benötigt wurde. In den angrenzenden Kinos konnte man Filme ansehen und anschließend in abgeschlossenen Räumen in aller Öffentlichkeit angestaute Lust sofort abbauen. Hierfür gab es einen eigens geschaffenen, vom üblichen Kinogeschehen abgeschiedenen Bereich.

Einen Pornofilm anschauen, Sex haben und sich dabei noch beobachten lassen – das waren ja gleich drei aufregende Dinge auf einmal. Ein erotisches Überraschungsei quasi, mit Spiel, Spannung und (weißer!) Schokolade. Diese Möglichkeit der lustvollen, frivolen Unterhaltung entfachte meine schmutzige Fantasie enorm. Gierig klickte ich weiter durch die Seiten und fand eine Art Gästebuch, in dem Gäste und solche, die es werden wollten, Nachrichten hinterlassen konnten.

»Bin heute Abend im Kino. Welche geile Sie oder geiles Paar hat Lust?«, lautete der hoffnungsvolle Appell von Stefan_geil.

Dieter48 war da weniger wählerisch, er bot seine Dienste wie folgt an: »Habe am Donnerstag vor, ins Kino zu gehen, hat jemand Lust, mich da zu treffen?

Bin so gegen 17 Uhr da, lecke gerne oder blase auch Schw... oder kommt vielleicht mal eine Frau dahin, die Lust hat, mal geleckt zu werden.«

Anscheinend ist im Pornokino von heute nicht nur Zuschauen, sondern auch Anfassen stärkstens erwünscht. Der Kinobesucher ist also dankbares Publikum und Mitspieler gleichzeitig. Auch homosexuelle Orientierung wird hier toleriert, so entnahm ich zumindest weiteren Beiträgen.

»Möchte meinen Schwanz ins Glory Hole stecken. Wer bläst? Adonis.«

»Komme morgen zum Wichsen ins Kino, wer mag zuschauen?«

Einmal pro Woche fand im Kino ein Pärchenabend statt, und das Gästebuch diente hierzu als Tauschbörse: »Molliges Paar sucht Gleichgesinnte für wildes Durcheinander«, hieß es da oder: »Welche Sie begleitet mich am Freitag zum Pärchenabend?«

Dann gab es noch die Fortgeschrittenen in Sachen Abenteuerlust, die alles andere als zimperlich waren. »Werde am Sonntagmittag im Kino mal wieder meine Ehestute vorführen. Die Stute wird anschließend zum Abficken freigegeben. Hoffentlich sind viele geile Jungs da.«

Das Ganze war eine regelrechte Vorher-nachher-Show, denn das Gästebuch wurde auch genutzt, um erbrachte Leistungen anzuerkennen und sich dafür zu bedanken.

»Ich wollte nur sagen, dass die GB-Party heute echt geil war. Ich konnte schön meinen Saft auf Dany verteilen. Ich komme auf jeden Fall wieder ... *geilegrüße*«

»Danke an das nette Paar, das am Mittwochnachmittag den Gang-Bang veranstaltet hat. Die süße Kleine ist wirklich hübsch und hat gut durchgehalten! Gratuliere zu dieser schwanzgeilen Frau. Während ich da war, hat sie mit ihrer süßen, rasierten Fotze mindestens 20 Männer aller Altersklassen befriedigt. Komme gerne wieder!«

Es gibt Menschen, die verlassen sich bei Entscheidungen auf ihr Bauchgefühl. Bei mir fiel die Entscheidung in diesem Fall ein Stockwerk tiefer: Das will ich auch, diktierte mir mein Unterleib. Plötzlich war ich voller Tatendrang und hatte den Eindruck, alle Menschen glitten auf einer erotischen Rutschbahn durchs Leben, während ich auf dem Trockenen saß.

Immer noch konnte ich nicht sagen, woher die Wucht meines Verlangens kam. Noch nie im Leben hatte ich ein derartig starkes Bedürfnis verspürt. Ich stamme eigentlich aus einer prüden Familie, in der Nacktsein an sich schon ein Delikt darstellte und die Existenz einer Welt jenseits des Gürtellinienäquators schlicht geleugnet wurde. Wenn wir in den Ferien Stadt, Land, Fluss spielten, das klassischerweise dann noch um andere Kategorien wie etwa Tiere, Baudenkmale oder Körperteile erweitert wurde, und es zum unheilvollen Buchstaben P kam, verzichtete man in der Kategorie Körperteile lieber auf die begehrten Punkte, als so etwas Unheilvolles wie Po oder Penis zu Papier zu bringen. Lieber schrieb jeder brav Pupille auf und kassierte dafür nur die halbe Punktzahl.

Später kamen erste Softpornokontakte in Form von heimlich unter der Schulbank herumgereichten Schmuddelheftchen hinzu, während wir oberhalb der Schulbank im Sexualkundeunterricht gähnten. Die 1983 im deutschen TV ausgestrahlte Zieh-dich-aus-Produktion Tutti Frutti, sozusagen die Ursuppe öffentlich-erotischer Fernsehunterhaltung, machte auch nicht gerade neugierig auf mehr.

Auf die typischen ersten Schwitz- und Tatschannäherungen ans andere Geschlecht, bei denen man auf Klassenpartys in erster Linie ausprobierte, wie tief die Zunge in die gegnerische Kehle passte, folgten dann einige ernsthafte Beziehungsversuche. Die Stadien von großer Liebe bis kleinlauter Trennung absolvierte ich mehrmals im Schnelldurchlauf, bis ich schließlich Paul traf. Paul entschleunigte mein Gefühlsleben. Wir lernten uns im Studium kennen und waren fortan zusammen. Die große Liebe hielt sehr lange.

Das große Begehren hingegen besaß eine niedrigere Halbwertszeit. Manche Paare bringen ja verbrauchte Energie zurück, indem sie sich für Gruppenerlebnisse etwa in Swingerclubs öffnen. Und auch wir hatten ab und zu schon eine Fernsehreportage bekichert, die über diese irgendwo in deutschen Wäldern und Wohnsiedlungen angesiedelten Do-it-yourself-Oasen zum Anfassen und Mitmachen berichteten. Doch niemals hätten Paul und ich es in Erwägung gezogen, unser Liebesleben auf einer öffentlich begehbaren Matratzenspielwiese wiederzubeleben. Nun, er zumindest hatte ja einen Weg zum Ausgleich seines Hormonhaushaltes gefunden. Ich musste noch suchen. Und als ich auf die bunt bebilderte Homepage der »Lustoase« starrte, sagte mir mein Gefühl, dass ich der Sache schon ein ganzes Stück näher gekommen war.

Auch ich konnte heißen außerehelichen Verkehr haben. Spontanes Austoben war in greifbare Nähe gerückt. Der Gedanke daran war unglaublich aufregend und kribbelte. Meine Fantasie ging dermaßen mit mir durch, dass ich ihrer in reiner Heim- und Handarbeit nicht mehr Herr wurde. Es drängte mich nun hinaus in die freie Wildbahn. Ich wollte endlich nachholen, was ich jahrelang verpasst hatte. Auch wenn das unter Umständen bedeutete, einer Horde Lustmörder in der letzten Kinoreihe zum Opfer zu fallen.

Ich beschloss, zunächst einmal den sündigen Ort zu inspizieren, unauffällig und bei Tageslicht. An einem Sonntagnachmittag unternahm ich daher eine Spazierfahrt der etwas anderen Art. Das Kino befand sich zwischen türkischen Geschäften und Telefonshops. Als ich die grellbunte Neonschrift der »Lustoase« entdeckte, trat ich vor Schreck abrupt auf die Bremse. Hinter mir Reifenquietschen und empörtes Hupen. Sofort drückte ich aufs Gaspedal und machte nun selbst mit quietschenden Reifen, dass ich wegkam. Die »Lustoase« sah aus wie ein ganz normales schmuddeliges Kino und lag damit meinen Fantasievorstellungen diametral entgegengesetzt. Wirklichkeit hatte Fantasie eingeholt und mich gründlich ernüchtert. Die Idee von spontaner Befriedigung war plötzlich gestorben.

Zumindest für ein paar Tage. Dann übernahm meine Lust wieder das Kommando. Jetzt war es gerade der schäbige Bodensatz, der mich erregte. Gerade der Kontrast zu meiner sonstigen Lebenswelt, der meine Fantasie anfachte. Also setzte ich mich hin, formulierte mühevoll einen Text, holte tief Luft und jagte meinen Appell schließlich mittels Enter-Taste mitten hinein ins WorldWideWet im Allgemeinen und auf die Gästebuchseite der »Lustoase« im Besonderen. »Attraktive Lady sucht Begleitung für die Mittagspause.« So lautete mein ambitioniertes Anliegen. Absender: »Amanda«. Das klang so schön nach dreckigem 70er-Jahre-Discosound.

Grrr, im Geiste sah ich mich schon mit unbekannten Fremden unter...