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Unternehmen Overlord - Die Invasion in der Normandie und die Befreiung Westeuropas

Peter Lieb

 

Verlag Verlag C.H.Beck, 2014

ISBN 9783406660726 , 254 Seiten

Format PDF, ePUB, OL

Kopierschutz Wasserzeichen

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12,99 EUR

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1. Prolog
Zwei Gefechte in einer gigantischen Schlacht


1.1. Das Widerstandsnest 62 am Omaha Beach, 6. Juni 1944


„Herr Unteroffizier, Leutnant Bauch will Sie sprechen!“ Verschlafen nahm Unteroffizier Förster dem Gefreiten den Hörer ab. Noch bevor er etwas sagen konnte, tönte es ruhig vom anderen Ende der Leitung: „Die Armee hat Alarmstufe II befohlen. Sie wissen, was das für Ihr Widerstandsnest heißt.“ Förster wusste natürlich, was sein Kompaniechef Bauch meinte. Es war die höchste Alarmstufe. In den letzten Wochen hatte es allerdings bereits mehrmals falschen Alarm gegeben. Ob nun dieses Mal wirklich die lang erwartete Landung der Briten und Amerikaner in Frankreich kurz bevorstand? Zweifel schienen angebracht, denn das Wetter war schlecht. Es war bewölkt, manchmal fielen sogar ein paar Tropfen Regen. Bauch konnte auch nichts Genaueres zur Feindlage sagen. Feindliche Bomberströme flogen zwar am Himmel, aber auch das war seit Wochen ein gewohntes Spektakel. In Abwesenheit des eigentlichen Kommandanten, Leutnant Claus, sowie seines Stellvertreters befahl Förster den gut 20 Mann im Widerstandsnest 62 ihre Stellungen zu beziehen. Sie gehörten zur 3. Kompanie des Grenadier Regiments 726. In der nächsten Stunde erschien auch der Chef der 1. Batterie des Artillerie Regiments 352, Oberleutnant Bernhard Frerking, mit einem Vorgeschobenen Beobachter (VB) seiner Batterie sowie dem dazu gehörigen Trupp. Der VB sollte bei einer feindlichen Landung das Artilleriefeuer am Strand leiten. Insgesamt waren nun 31 Mann im Widerstandsnest 62.

Dieses Widerstandsnest 62 war eine imposante Bunkeranlage, hier am Plage d’Or in der Normandie. Maschinengewehrstellungen, Granatwerfer, zwei 50 mm Panzerabwehrkanonen sowie vor allem zwei tschechische 75 mm Geschütze in massiven Kasematten bildeten sein Waffenarsenal. Umgeben war die Anlage von hunderten Metern Stacheldraht, einem Panzergraben, Minenfeldern sowie vor allem Stahl- und Betonhindernissen am Strand 100 Meter weiter unten. Vor wenigen Monaten, am 29. Januar 1944, war sogar Generalfeldmarschall Erwin Rommel zur Inspektion da gewesen, hatte sich aber über den Zustand der Verteidigungsanlagen sehr unzufrieden gezeigt. In den folgenden Wochen waren die Befestigungen zwar in aller Eile stark verbessert worden, doch fertig waren sie an jenem 6. Juni noch nicht. Auch der Kompaniechef war erst vor sechs Wochen ausgetauscht worden. Leutnant Edmond Bauch, der Ostfront-Veteran, hatte Hauptmann Ottemeyer abgelöst. Ottemeyer war zwar ein hoch dekorierter Offizier aus dem Ersten Weltkrieg gewesen, hatte jedoch hier in der Normandie über all die Besatzungsjahre kaum mehr Energie und Tatkraft versprüht.

Entlang der französischen Küste hatten die Deutschen mithilfe der Organisation Todt den „Atlantikwall“ mit hunderten solcher Widerstandsnester angelegt. An dem sechs Kilometer langen und landschaftlich sehr reizvollen Plage d’Or gab es 14 solcher Anlagen verschiedenster Größe, durchnummeriert von 60 bis 73. Das Widerstandsnest 62 war das stärkste. 600 Meter weiter rechts lag auf einer Höhe das Widerstandsnest 60, das den östlichen Abschluss des Strandes bildete. Nur etwa 200 Meter entfernt, rechts vorne im Taleinschnitt und direkt am Strand, lag das Widerstandsnest 61 mit einer gefürchteten „Acht-Acht“. Diese 8,8 cm Flak konnte fast den gesamten Strand entlang Ziele direkt bekämpfen. Durch die Talsenke führte eine kleine Straße 800 Meter landeinwärts zum Dorf Colleville-sur-Mer, wo Leutnant Bauch im Widerstandsnest 63 seinen Gefechtsstand hatte. Obwohl es sich in diesem Gelände eigentlich angeboten hätte, lagen auf dem gegenüberliegenden Talhang keine deutschen Stellungen. Personalmangel zwang zur Improvisation. Alle Widerstandsnester waren personell weit unter ihrer eigentlichen Stärke besetzt und zudem oft mit Beutewaffen ausgerüstet.

Die Männer des Widerstandsnests 62 standen nun in ihren ausgebauten Stellungen und warteten. In der Dunkelheit war nichts zu sehen, ruhig lag das Meer vor ihnen. Doch dann im Morgengrauen tauchten viele kleine Punkte am Horizont auf. Zunächst ganz klein, dann immer deutlicher. Es waren zweifellos feindliche Schiffe. Um kurz vor 5 Uhr begann dann das Inferno. Feindliche Schiffsartillerie ließ einen halbstündigen Hagel auf die deutschen Verteidigungsstellungen niedergehen. Steine, Erdreich und Staub wirbelten durch die Luft, wie es selbst die kampferfahrenen Veteranen von der Ostfront noch nie erlebt hatten. Die Granateneinschläge erschütterten selbst die massivsten Bunkeranlagen im Widerstandsnest 62. Zwischendurch flog ein riesiger Strom von amerikanischen B-24 Bombern über den Strand hinweg, doch ihre Bomben verfehlten das Ziel und landeten etwa zwei Kilometer weiter im Hinterland.

Als der Bombenhagel um etwa Viertel nach 5 Uhr beendet war und Unteroffizier Förster die Verluste in seinem Widerstandsnest zählte, stellte er zu seiner Überraschung fest, dass alle Mann das Bombardement überlebt hatten. Allerdings war die Fernsprechleitung zu seinem Vorgesetzten, Leutnant Bauch, durchtrennt. Die Kommunikation musste nun durch Läufer erfolgen. So hatte Förster auch gar nicht erfahren, dass wenige Kilometer westlich Geräusche von der See her gemeldet worden waren, vermutlich Schiffseinheiten. Doch auch so eröffnete sich für die Männer ein beeindruckendes, aber auch furchterregendes Bild. Eine riesige Armada war auf See zu sehen. Die ersten 60 bis 80 Landungsboote näherten sich rasch der Küste, dahinter waren größere Schiffe zu erkennen: Schlachtschiffe, Kreuzer, Zerstörer.

Es war also endlich so weit, die lang erwartete alliierte Invasion hatte begonnen! Nun gab es für die Männer in ihren Widerstandsnestern am Plage d’Or nur noch eines: Den gelandeten Feind so lange mit allen Waffen am Strand bekämpfen, bis Verstärkungen von weiter hinten eintrafen. Der Kampfauftrag war ihnen immer wieder eingehämmert worden: „Landung des Feindes verhindern, gelandeten Gegner vernichten, Widerstandsnest verteidigen bis zum letzten Mann.“ Ein Rückzug war praktisch nicht möglich, die Aufgabe des Stützpunktes strengstens verboten. Bauch und die anderen Offiziere hatten vor einigen Wochen sogar unterschreiben müssen, dass sie bis zur letzten Patrone die Widerstandsnester verteidigen würden.

Förster sah auf die Uhr: Kurz vor halb sechs. Unten am Strand gingen jetzt die ersten feindlichen Soldaten an Land. Trotz des Nebels, den der Feind geschossen hatte, erkannte Förster an den Helmkonturen, dass es sich um amerikanische Soldaten handelte. Es waren offenbar Pioniere, die sich unten beim Widerstandsnest 61 daran machten, die deutschen Strandhindernisse zu beseitigen. Feuererlaubnis hatte Förster seinen Männern schon längst erteilt, und so mähten die deutschen Maschinengewehre die feindlichen Soldaten massenweise nieder.

Nur wenige Minuten später landete eine weitere, viel größere Welle an Landungsbooten zwischen den Widerstandsnestern 60 und 62. „Auf die aufgehenden Laderampen halten“, schrie Förster seinen Soldaten zu. An einen geleiteten Feuerkampf war aber nicht mehr zu denken, jeder seiner Landser feuerte wild in die feindliche Menge. Daneben schlugen immer wieder Artillerie- und Mörsergranaten ein. Der VB machte seine Arbeit gut. Die Amerikaner mussten von ihren Landungsschiffen gut 100 Meter über den freien Stand laufen, bis einige von ihnen hinter einem kleinen Erdwall verschwanden, wo die deutschen Waffen nicht wirken konnten. Doch auf diesen 100 Metern lagen zwischen den Strandhindernissen schon Dutzende, wenn nicht sogar schon Hunderte gefallene Gegner, wie Förster im Rauch und Nebel schätzte. Außerdem irrten einige angelandete Sherman-Panzer orientierungslos umher. Sie waren bisher noch keine Gefahr, doch die feindliche Schiffsartillerie hämmerte nun mit Präzision auf die deutschen Stellungen und verursachte empfindliche Verluste im Widerstandsnest 62.

Doch nicht nur dort: Ein Zufallstreffer hatte bereits um 7.15 Uhr die 8,8 cm Kanone im Widerstandsnest 61 zum Schweigen gebracht. Damit waren die Deutschen in diesem Verteidigungssektor ihrer stärksten Waffe beraubt, die Talsenke Richtung Colleville für den Feind offen. Zwar wüteten noch immer die deutschen Waffen schrecklich am Strand, wo nun schon mehrere hundert tote Amerikaner lagen. Doch schon landete eine neue große Welle mit feindlichen Landungsbooten direkt vor dem Widerstandsnest 62 an. Es war 9 Uhr, seit über zweieinhalb Stunden standen die Landser im heftigsten Verteidigungskampf. Die eigene Linie begann jetzt aber zu bröckeln. Förster erhielt Meldung, dass einige Widerstandsnester weiter links von ihm in Feindeshand gefallen waren. In der Tat sah er dort amerikanische Infanterie die Höhen erstürmen und in Richtung Colleville vorrücken. Seine linke Flanke war damit offen und es bestand die Gefahr, dass sein Widerstandsnest 62 nun von hinten angegriffen würde. Auch beim Widerstandsnest 60 ganz rechts war der Feind eingedrungen, konnte aber im Gegenstoß wieder zurückgeworfen werden (bis heute steht in fast allen Büchern über den Omaha-Beach fälschlich, das Widerstandsnest 60 sei um 9 Uhr als erstes komplett in amerikanische Hände gefallen). Auch im Widerstandsnest 62 waren bereits amerikanische Soldaten eingedrungen, konnten aber...