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Heliosphere 2265 - Band 16: Freund oder Feind? (Science Fiction)

Andreas Suchanek

 

Verlag Greenlight Press, 2014

ISBN 9783944652696 , 136 Seiten

Format PDF, ePUB, OL

Kopierschutz Wasserzeichen

Geräte

2,49 EUR


 

 

*

 

„Und Sie glauben wirklich, dass Sie ihm helfen können?“, fragte Jana Tauser.

Mittlerweile waren zwei Tage vergangen. Ich hatte recherchiert, kaum geschlafen und war völlig übermüdet. Es gab nur einen Ort, an dem ich die notwendige Technologie finden konnte, dem Jungen zu helfen. Die anderen flogen ständig mit ihren Raumschiffen durch die Gegend, waren nur selten auf Terra. Ich musste in das Labor, das Anika in Neu Berlin aufgebaut hatte. Dort gab es zweifellos die Mittel, den Jungen zu retten.

„Ich hoffe es, Jana“, sagte ich. „Versprechen kann ich natürlich nichts.“

„Ich weiß.“ Sie schaute mich aus ihren gütigen Augen an und lächelte. „Komm mit, ich möchte dir etwas zeigen.“

Obwohl die Zeit drängte, folgte ich ihr ins Atelier. Es befand sich auf dem ausgebauten Speicher des Hauses. Das Dach bestand aus Stahl, der transparent geschaltet werden konnte. So hatte sie immer genug Licht.

„Das hier ist für dich“, sagte sie.

An der Wand hing ein kunstvoll gearbeitetes Stück aus Gold. Es war oval und mit kleinen Einkerbungen verziert. Tamara hatte die Worte 'E Pluribus Unum' eingraviert.

„In der Vergangenheit hat dieser lateinische Satz oftmals große Bündnisse und Regierungen geprägt“, sagte sie und ich begriff, woher Janis sein Wissen hatte. „Mein Vater hat den Spruch zu unserem Familienmotto gemacht. Es heißt auf Terranisch 'Aus vielen eines.' Für mich bedeutet es, dass jeder von uns, mag er auch allein durchs Leben ziehen, in der Familie zu einem großen Ganzen wird. Du gehörst für mich zu unserer Familie, Carl.“

Sie drückte mir sanft die Schulter, dann wandte sie sich um und ging. Ich war ihr dankbar dafür, denn so war ich mit meinen Tränen alleine. Das Schild begleitet mich noch heute.

 

*

 

Gemeinsam mit Janis flog ich nach Neu Berlin. Es war ein Leichtes, gemeinsam mit ihm in das Labor einzudringen. Anika und Piere hatten das Gebäude gut gesichert, doch im zentralen Verwaltungscluster war meine Zugangsberechtigung noch immer eingetragen. Ich achtete natürlich darauf, das Zugriffslog zu löschen, nachdem wir drin waren.

Ich atmete auf, als ich endlich den medizinischen Bereich fand und Janis die erste Injektion verabreichen konnte. Dreißig Minuten später öffnete er die Augen.

„Es hat also funktioniert“, sagte er.

„Ja“, sagte ich.

Nur um fünfzehn Minuten später in die endgültige Verzweiflung zu stürzen. Die Metastasen im Blut des Jungen mutierten rasend schnell, weil das Immunsystem verrücktspielte, die Naniten hatten keine Chance.

Das traf mich aus dem Hinterhalt und ich wusste einfach nicht, was ich tun sollte oder konnte. Der Pragmatiker war Janis selbst.

„Du kennst den Lebensweg - meinen Lebensweg - in deinem Zeitverlauf?“

Ich nickte, nur um im nächsten Augenblick zurückzurudern. „Zumindest die großen Errungenschaften. Die Ereignisse, durch die er, also du, bekannt wurde.“

„Dann gibt es nur eine Lösung, wenn du nicht willst, dass Tausende sterben.“

Ich verstand kein Wort.

„Du musst meinen Körper nach meinem Tod heilen – wenn mein Immunsystem heruntergefahren ist – und dann übernehmen. Stelle meinen Lebensweg so genau, wie nur möglich nach.“

„Was?!“ Der Gedanke war völlig abwegig. Ich wollte nie mehr den Körper tauschen. Dieses Leben, das von Carl, sollte mein Letztes sein. „Auf keinen Fall.“

„Es geht hier nicht um dich oder mich“, sagte der Junge in seiner verdammten altklugen Art. „Es geht um viele Leben, die Leben unschuldiger. Es gibt niemanden, der auf sie achtgibt. Du bist der Einzige. Du wirst natürlich noch mal studieren müssen, du musst auf dem Gebiet der Genetik und der angewandten Wissenschaften - Fachgebiete übergreifend - besser werden.“

Er machte tatsächlich schon Pläne.

„Ich kann nicht. Es tut mir leid, aber das käme mir vor wie Betrug. Und deine Eltern ... Grundgütiger, nein.“

„Du weißt ebenso gut wie ich, dass du gar keine Wahl hast. Du bist Teil dieses Spiels, warst es von dem Moment an, als ihr in den Tunnel geflogen seid. Willst du nun danebenstehen und nichts tun?“

Ich wusste nicht mehr weiter. Am Ende stimmte ich zu. Wir sprachen über sein bisheriges Leben, seine Wünsche und Sehnsüchte, während er langsam wegdämmerte. Ich saß neben seinem Bett, das Gesicht in den Händen vergraben und wusste, wenn ich das nächste Mal aufsah, wäre er fort.

Eine Erinnerung, die ich erst vor wenigen Stunden wieder durchleben musste. Es war mein ganz persönlicher Albtraum, der mich dank der Waffe des Imperiums erneut gefangen nahm. Aber ich schweife ab. Janis starb.

Ich injizierte einen leicht veränderten Nanitenstamm und sah auf einem Monitor dabei zu, wie die Metastasen entfernt und die Organe vor einem Absterben geschützt wurden. Bei seinem Gehirn sah die Sache anders aus. Ich konnte das Organ als Ganzes schützen, nicht aber die Erinnerung, sein Wesen.

Und so geschah es.

Ich nahm ihn auf und trug ihn in den Raum mit der Körperwechselmaschine. Dreiundzwanzig Minuten nachdem er gestorben war, übernahm ich seinen Körper.

Und mein Leben begann schon wieder von neuem.

Was ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht wusste, war, dass ich keineswegs den vorgezeichneten Weg gehen würde. Stattdessen hielt das Schicksal etwas anderes bereit, was mich schlussendlich auf verschlungenen Pfaden zu einem weiteren Opfer von Anika, Piere und Richard führen sollte.

Ein anderer Junge, dessen Leben schon sehr früh von dem Jahrhundertplan überschattet wurde.

Jayden Cross.

 

*

 

Alzir-System, NOVA-Station, Büro von Santana Pendergast, 01. März 2267, 11:55 Uhr


 

Es dauerte nur einen Augenblick, dann erschien das Gesicht von Doktor Isaak auf dem 3D-Monitor. Der Chefarzt der NOVA-Station lächelte. Er war generell immer gut gelaunt und obendrein fachlich mehr als kompetent. Santana mochte ihn und war froh darüber, dass er vor der Zerstörung der HYPERION auf die Station gewechselt hatte.

„Admiral, was kann ich für Sie tun?“, fragte er.

Sie blinzelte die Tränen beiseite und sagte: „Ich komme gleich auf der Krankenstation vorbei, Doktor.“

„Das will ich doch hoffen. Sie sehen schrecklich aus.“

Sie blinzelte.

„Es ist vermutlich keine große Sache, eine allergische Reaktion auf die Orchideen.“ Beinahe hätte sie gelächelt. Exakt das war ihr Plan gewesen, der bis hierher ausgezeichnet funktionierte.

„Ich habe Ihnen schon gestern gesagt, dass Ihr Depot-Chip aufgefüllt werden muss.“

Santana versuchte sich an einem Lächeln. „Sie wissen doch, wie das ist, Doktor, es gibt immer zu viel zu tun.“ Wieder blinzelte sie. Jetzt kommt’s drauf an...

„Ja, das höre ich ständig“, sagte Isaak mit einem Stöhnen. „Zu viel zu tun. Ich habe es vergessen. Sorry, Doktor, aber das lässt sich doch bestimmt einfach fixen. Wirklich Doc, der Hund wollte nur spielen.“

Santana zog die Nase hoch und blinzelte. „Bitte?“

Er winkte ab. „Bewegen Sie sich hierher, meine Schicht endet in zwanzig Minuten. Zack, zack.“ Damit beendete er die Verbindung.

Perfekt. „Ich bin auf dem Weg“, sagte sie zu dem deaktivierten Monitor.

Sie erhob sich und verließ ihr Büro. Während sie durch die Gänge streifte, den Lift benutzte und mechanisch den Offizieren zunickte, denen sie begegnete, kribbelten ihre Handflächen. So sehr sie auch Stress und Momente der Entscheidung gewohnt war, so wenig konnte sie die Symptome, die sie mit sich brachten, unterdrücken. Die Frage war nur, ob irgendwo gerade jetzt der unbekannte Killer auf einen Monitor schaute und ihren Pulsanstieg korrekt deutete. Falls ja, konnte ihr Plan schneller scheitern als gedacht.

Es ist zu spät, noch umzukehren, dachte sie dann.

Sie betrat die Krankenstation, wo Doktor Isaak schon auf sie wartete.

„Setzen“, befahl er in gespielt ernstem Ton.

„Sie werden jetzt aber nicht handgreiflich, ja?“

„Das habe ich noch nicht entschieden“, sagte er. „Was haben Sie sich nur dabei gedacht?“

„Wissen Sie, wann ich das letzte Mal an einer Orchidee gerochen habe?“ Sie schaute ihn von unten an und ließ ihre Brauen in die Höhe wandern. „Ich habe einfach nicht mehr an diese verfluchte Allergie gedacht. Ich diene seit Jahren auf Raumschiffen, da wachsen derartige Gewächse nicht an der nächsten Ecke.“

Isaak nickte. „Schon gut. Ich hätte daran denken sollen, Ihren Chip bei der ersten Untersuchung wieder aufzufüllen.“ Er fuhr mit einem stiftartigen Gerät über ihren Oberarm. Sie spürte nichts, als er den Druckpin an jene...