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Verhext - Die Chronik des Eisernen Druiden 2

Kevin Hearne

 

Verlag Klett-Cotta, 2014

ISBN 9783608106619 , 362 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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9,99 EUR

Für Firmen: Nutzung über Internet und Intranet (ab 2 Exemplaren) freigegeben

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1


Du brauchst nur einen Gott zu erschlagen, und schon wollen plötzlich alle möglichen Leute mit dir reden. Paranormale Versicherungsvertreter mit speziellen »Gottesschlächter«-Lebensversicherungen. Scharlatane mit Rüstungen, die hundertprozentigen Schutz gegen Götter bieten sollen, und mit Mietangeboten für außerweltliche Geheimverstecke. Vor allem aber andere Götter, die dir erstens zu deiner Tat gratulieren, dich zweitens davor warnen, je solche Scherze mit ihnen zu versuchen, und dir zu guter Letzt nahelegen, doch einen ihrer Rivalen zu erschlagen – nur so zum Spaß, versteht sich.

Kaum hatte es sich in den diversen Götterwelten herumgesprochen, dass ich nicht nur einen, sondern gleich zwei der TUATHA DÉ DANANN ausgeschaltet hatte – und den mächtigeren der beiden sogar in die christliche Hölle geschickt hatte –, da erhielt ich Besuche von zahlreichen Potentaten, Herolden und Botschaftern der meisten Glaubenssysteme dieser Erde. Alle wollten, dass ich sie in Ruhe ließ, mich stattdessen aber mit jemand anderem anlegte. Und wenn ich diese sie seit Ewigkeiten plagende Pestbeule erst entfernt hätte, würde mir eine Belohnung winken, die meine kühnsten Träume übersteige, Blablabla, Rhabarber, Rhabarber.

Die ganze Geschichte mit den Belohnungen war natürlich ein Riesenmumpitz, um es mal so zu formulieren. BRIGHID, die keltische Gottheit der Dichtkunst, des Feuers und der Schmiede, hatte mir beispielsweise eine Belohnung dafür versprochen, dass ich AENGHUS ÓG unschädlich machte. Aber seit ihn vor drei Wochen der Tod mit in die Hölle genommen hatte, hatte ich noch kein einziges Wort von ihr gehört. Alle anderen Götter der Welt meldeten sich bei mir, aber nicht meine eigenen. Es herrschte das sprichwörtliche Schweigen im Walde.

Die Japaner wollten, dass ich den Chinesen eins auswischte, und umgekehrt. Die alten russischen Gottheiten schlugen vor, ich solle es den Ungarn heimzahlen. Die Griechen forderten in einem bizarren Anfall von Selbstverleugnung und blinder Eifersucht, dass ich ihre römischen Nachahmer vom Sockel stieß. Und am allermerkwürdigsten waren diese Kerle von den Osterinseln, für die ich mich mit irgendwelchen verrotteten Totempfählen in der Gegend von Seattle herumschlagen sollte. Aber alle – zumindest meinem persönlichen Gefühl nach waren es alle – wollten, dass ich, sobald es meine Zeit zuließ, THOR erschlug. Vermutlich hatten sie die Nase gründlich voll von seinen Späßen.

Am lautesten forderte Letzteres mein eigener Anwalt, Leif Helgarson. Er war ein alter isländischer Vampir, der wohl in längst vergangenen Tagen THOR verehrt hatte. Doch aus Gründen, die er mir gegenüber nie erwähnt hatte, hegte er inzwischen einen abgrundtiefen Hass gegen ihn. Leif kümmert sich um meine Rechtsangelegenheiten, trainiert regelmäßig mit mir, um meinen Schwertarm in Form zu halten, und bekommt dafür gelegentlich einen vollen Becher von meinem Blut als Bezahlung.

Ich traf ihn in der Nacht nach Samhain überraschend auf meiner Veranda an. Es war ein kühler Abend in Tempe, und ich war bester Laune, weil es viele Dinge gab, für die ich dankbar sein konnte. Während am Abend zuvor die amerikanischen Kinder das beliebte Halloween-Ritual Süßes oder Saures vollzogen hatten, hatte ich bei meinen eigenen privaten Zeremonien der MORRIGAN und BRIGHID viel Aufmerksamkeit gewidmet. Außerdem hatte ich dabei die angenehme Gesellschaft einer Druidennovizin genossen, deren Ausbildung mir oblag. Granuaile war rechtzeitig zu Samhain aus North Carolina zurückgekehrt, und obwohl wir beide nicht im eigentlichen Sinn einen Druidenzirkel bildeten, hatte ich die heilige Nacht schon seit vielen hundert Jahren nicht mehr so genossen. Ich war der letzte echte Druide auf der Welt, und allein die Vorstellung, nach langen Zeiten als Einzelkämpfer endlich wieder einen Zirkel gründen zu können, erfüllte mich mit Hoffnung. Daher fiel meine Antwort auf Leifs eher formelle Begrüßung, mit der er mich bei meiner Rückkehr von der Arbeit von meiner Veranda aus willkommen hieß, vielleicht etwas zu überschwenglich aus.

»Leif, du grusliger alter Bastard, wie zur Hölle geht’s dir?« Ich grinste breit, während ich mein Mountainbike scharf abbremste und zum Stehen brachte. Er hob die Augenbrauen, musterte mich herablassend über seine lange nordische Nase hinweg, und mir wurde bewusst, dass er eine derart nonchalante Ansprache wohl nicht gewohnt war.

»Ich bin kein Bastard«, erwiderte er trocken. »Gruselig, das sei dir zugestanden. Und während ich mich durchaus wohl befinde« – einer seiner Mundwinkel hob sich minimal –, »so muss ich doch bekennen, dass du mich an Frohsinn bei weitem überbietest.«

»Frohsinn?« Nun hob ich die Augenbrauen. Leif hatte mich früher darum gebeten, ihn auf gewisse Verhaltensweisen aufmerksam zu machen, die sein wahres Alter verrieten.

Doch ganz offenkundig wollte er im Augenblick nicht korrigiert werden. Um seiner Gereiztheit Ausdruck zu verleihen, atmete er geräuschvoll aus. Eine recht amüsante Geste, wie ich fand, da Vampire bekanntlich gar nicht atmen müssen. »Schön«, sagte er. »Dann also doch nicht so frohgemut.«

»Keiner gebraucht mehr solche Worte, Leif, außer uns alten Knackern.« Ich lehnte mein Bike gegen die Veranda, sprang die drei Stufen nach oben und setzte mich neben ihn. »Du solltest wirklich mehr Zeit darauf verwenden, zu lernen, wie du dich besser einfügen kannst. Mach ein persönliches Projekt daraus. Die populäre Kultur wandelt sich heutzutage viel schneller. Das ist nicht mehr wie im Mittelalter, wo die Kirche und die Aristokratie noch dafür gesorgt haben, dass alles hübsch beim Alten bleibt.«

»Nun, dann lehre mich etwas, du Verbalakrobat auf dem Hochseil des Zeitgeists. Wie hätte ich deiner Meinung nach antworten sollen?«

»Zuerst vergiss das vorangestellte ›nun‹. Das verwendet auch niemand mehr. Und heute sagt man so was wie: ›Mir geht’s allererste Sahne!‹«

Leif runzelte die Stirn. »Aber das ist grammatikalisch inkorrekt.«

»Die Menschen legen heutzutage keinen Wert mehr auf Korrektheit. Du könntest ihnen erklären, dass sie beispielsweise ein Adjektiv anstelle eines Adverbs verwenden, und sie würden dich anstarren, als wärst du eine Kröte.«

»Ihr Bildungssystem hat schwere Rückschläge erlitten, wie mir scheint.«

»Wem sagst du das. Also, du hättest weiter sagen können: ›Schön für dich, dass du gut drauf bist, Atticus, aber ich für meinen Teil chille lieber.‹«

»Ich chille? Das bedeutet wohl, es geht mir ausgezeichnet … oder allererste Sahne, wie du sagst?«

»Korrekt.«

»Aber das ist doch völliger Unfug!«, protestierte Leif.

»Es ist moderne Umgangssprache.« Ich zuckte mit den Achseln. »Es ist natürlich dir überlassen, aber wenn du weiter die Ausdrucksweise des 19. Jahrhunderts verwendest, werden dich die Menschen bald für einen gruseligen Bastard halten.«

»Dafür halten sie mich ohnehin.«

»Du meinst, weil du nur nachts herauskommst und ihr Blut trinkst?«, sagte ich mit leiser, unschuldiger Stimme.

»Genau«, antwortete Leif, ohne auf meine kleine Stichelei einzugehen.

»Nein, Leif.« Ich schüttelte den Kopf. »Das finden sie ja erst viel später heraus, wenn überhaupt. Die Menschen gruselt es wegen deiner Ausdrucksweise und deinem Verhalten. Sie merken, dass du nicht dazugehörst. Glaub mir, es liegt nicht an deiner milchweißen Haut. Hier draußen im Valley of the Sun fürchten sich viele Menschen vor Hautkrebs. Aber sobald du den Mund aufmachst, kriegen sie es mit der Angst zu tun. Dann merken sie, wie alt du bist.«

»Aber ich bin alt, Atticus!«

»Und ich habe noch mindestens tausend Jahre mehr auf dem Buckel, hast du das vergessen?«

Er seufzte, der uralte, müde Vampir, der nicht atmen musste. »Nein, das habe ich nicht vergessen.«

»Schön. Beschwer dich also nicht bei mir über das Alter. Ich häng mit diesen Collegekids ab, die keine Ahnung haben, dass ich keiner von ihnen bin. Die glauben, mein Geld stammt von einer Erbschaft oder aus einem Treuhandfonds, und sie gehen gern mit mir einen trinken.«

»Ich finde diese College-Kinder entzückend. Ich würde auch gerne mit ihnen einen trinken gehen.«

»Nein, Leif, du willst von ihnen trinken, und das spüren sie instinktiv, weil du diese raubtierhafte Aura hast.«

Der Ausdruck eines von seiner Gattin gerüffelten Ehemanns verschwand aus seinem Gesicht und er blickte mich scharf an. »Du hast aber immer behauptet, sie könnten meine Aura gar nicht wahrnehmen, so wie du es vermagst.«

»Nein, sie können sie auch nicht bewusst wahrnehmen. Aber sie spüren deine Andersartigkeit; vor allem aufgrund deiner Reaktionen und deines Verhaltens, die nicht deinem äußeren Alter entsprechen.«

»Wie alt sehe ich denn aus?«

»Äh …« Ich musterte ihn eingehend und suchte nach Fältchen. »Du siehst aus wie Ende dreißig.«

»So alt? Ich wurde mit Ende zwanzig verwandelt.«

»Die Zeiten waren härter damals.« Erneut zuckte ich mit den Achseln.

»Vermutlich hast du recht. Übrigens bin ich gekommen, um mit dir über die alten Zeiten zu reden. Vorausgesetzt, du könntest dich für die Dauer einer Stunde freimachen.«

»Richtig«, erwiderte ich und verdrehte die Augen. »Lass mich nur rasch mein Stundenglas und meinen verdammten Gehrock holen. Hör dir doch mal selbst zu, Leif! Willst du dich jetzt einfügen oder nicht? ›Die...