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Das Foundation Projekt - Roman

Isaac Asimov

 

Verlag Heyne, 2014

ISBN 9783641132064 , 496 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

Geräte

9,99 EUR


 

1

»Ich muss es dir noch einmal sagen, Hari«, erklärte Yugo Amaryl, »dein Freund Demerzel steckt zutiefst in Schwierigkeiten.« Das Wort »Freund« sprach er mit leichtem Nachdruck und unüberhörbarer Abneigung aus.

Hari Seldon hatte den gehässigen Unterton wohl bemerkt, ging aber nicht weiter darauf ein, sondern schaute nur von seinem 3D-Computer auf und meinte: »Und ich sage dir noch einmal, Yugo, dass das Unsinn ist.« Dann fuhr er – mit einer Spur, nur einer Spur von Gereiztheit – fort: »Warum kommst du immer wieder damit an und stiehlst mir die Zeit?«

»Weil ich es für wichtig halte.« Amaryl nahm Platz, eine herausfordernde Geste, die andeuten sollte, dass er sich nicht so leicht abwimmeln lassen würde. Hier war er, und hier würde er bleiben.

Vor acht Jahren hatte er noch in den Glutsümpfen von Dahl gearbeitet – tiefer konnte man auf der gesellschaftlichen Stufenleiter nicht stehen. Seldon hatte ihn dort herausgeholt und einen Mathematiker aus ihm gemacht, einen Intellektuellen – mehr noch, einen Psychohistoriker.

Yugo blieb sich stets bewusst, was er einst gewesen war, was er jetzt war und wem er seinen Aufstieg zu verdanken hatte. Deshalb würde er mit Hari Seldon notfalls hart ins Gericht gehen – um Seldons willen –, und weder sein Respekt vor dem älteren Mann noch seine Liebe zu ihm und erst recht nicht die Rücksicht auf die eigene Karriere konnten ihn davon abhalten. Diese Strenge – und noch viel mehr – war er Seldon einfach schuldig.

»Hör zu, Hari«, sagte er, während er mit der Linken Axtschläge in die Luft führte, »du hältst aus für mich unerfindlichen Gründen große Stücke auf diesen Demerzel, aber ich kann dir da nicht folgen. Kein Mensch, dessen Meinung mir etwas bedeutet – dich ausgenommen –, ist von ihm besonders angetan. Was mit ihm passiert, ist mir gleichgültig, Hari, aber solange ich den Eindruck habe, dass es dir nicht gleichgültig ist, kann ich gar nicht anders, als dich auf gewisse Dinge aufmerksam zu machen.«

Seldon lächelte, nicht nur über Amaryls Pathos, sondern auch, weil er dessen Besorgnis für völlig überflüssig hielt. Er hatte Yugo Amaryl gern – und mehr als das. Yugo gehörte zu den vier Menschen – Eto Demerzel, Dors Venabili, Yugo Amaryl und Raych –, die Hari damals, in der kurzen Phase seiner Flucht über den Planeten Trantor kennengelernt hatte, Menschen, wie sie ihm seither nicht mehr begegnet waren.

Diese vier waren ihm auf eine ganz besondere und jeweils unterschiedliche Art unentbehrlich geworden – Yugo Amaryl deshalb, weil er die Prinzipien der Psychohistorik so rasch erfasst hatte und nun mit so viel Fantasie in neue Bereiche vordrang. Seldon fand es tröstlich zu wissen, dass, sollte ihm selbst etwas zustoßen, ehe er die grundlegenden mathematischen Probleme des Projekts vollständig lösen konnte – es ging so langsam voran, und immer neue Hindernisse türmten sich auf –, zumindest ein fähiger Kopf übrig bliebe, der imstande wäre, die Forschungen fortzusetzen.

»Sei mir nicht böse, Yugo«, sagte er. »Ich wollte nicht ungeduldig sein und auch nicht von vorneherein verwerfen, was immer du mir unbedingt begreiflich machen willst. Es ist einfach mein Posten; die Leitung dieser Fakultät …«

Nun war die Reihe zu lächeln an Amaryl, er lachte sogar leise in sich hinein. »Entschuldige, Hari, ich sollte mich darüber nicht mokieren, aber du bist für ein solches Amt nun wirklich nicht geboren.«

»Als ob ich das nicht wüsste, aber ich muss es eben lernen. Ich muss nach außen hin einer harmlosen Beschäftigung nachgehen, und es gibt nichts – absolut nichts –, was harmloser wäre, als die mathematische Fakultät der Universität von Streeling zu leiten. Hier kann ich mich den ganzen Tag mit irgendwelchem Verwaltungskram beschäftigen, und niemand braucht von unseren psychohistorischen Forschungen zu erfahren oder hat Grund, sich danach zu erkundigen. Die Schwierigkeit ist nur, ich bin den ganzen Tag mit irgendwelchem Verwaltungskram beschäftigt, und deshalb fehlt mir die Zeit, um …« Sein Blick wanderte durch sein Büro und blieb an den Computern hängen. Sie enthielten Material, auf das nur er und Amaryl Zugriff hatten. Sollte jemand anderer zufällig darüber stolpern, so war alles sorgfältig in einer selbst erfundenen Symbolsprache verschlüsselt, die außer ihnen niemand verstehen würde.

»Warte nur, bis du dich richtig eingearbeitet hast«, tröstete Amaryl, »und anfangen kannst zu delegieren, dann bleibt dir auch mehr Zeit für dich.«

»Hoffentlich.« Seldon war nicht überzeugt. »Aber was gibt es über Eto Demerzel denn nun so Wichtiges zu erzählen?«

»Nur das eine, dass Eto Demerzel, der Kanzler unseres erhabenen Kaisers, eifrig dabei ist, einen Aufstand anzuzetteln.«

Seldon runzelte die Stirn. »Wozu sollte er das wollen?«

»Ich sage nicht, dass er es will. Aber er tut es – ob er es weiß oder nicht –, und einige seiner politischen Feinde leisten ihm dabei kräftig Schützenhilfe. Nicht dass ich etwas dagegen hätte, damit du mich richtig verstehst. Ich fände es im Idealfall nicht schlecht, wenn er aus dem Palast und von Trantor verschwände … am liebsten gleich aus dem ganzen Imperium. Aber wie bereits gesagt, du hältst große Stücke auf ihn, und deshalb will ich dich warnen. Ich habe nämlich den Verdacht, dass du dich nicht so eingehend mit den neuesten politischen Strömungen beschäftigt hast, wie es nötig wäre.«

»Es gibt wichtigere Dinge«, wandte Seldon sanft ein.

»Wie etwa die Psychohistorik, zugegeben. Aber wie können wir hoffen, die Psychohistorik erfolgreich weiterzuentwickeln, wenn wir nicht wissen, was in der Politik vorgeht? In der Tagespolitik, meine ich. Jetzt – jetzt – ist der Moment, in dem die Gegenwart zur Zukunft wird. Wir dürfen nicht nur die Vergangenheit studieren. Was in der Vergangenheit geschehen ist, wissen wir bereits. Überprüfen können wir unsere Erkenntnisse nur an der Gegenwart und an der nahen Zukunft.«

»Mir scheint«, sagte Seldon, »als hörte ich dieses Argument nicht zum ersten Mal.«

»Und du hast es auch nicht zum letzten Mal gehört. Aber ich schaffe es offenbar nicht, es dir begreiflich zu machen.«

Seldon lehnte sich seufzend zurück und sah Amaryl lächelnd an. Der junge Mann war manchmal recht aggressiv, aber er nahm die Psychohistorik ernst – und das wog alles auf.

Amaryl war noch immer geprägt von seinen Jahren in den Glutsümpfen. Er hatte die breiten Schultern und die kräftige Statur eines körperlich schwer arbeitenden Menschen, und er hatte seine Muskulatur nicht schlaff werden lassen. Das war gut so, denn es spornte auch Seldon dazu an, nicht die ganze Zeit nur am Schreibtisch zu sitzen. Zwar verfügte er nicht über Amaryls rohe Kraft, dafür stand er als Twistkämpfer immer noch seinen Mann – auch wenn er eben vierzig geworden war und sich seine Kondition nicht ewig würde erhalten können. Vorerst würde er das Training jedenfalls fortführen. Dank der täglichen Übungen hatte er keinen Bauch angesetzt, und seine Arme und Beine waren immer noch straff.

»Du sorgst dich doch gewiss nicht nur deshalb um Demerzel, weil er ein Freund von mir ist«, sagte er. »Da muss noch mehr dahinterstecken.«

»Das ist kein Geheimnis. Solange du Demerzels Freund bist, ist deine Stellung hier an der Universität gesichert, und du kannst deine psychohistorischen Forschungen weiterbetreiben.«

»Na bitte. Du siehst also durchaus ein, dass ich allen Grund habe, mich gut mit ihm zu stellen.«

»Du hast ein Interesse daran, gute Beziehungen mit ihm zu pflegen. Das kann ich verstehen. Aber Freundschaft – nein, das will mir nicht in den Kopf. Wie auch immer – wenn Demerzel seine Macht verlöre, dann würde, ganz abgesehen von den Auswirkungen auf deine Stellung hier, Cleon selbst die Leitung des Imperiums übernehmen, und damit würde sich der Niedergang beschleunigen. Am Ende bräche die Anarchie über uns herein, ehe wir sämtliche psychohistorischen Konsequenzen ausgearbeitet und es der Wissenschaft ermöglicht hätten, die Menschheit zu retten.«

»Ich verstehe. – Aber weißt du, ich glaube fest daran, dass die Psychohistorik rechtzeitig stehen wird, um den Untergang des Imperiums zu verhindern.«

»Selbst wenn sich der Untergang nicht verhindern ließe, könnten wir doch wenigstens die Folgen abfedern, nicht wahr?«

»Vielleicht.«

»Na also. Je länger man uns ungestört arbeiten lässt, desto besser sind die Aussichten, den Untergang zu verhindern oder zumindest seine Auswirkungen zu dämpfen. Und wenn dem so ist, könnte es im Umkehrschluss erforderlich sein, Demerzel zu retten, ob es uns – zumindest mir – gefällt oder nicht.«

»Und doch sagtest du eben, es wäre dir am liebsten, wenn er aus dem Palast, von Trantor und aus dem ganzen Imperium verschwände.«

»Ja, aber ich sagte, im Idealfall. Da jedoch der Idealfall nicht gegeben ist, brauchen wir unseren Kanzler, auch wenn er ein Werkzeug der Repression und der Tyrannei ist.«

»Ich verstehe. Aber was veranlasst dich zu der Meinung,...