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Hummeln im Herzen - Roman

Petra Hülsmann

 

Verlag Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG, 2014

ISBN 9783838758855 , 397 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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9,99 EUR

Für Firmen: Nutzung über Internet und Intranet (ab 2 Exemplaren) freigegeben

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Kapitel 1


in dem ich mir vorkomme,
als müsste ich in der Bundesliga spielen –
obwohl ich doch nur Kreisliga bin

›Ich werde nie wieder heiraten. Niemals wieder.‹

Das dachte ich jedenfalls, als ich eine Woche vor unserem großen Tag mit meinem Liebsten Simon unsere Location – eine hochherrschaftliche alte Villa in Blankenese – besichtigte.

»Es gibt da leider ein Problem«, verkündete Frau Lennart, unsere Hochzeitsplanerin, mit Leichenbestattermiene.

Mir rutschte das Herz in die Hose. »Oh nein, nicht noch eins«, sagte ich und klammerte mich an Simons Arm.

»Ich fürchte doch. Ich mach es ganz kurz: Das Barbecue wird nicht stattfinden können.«

Und hier war sie, die gefühlt zweitausendste Panne seit Anbeginn unserer Hochzeitsplanung. Ich spürte, wie das Blut in meinen Kopf stieg und meine Pulsfrequenz sich verdoppelte. »Nicht stattfinden?«, fragte ich, inzwischen leicht hysterisch. »Was soll das heißen?«

Frau Lennart, durch und durch Profi, blieb ruhig. Sie wuchtete den zum Bersten gefüllten Ordner, den sie stets bei sich trug, von einem Arm auf den anderen. »Nun, wir haben vom Amt für Denkmalschutz keine Genehmigung erhalten, da der sich beim Grillen entwickelnde Rauch schädlich für die hochempfindliche Bausubstanz dieses Gebäudes wäre.«

»Aber wir grillen doch nicht im Haus!« Am liebsten hätte ich Frau Lennart ihren dämlichen Ordner über die Betonfrisur geschlagen.

»Natürlich nicht. Aber für den Fall, dass es regnet, wären wir gezwungen, das Barbecue auf der Terrasse stattfinden zu lassen. Und dafür bekommen wir eben keine behördliche Genehmigung.«

Hilflos wandte ich mich an Simon. »Du bist Anwalt, sag doch auch mal was! Das kann doch nicht rechtens sein!«

Er zuckte mit den Achseln. »Ich fürchte doch, Lena. Da kann man nichts machen, Bestimmungen sind Bestimmungen.«

In diesem Moment klingelte sein Handy, wie so oft in letzter Zeit. Anstatt das Gespräch jedoch wegzudrücken und seiner zukünftigen Ehefrau zur Seite zu stehen, entschuldigte er sich kurz und entfernte sich ein paar Schritte. Vor ein paar Monaten hatte Simon in seiner Kanzlei ein superwichtiges Projekt übernommen. Seitdem telefonierte er so viel, dass ich befürchtete, sein Handy könnte noch an seinem Ohr festwachsen.

Schnell wandte ich mich ab, trat an die Fensterfront und sah hinaus in den Garten. Diese Hochzeit entwickelte sich mehr und mehr zu einem Albtraum. Je näher der große Tag heranrückte, desto mehr ging schief. Gut, dass ich nicht an Zeichen glaubte, sonst hätte ich die Ereignisse der letzten Wochen womöglich allesamt als schlechte Omen für die Hochzeit gedeutet.

Zum Beispiel die Sache mit den Ringen. Wir würden eigens für uns und nach unseren Vorgaben gefertigte Platinringe bekommen, die etwas ganz Besonderes waren, wie der Juwelier nicht müde wurde zu betonen. Als wir die Ringe vor zwei Wochen abholen wollten, stellten wir fest, dass sie tatsächlich etwas ganz Besonderes waren – vor allem deshalb, weil Simons Ring mit einem hübschen Diamanten besetzt war. Meiner dagegen glänzte in schmuckloser Schlichtheit. Wie kann denn bitte so etwas passieren? Jetzt mussten neue angefertigt werden, und der Juwelier hatte die Dreistigkeit besessen zu sagen, sie würden schon noch rechtzeitig fertig werden – wenn wir Glück hätten.

Oder die Kirche. Vor sechs Wochen hatte der Pfarrer uns abgesagt, in dessen kleiner, romantischer Kirche wir ursprünglich heiraten wollten, weil ein anderes Paar sich exakt unseren Trauungstermin ausgesucht hatte. Und dieses Paar wurde uns vorgezogen, da es sich beim Bräutigam um Wladimir Klitschko höchstpersönlich handelte. Ich hätte zu gerne gewusst, was Gott davon hielt, dass einer seiner irdischen Vertreter ein unschuldiges Brautpaar so eiskalt abservierte und den Vorzug einem Mann gab, der für Geld andere Leute verkloppte. Mein Entschluss, unmittelbar nach der Hochzeit aus der Kirche auszutreten, stand jedenfalls fest. Außerdem entwickelte ich ein äußerst gestörtes Verhältnis zu Wladimir Klitschko. Neulich, als einer seiner Kämpfe im Fernsehen lief, erwischte ich mich dabei, seinen Gegner anzufeuern: »Rechts-Links-Kombination! Uppercut! Hau ihn k. o.!« Tat er natürlich nicht. Der Boxkampf endete zwar mit K. o., aber es war natürlich nicht Wladimir Klitschko, der im Ring lag. Der gewann. Wie immer.

Eines Abends überraschte uns Simons Mutter schließlich mit der Nachricht, dass sie eine andere Kirche für uns organisiert hatte. Ich war überglücklich – bis sie uns sagte, welche: Die Hauptkirche St. Michaelis, von uns Hamburgern liebevoll Michel genannt. Super! Bei den dort vorhandenen zweitausendfünfhundert Sitzplätzen würde man unsere läppischen hundert Gäste mit der Lupe suchen müssen. Ich würde den Gang zum Altar hinabschreiten wie eine Königin, zu deren Hochzeit kein Schwein gekommen war. Davon hatte ich wirklich … nie geträumt.

Die Hochzeitsfeier würde auch nicht am Elbstrand stattfinden, wie ich mir das immer gewünscht hatte, denn Simon fand das nicht repräsentativ genug. Stattdessen würden wir im altehrwürdigen Amsinckhaus in Blankenese feiern, das zwar sehr schön war, aber gleichzeitig so viel Prunk und Protz ausstrahlte, dass ich dort kaum zu atmen wagte.

Und jetzt auch noch das. Kein Barbecue.

Seufzend wandte ich mich vom Fenster ab und trat wieder zu Frau Lennart, die eifrig in ihrem Ordner blätterte.

»Frau Klein«, sagte sie, »ich weiß, das entspricht nicht Ihren ursprünglichen Vorstellungen, aber der Caterer hat ein paar ganz tolle und exquisite Menüs vorgeschlagen. Und ein gesetztes Essen entspricht doch viel eher dem Ambiente des Amsinckhauses. Wenn Sie mal schauen möchten.« Sie holte ein paar handgeschöpfte Seiten hervor, auf denen in schnörkeliger Schrift verschiedene Menüfolgen aufgeführt waren, und schwafelte etwas von »Angus-Rinderfilet unter Tagaroshi-Pankokruste an Kartoffel-Wasabi-Püree«. Ich gab mir alle Mühe, zuzuhören, denn es tat mir schon wieder leid, Frau Lennart vorhin so angebrüllt zu haben. Sie machte schließlich auch nur ihren Job.

Simon, der sein Telefonat inzwischen beendet hatte, gesellte sich wieder zu uns. Er sah sich die Menüvorschläge an, war aber ebenso wie ich nicht ganz bei der Sache. Wir hielten uns also an Frau Lennarts Ratschläge, und nach ein paar Minuten stand das Hochzeitsmenü.

»So, dann hätten wir’s«, sagte Frau Lennart schließlich. »Jetzt gibt’s kein Zurück mehr.« Sie lachte und erwartete wohl, dass wir einstimmen würden, aber mir war momentan nicht zum Scherzen zumute, und Simon ganz offensichtlich auch nicht. Er lockerte seine Krawatte, kleine Schweißperlen glänzten auf seiner Stirn. Wie blass er aussah.

»Ja«, sagte ich und lachte gekünstelt, um die peinliche Stille zu unterbrechen, »bald schnappt die Falle zu.«

»Sind Sie denn schon sehr aufgeregt?«, fragte Frau Lennart, während wir Richtung Tor gingen.

»Nein, wir sind total locker. Wir freuen uns einfach nur. Stimmt’s, Schatz?« Ich lächelte Simon an, doch der wich meinem Blick aus.

»Klar«, murmelte er.

Wir traten hinaus und verabschiedeten uns von unserer Hochzeitsplanerin. Ich war froh, die Kühle und Stille des Hauses endlich verlassen zu können. Hier draußen strahlte die Sonne, die Vögel zwitscherten fröhlich, und es duftete nach frisch gemähtem Gras. Es war ein wunderschöner Juni, und man konnte sich kaum vorstellen, dass für nächste Woche katastrophales Wetter gemeldet war. Wir gingen die lange Auffahrt hinunter zu unserem Auto – einem brandneuen Audi Q7, der mir ziemlich peinlich war und für den ich mich innerlich schon häufig bei der Umwelt und bei Greenpeace entschuldigt hatte. Aber er war nun mal Simons Traumauto, und von seinem wohlverdienten Bonus hatte er sich seinen Wunsch endlich erfüllen können.

»Meine Güte«, stieß ich aus, »was für eine Pechsträhne! Aber was soll’s. Die Hauptsache ist doch, dass wir heiraten, findest du nicht?«

»Hm«, machte Simon nur.

»Los, lass uns was essen gehen. Oder sehen wir uns im Kino einen Horrorfilm an, und du beschützt …«

»Das geht nicht«, unterbrach er mich. »Der Anruf gerade … Ich muss noch mal in die Kanzlei.«

»Och nein, bitte nicht!« Ich packte ihn am Ärmel und zwang ihn, stehen zu bleiben. »Es ist Freitagabend, ich habe dich seit Ewigkeiten nicht mehr richtig zu Gesicht bekommen, und ich würde so gerne mal wieder etwas Zeit mit dir verbringen!«

Simon schüttelte meine Hand ab. Fast hatte ich den Eindruck, dass er mich am liebsten von sich weggeschubst hätte. »Hör auf damit, Lena! Es geht nun mal nicht anders!«

»Toll, Simon!« Ich öffnete die Autotür, stieg ein und knallte sie hinter mir zu. »Hoffentlich ist dieses beknackte Projekt bald vorbei, sonst lässt du mich womöglich auch noch vorm Traualtar stehen, weil wieder irgendein wichtiger Anruf dazwischenkommt! Ich hab langsam die Schnauze voll davon!«

Schweigend fuhren Simon und ich die Elbchaussee hinab. Prachtvolle Villen zogen an uns vorüber, zwischen denen immer wieder die Elbe hervorblitzte. Obwohl es draußen vierundzwanzig Grad war, herrschte in unserem Auto ein Klima wie in der Arktis. Mein Handy piepte – in der eisigen Stille klang es geradezu schrill. Eine SMS von meiner besten Freundin Juli.

Hey Süße, wie war’s mit Fräulein Rottenmeier? Kommt vorbei, wir grillen! LG Juli

Juli, meine Rettung. Wie immer war sie da, genau im richtigen Moment, als hätte sie eine Antenne für meine Stimmungen.

Notgedrungen brach ich unser Schweigegelübde. »Könntest du mich bei Juli und Michel vorbeibringen?«

Er nickte....