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Ein teuflisches Angebot - Roman

Celeste Bradley

 

Verlag Blanvalet, 2014

ISBN 9783641144098 , 512 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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4,99 EUR


 

Kapitel 1

Cotswolds, England, 1816

Na, war das nicht einfach wunderbar?

Eiskaltes Flusswasser drang in die Kutsche, spülte Miss Calliope Worthington von ihrem Sitz und schleuderte sie gegen die schräg sich neigende Decke, bevor es sie durch die gegenüberliegende Tür hinausriss. Der Schock des eiskalten Wassers ließ sie nach Luft schnappen, während sie an Schaum, Dreck und Entsetzen würgte.

Die Strömung riss ihr den Schuh vom Fuß. Callie schloss die Augen, während sie sich verzweifelt an die lederne Schlaufe klammerte, die auf der Reise vom heimischen London bis zu dieser düsteren, zerstörten Brücke in Cotswolds über ihrem Kopf gebaumelt hatte.

Die andere Hand hatte sie an der Rückseite des Mantels ihrer Mutter Iris zur Faust geballt, die beide Arme um Callies beleibten und bewusstlosen Vater Archie schlang.

Callie warf den Kopf zurück. »Dade!«, schrie sie nach ihrem Bruder.

***

Endlich zeichnete sich ein prächtiges Haus in der Dunkelheit vor ihnen ab. Der feinporige Kalkstein aus Cotswolds schien im Mondlicht förmlich zu glühen. Niemand reagierte, als sie dröhnend an die breite Eichentür klopften und mit lautem Rufen ihre Ankunft signalisierten. Calliope half ihrem Bruder Daedalus, den bewusstlosen Körper ihres Vaters durch das unverschlossene Portal und weiter in das düstere, frostige Haus zu manövrieren, während ihre Mutter den einzigen kleinen Koffer hinter ihnen herschleppte, den sie hatten retten können. Niemand störte sie bei ihrem Weg durch die Eingangshalle in einen kleinen Salon.

Calliope half ihrer Mutter, die Staubhussen von den Sofas zu ziehen, als ihr Herz plötzlich erleichtert hüpfte. Ihr Vater erlangte langsam sein Bewusstsein zurück und murmelte ein paar verdrießliche Worte vor sich hin.

Dade drehte sich zu ihr um. »Callie, ich gehe nach draußen und helfe Morgan mit den Pferden.«

Das Gespann war schon etwas älter und in Panik geraten. Die Tiere waren es nicht gewohnt, vom Eiswasser der Schneeschmelze von einer Brücke gefegt zu werden, weshalb sie sich in dem zerbrochenen Geschirr gehörig verheddert hatten. Morgan, Kutscher der Worthingtons und ihr Hausdiener für alle Angelegenheiten, hatte es vorgezogen, am Flussufer zu warten, bis die Pferde sich beruhigt hatten.

Callie half Dade, sich gegen den Frost warm einzupacken, obwohl sie nichts Trockenes finden konnten, außer ein paar muffiger Schoßdecken, die gefaltet im Sessel am Fenster lagen. Callie arbeitete für sich selbst eine Staubhusse zu einer Art Toga um und hängte ihr Kleid zum Trocknen neben den Kamin. Dann bückte sie sich, um mit den Streichhölzern vom Sims ein Feuer zu entzünden.

Erst nachdem Dade gegangen war, nachdem ihre Mutter sich auf dem Sofa gegenüber niedergelassen hatte und von dort aus besorgt auf ihren Ehemann blickte, nahm Callie sich die Zeit, ihre Umgebung eingehender zu mustern.

Das Haus war sehr schön. Sogar prächtig, obwohl das Wort für solch eine schlechte Haushaltsführung wohl kaum Geltung beanspruchen konnte. Aber es gab nun mal Leute, die einfach nicht auf ihre Sachen achteten.

»Mama …« Doch ihre Mutter war, besänftigt durch das knisternde Feuer im Kamin und das regelmäßige Schnarchen ihres Ehemannes, eingeschlafen. Calliope schob ihrer schlafenden Mutter eine silbergraue Strähne aus der Stirn und zog den selbst gemachten Umhang aus Leinen fester um sich. Ihr Kleid hing noch immer tropfend am Kamin, genau wie das ihrer Mutter und ein paar Kleidungsstücke ihres Vaters.

Wie zwei erschöpfte Kinder schliefen ihre Eltern auf den beiden Sofas, die in Richtung der glühenden Kohlen im Kamin gedreht standen. Calliope hätte sich gleichfalls ausruhen können, zusammengerollt auf dem dicken, wenn auch staubigen Teppich vor der einladenden Hitze des Kamins.

Neugierig, wie sie war, wollte sie stattdessen jedoch lieber das Haus nach weiteren Annehmlichkeiten für ihre Familie durchstöbern.

Mit einem kleinen Kerzenstumpf in der Hand entdeckte sie zuerst die Küche, die sich genau dort befand, wo die meisten anderen Küchen auch – im hinteren Teil des prächtigen Hauses, die Treppe hinunter. Beim Anblick der Überfülle an Trockenfleisch und Käse in der großen Vorratskammer kniff sie überrascht die Augen zusammen. Unter den gefüllten Regalen standen Körbe voller Wurzelgemüse. Lauter haltbare Sachen, das war deutlich – aber warum nur in einem Haus, in dem offenkundig seit Jahren niemand mehr gewohnt hatte?

Nun, möglicherweise waren die Besitzer inzwischen unterwegs hierher. Es konnte doch hoffentlich davon ausgegangen werden, dass diese Leute einer gestrandeten Familie nicht etwa ein paar Bissen einfacher Nahrung verweigern würden? Calliope richtete ein großzügiges Tablett für ihre Mutter an und ein weiteres für Dade, der bald mit Morgan zurückkehren musste. Dicke Scheiben salzigen Schinkens und sahniger, weißer Käse hielten ihren eigenen Hunger im Zaum, als sie ein wenig Pökelfleisch schnitt und in einen Topf mit Wasser und Gemüse gab, um eine stärkende Brühe für ihren verletzten Vater zu kochen.

Zurück im Salon stellte sie den Topf neben den Kamin, damit die Brühe andicken konnte. Sie prüfte die Stirn ihrer Mutter, aber Iris schlief tief und fest und ohne das geringste Anzeichen von Fieber oder Frösteln. Ihrem Vater drückte sie die Hand, die er ihr knurrend entzog. Sogar im Schlaf war er noch ein liebenswürdiger Brummbär.

Nachdem Callie den schönen Silberkandelaber vom Kamin geholt und ins Fenster gestellt hatte, um Dade den Weg »nach Hause« zu erleichtern, fiel ihr nichts mehr ein, was sie sonst noch hätte tun können. Unruhig zog sie den groben Umhang fester über ihrem immer noch feuchten Unterrock zusammen und schnappte sich eine kleine Kerze.

Geräuschlos, weil barfuß, durchstöberte sie die erste Etage des Hauses. Auch wenn der Gedanke vielleicht unwürdig war, schwelgte sie regelrecht in dem für sie ungewohnten Gefühl, vollkommen allein zu sein. Sie hatte eine große und liebevolle – manchmal auch in den Wahnsinn treibende – Familie, aber allein war sie nie, wirklich niemals.

Zusammengequetscht mit sieben unmöglichen Geschwistern und zwei noch unmöglicheren Eltern lebte Callie in einem gemütlichen, aber schäbigen Haus in London. Sie konnte sich kaum daran erinnern, wann sie das letzte Mal Stille und Einsamkeit hatte genießen dürfen. Jahre mussten seither verstrichen sein.

Und jetzt lag dieses zauberhafte Haus vor ihr, leere Zimmer, die wie eine Schachtel voller Bonbons darauf warteten, ausgewickelt zu werden – von niemand anders als ihr!

Es gab ein geräumiges Speisezimmer mit einem langen, prächtigen Tisch, an dem das halbe Oberhaus hätte Platz nehmen können, zwei gänzlich verschiedene, aber gleichsam hübsche Empfangszimmer, ein Musikzimmer mit Klavier und ein hoch aufragendes, unter einem Tuch verborgenes Gebilde, das eigentlich nur eine große Harfe sein konnte. Es gab eine Bibliothek, die durchaus hätte beeindruckend sein können, wenn die Bücher nicht in so dicke Staubschichten eingehüllt gewesen wären, dass es unmöglich war, die Titel zu entziffern.

Das Haus war kein gewaltiges, unendliches Mausoleum, wie sie anfangs gedacht hatte. Wenn man ein wenig die Augen zusammenkniff und sich saubere, kostbare Teppiche und poliertes Holz vorstellte, konnte es sogar ein durchaus fröhliches und einladendes Herrenhaus sein. Schaudernd wischte sie sich eine von der Decke herabhängende Spinnenwebe von der Wange und ging, ihrer Neugierde folgend, die würdevoll geschwungene Treppe hinauf zur oberen Galerie. Das Mobiliar in ihrem eigenen Zuhause mochte seine besten Zeiten zwar längst hinter sich haben, befand sich aber, ihrem Fleiß und der Aufsicht ihrer alten Haushälterin geschuldet, in einem makellosen Zustand.

Das hieß, bis auf diesen hässlichen Fleck im Empfangszimmer, wo die Zwillinge irgendetwas Ekliges verschüttet und anschließend versucht hatten, die Spuren ihrer Untat mit etwas noch viel Ekligerem zu beseitigen …

Silbriges Mondlicht ergoss sich durch die großen Fenster auf die lange, elegante Galerie und teilte den sich vor ihr ausbreitenden Flur in dunkle und helle Abschnitte, die sich durch die Flamme ihrer Kerze nur verschwommen ausleuchten ließen. Calliope stellte sich in eine Fensterflucht und starrte in die Nacht hinaus, die sich von einem stürmischen Albtraum in einen silbrigen Mondscheintraum verwandelt hatte. Sie konnte beobachten, wie die Wolken sich beiseite schoben und es dem nunmehr beinahe vollen Mond gestattet war, sein Licht genau dorthin zu schicken, wo sie gerade stand.

Plötzlich verspürte sie das unangenehme Gefühl, dass irgendwo ein unsichtbarer Faden des Schicksals im Gewebe ihres Lebens gezogen wurde. Was, wenn sie heute Morgen im Gasthaus eine halbe Stunde früher aufgestanden wären? Oder eine halbe Stunde später abgereist wären? Entweder hätten sie die Holzbrücke überquert, bevor sie von den Fluten zerstört worden wäre. Oder sie wären dort angekommen, hätten einfach zugeschaut, wie die Brücke weggespült worden wäre, und hätten ungefährdet wieder kehrtgemacht.

Und doch, sie durfte nicht vergessen, für die Gesundheit ihrer Familie dankbar zu sein. Sie alle konnten von Glück sagen, dass ihre Mutter dieses Haus, das so weit von der Straße entfernt lag, in der Dunkelheit erspäht hatte.

Lächelnd ließ Callie den Blick über die große Galerie schweifen und machte sich wieder auf den Weg, noch immer barfuß. Mit einer Hand schützte sie die Flamme ihrer kleinen Kerze. Lachend knickste sie vor einer sehr...