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Heliosphere 2265 - Band 19: Hetzjagd (Science Fiction)

Andreas Suchanek

 

Verlag Greenlight Press, 2014

ISBN 9783944652948 , 124 Seiten

Format PDF, ePUB, OL

Kopierschutz Wasserzeichen

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2,49 EUR


 

Prolog


 

Kurz vor der Vereidigung

 

Jessica Shaw stand auf der Tribüne, legte die linke Hand auf ein dickes papiergedrucktes Buch, die neue Verfassung, und hob die rechte.

Hinter ihr war die Wand transparent geschaltet worden und bot damit einen Ausblick auf die angrenzenden Landeplattformen der Station sowie das dahinter liegende All. Aus verborgenen Lautsprechern drang leise eine klassische Musikkomposition, die perfekte Untermalung für den feierlichen Augenblick.

Isa schluchzte.

Santana neben ihr lächelte, wie sie es immer tat, wenn Isa, die doch so nah am Wasser gebaut war, ihrer Rührung nachgab.

Diese Frau, dachte Isa. Baut im Alleingang die Rebellen auf, befreit die NOVA-Station und übersteht eine Geiselnahme durch die Assassinen. Aber wenn es darum geht, Gefühle zu zeigen, ist sie ein Hasenfuß.

„Madam President-elect, bitte sprechen Sie nun den vorbereiteten Text“, bat Sam Drake, der als Jurist die Vereidigung überwachte.

Ein Teil der Sicherheitsoffiziere der Station war dem neuen Secret Service zugeteilt worden, der die Präsidentin beschützen sollte. In dieser Funktion waren sie natürlich nur Anfänger, doch in den nächsten Tagen würden eine solide Struktur und die Etablierung von Protokollen den zusammengeschusterten Haufen zu einer Einheit formen. Die Männer und Frauen standen rechts und links der Bühne und beobachteten aufmerksam die Umgebung.

„Ich, Jessica Shaw, schwöre feierlich ...“

Isa unterdrückte das nächste Schluchzen.

„Das ist unmöglich“, stieß Santana hervor.

Für einen Augenblick glaubte Isa, dass die Freundin sich lustig machen wollte und damit meinte, dass es doch kaum möglich war, dass es Isa gelang, ihr Schluchzen zu unterdrücken. Santanas entsetzter Gesichtsausdruck passte allerdings nicht dazu. „Was ist los?“

Santana runzelte die Stirn, drehte sich um.

„... dass ich das Amt der Präsidentin der Solaren Republik getreulich ausführen und die Verfassung ...“

Isa wurde unruhig. Was war nur mit Santana los?

„... nach besten Kräften wahren, schützen und verteidigen werde.“

Um Isa herum wurde geklatscht. Sie hob ihre Hände, um es den anderen gleichzutun, hielt jedoch inne.

Jessica Shaw trat an den Rand des Podestes. Die Offiziere und Vertreter der Presse standen auf, applaudierten lauter. Doch Santana achtete nicht auf die Bühne. Immer noch sah sie sich hektisch um.

„Was ist los?“, fragte Isa erneut, nun drängender.

Santana beugte sich zu ihr, riss sie an den Schultern heran. „Versprich mir, dass du sie zur Erde bringst. Hol das Sol-System zurück. Bring die Menschheit nach Hause.“

„Was ... aber...“

„Versprich es mir. Versprich mir, dass du auf dem ersten Schiff bist, das Terra erreicht. Wir haben es begonnen, also müssen wir es auch beenden. Befreie die Erde.“

„Ich verspreche es“, stieß Isa hervor.

Santana nickte ...

... und rannte auf das Podest zu.

Die Zeit schien sich mit einem Mal in zähflüssigen Sirup zu verwandeln.

Was tut sie da?

Jessica Shaw riss überrascht die Augen auf, als sie erkannte, wer auf sie zugerannt kam. Ihr siegesbewusstes Lächeln entgleiste. Die Sicherheitskräfte wirkten zuerst verwirrt, erkannten Santana dann aber und wussten nicht, was sie tun sollten. Es war immerhin ihre ehemalige Vorgesetzte, die da auf sie zu gerannt kam.

Die Kameradrohnen fokussierten das Aufnahmefeld in Santanas Richtung, das gesamte Alzir-System sah zu.

Jessica Shaw wich zurück.

Mit einem Sprung war Santana auf der Bühne.

„Was ist hier los?“, hauchte Isa leise.

Santana machte einen Ausfallschritt und kickte der Präsidentin die Füße weg.

Jessica Shaw fiel rücklings zu Boden, während Santana sich wieder zu voller Größe aufrichtete.

Ein Schuss krachte.

Isa zuckte zusammen.

Santana lächelte traurig, als akzeptiere sie das Unausweichliche.

Die Kugel traf.

Blut spritzte.

„Oh Gott, nein.“ Isa starrte auf das, was vor ihr geschah, unfähig sich zu rühren.

Im Saal brach Tumult aus, die Pressevertreter schrieen. Ein Teil der Offiziere drängte zum Ausgang, jemand rief nach einem Arzt. Die frisch vereidigte Präsidentin kämpfte sich wieder in die Höhe, das weiße Kostüm voller Blutspritzer.

Priscilla King, die Wahlkampfmanagerin von Shaw, schaute zur transparenten Wand, hinter der in diesem Moment eine neue Sonne aufzugehen schien. Weitere folgten.

Was geschah dort?

Der Boden der Station erbebte. Energieblitze zuckten im All, Schiffe wurden getroffen, vergingen in lautlosen Explosionen.

Isa konnte nur fassungslos auf das Geschehen starren. All der Kampf, all die Mühen waren vergeblich gewesen. Am Ende hatten sie den schlimmsten Anschlag aller Zeiten nicht kommen sehen.

„Es tut mir leid, Santana“, flüsterte sie. „Aber es wird keine Flotte zur Erde aufbrechen.“

Der Boden des Raumes neigte sich zur Seite. Stühle rutschten davon. Offiziere und Pressevertreter, die nicht rechtzeitig den Ausgang erreichten, flogen hinterher. Verstrebungen krachten herab, Schrauben wurden aus der Wand gerissen.

Isa stand da, wie versteinert, konnte keinen Finger rühren. Sie starrte hinaus ins All, wo Aufbauten von der Station wegbrachen und Shuttleschiffe explodierten. Etwas Großes, Dunkles baute sich auf.

Ein letzter Triumph war uns vergönnt.

Überall herrschte Chaos, dort draußen wie hier drinnen.

Isa suchte den Blick der Präsidentin.

Wir haben gekämpft bis zum Schluss.

Es war das Ende eines Traums.

Dann war die Dunkle Welle heran, traf auf die Station und zerschmetterte alle Hoffnung ...

 

*

 

Alzir-System, NOVA-Station, 09. Mai 2267, 12:45 Uhr


 

Die Station erzitterte, als eine Faust aus purer Gravitation auf sie herabfuhr. Für einen Augenblick erlosch das Licht und die Umgebung wurde in undurchdringliche Schwärze getaucht.

Genauso habe ich mir das Armageddon vorgestellt, dachte Isa.

Dann flammten die Leuchtstreifen in den Wänden wieder auf. NOVA existierte noch immer, wie sie erleichtert feststellte. Auch der Weltraum war zu sehen - ebenso die Trümmer, Wracks und Notfallkapseln der zerstörten Schiffe. Für einen Augenblick klammerte sich Isa an die Hoffnung, dass das Schlimmste überstanden war, nur um kurz darauf zu begreifen, dass sie sich schrecklich irrte.

Der Boden neigte sich unaufhörlich weiter, was sie endlich aus ihrer Schockstarre riss. Die Geschehnisse dort draußen nahmen unmittelbaren Einfluss auf die Station.

Isa begann zu rutschen. Erst jetzt setzte ihr Verstand wieder ein, die Taktikerin in ihr kam durch. Nur wenige Meter entfernt begann die Bühne, daneben gab es einen rechteckigen, in den Boden eingesenkten Bereich. Sie hetzte darauf zu.

Dann wurden die Bodenplatten plötzlich zu Wand. Körper wirbelten davon und schlugen irgendwo unter ihr dumpf auf. Vierzig Meter ging es in die Tiefe. Isa sprang mit ausgestreckten Armen nach vorne. Ihre Fingerspitzen berührten den Vorsprung. Sie klammerte sich daran fest, wie eine Ertrinkende.

Sie blickte zur Seite und sah Jessica Shaw, die Präsidentin, die am letzten noch verankerten Element der Tribüne hing.

„Madam President!“, rief Isa. Schwerfällig kletterte sie auf den Vorsprung.

Shaw blickte zu ihr hinab. Ihre Blicke trafen sich.

Dann schossen die letzten Schrauben davon. Das Tribünenstück fiel herab und riss das Staatsoberhaupt der Solaren Republik mit sich in die Tiefe.

Isa handelte instinktiv. Sie griff nach dem abstehenden Ring einer Strom-Zuleitungsplatte und streckte den linken Arm aus. Es gelang ihr, die Präsidentin zu fassen. Aufkeuchend ging sie in die Knie, als das gesamte Gewicht der Frau auf ihrem Arm lastete.

Beinahe wäre sie von dem schmalen Sims herabgerutscht. Shaw reagierte schnell, streckte die rechte Hand aus und reckte sich. Isa atmete auf, als die Präsidentin sich neben ihr auf den Sims zog und ihr dann ebenfalls nach oben half. Sie kauerten nebeneinander und keuchten.

„Danke, Admiral“, sagte die Präsidentin.

„Isa“, erwiderte sie. „Und nichts zu danken.“

„Jessica.“ Die Präsidentin schaute nach unten. „Wo ist Priscilla?“

„Ich habe Miss King aus den Augen verloren.“ Sie versuchte, nicht an den zerschmetterten Körper von Santana zu denken, der jetzt irgendwo dort unten lag. „Mada......