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After truth - AFTER 2 - Roman

Anna Todd

 

Verlag Heyne, 2015

ISBN 9783641162672 , 784 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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9,99 EUR


 

1

Tessa

»Das lief über einen Monat«, schluchze ich, nachdem Zed mir erklärt hat, wie es zu dieser Wette gekommen war. Mir ist kotzübel. Ich schließe die Augen, um mich zu beruhigen.

»Ich weiß. Er kam dauernd mit neuen Ausreden an, wollte mehr Zeit und dafür eben weniger Geld. Es war echt seltsam. Wir dachten alle, es ging ihm nur darum zu gewinnen – als ob er uns was beweisen wollte –, aber jetzt kapier ich’s.« Zed hält inne und sieht mich aufmerksam an. »Er hat über nichts anderes mehr geredet. Und dann, an dem Tag, als ich dich ins Kino eingeladen habe, ist er völlig ausgetickt. Nachdem er dich nach Hause gebracht hatte, ist er ausgerastet und meinte, ich soll gefälligst meine Finger von dir lassen, dich nicht treffen. Aber ich habe bloß gelacht, weil ich dachte, er ist besoffen.«

»Hat er … hat er dir vom Fluss erzählt? Und von … den anderen Sachen?« Ich halte den Atem an. Zeds mitleidiger Blick beantwortet meine Frage. »O Gott.« Ich verberge das Gesicht in den Händen.

»Er hat uns alles erzählt … wirklich alles …«, sagt Zed leise.

Schweigend schalte ich mein Handy aus. Seit ich die Bar verlassen habe, versucht er es pausenlos bei mir. Er hat kein Recht mehr dazu, mich anzurufen.

»In welchem Wohnheim bist du jetzt?«, fragt Zed. Erst da fällt mir auf, dass wir schon fast an der Uni sind.

»Ich wohne nicht mehr auf dem Campus. Hardin und ich …« Ich kann kaum den Satz beenden. »Er hat mich überredet, dass wir zusammenziehen. Ist nicht länger als eine Woche her.«

»Er hat was?« Zed schnappt nach Luft.

»Doch. Er ist so jenseits von … er ist völlig …« Mir fällt kein passendes Wort für seine Grausamkeit ein.

»Ich hätte nie gedacht, dass er so weit geht. Ich war davon ausgegangen, sobald wir die … du weißt schon … den Beweis gesehen haben, wird er wieder normal und hat jede Nacht eine andere. Doch dann ist er einfach abgetaucht. Hat sich kaum noch bei uns blicken lassen, außer neulich abends. Da kam er auf einmal zu den Docks und wollte Jace und mich überreden, dir nichts von der Sache zu erzählen. Er hat Jace sogar einen Haufen Kohle dafür geboten, dass er die Klappe hält.«

»Kohle?« Schlimmer konnte es nicht mehr werden. Das Innere von Zeds Truck scheint mit jeder neuen abartigen Enthüllung kleiner zu werden.

»Ja. Jace hat natürlich bloß gelacht und Hardin versprochen, dass er nix sagen wird.«

»Du nicht?«, frage ich, weil mir Hardins blutige Knöchel und Zeds übel zugerichtetes Gesicht wieder einfallen.

»Nicht wirklich … Ich hab zu ihm gesagt, wenn er es dir nicht bald erzählt, dann tu ich’s für ihn. Das hat ihm nicht gefallen, wie man sieht.« Er zeigt auf seine Nase. »Wenn’s dich irgendwie tröstet, ich glaube wirklich, dass ihm was an dir liegt.«

»Tut es nicht. Und selbst wenn, ist das völlig egal.« Ich lehne den Kopf an die Fensterscheibe.

Hardins Freunde wissen von jedem Kuss und jeder Berührung, jeder Augenblick wurde vor ihnen ausgebreitet. Meine intimsten Erlebnisse. Alle meine intimen Erlebnisse gehören gar nicht mehr mir allein.

»Möchtest du mit zu mir kommen? Also, nicht dass du was Falsches denkst. Aber ich hab eine Couch, auf der du übernachten kannst, bis du … bis alles geklärt ist«, bietet er mir an.

»Nein. Nein, vielen Dank. Aber darf ich kurz dein Handy benutzen? Ich muss Landon anrufen.«

Zed nickt zum Smartphone auf der Mittelkonsole, und kurz frage ich mich, wie anders alles wäre, wenn ich Zed nach dem Bonfire keine Abfuhr erteilt hätte. Dann hätte ich all diese Fehler nie gemacht.

Landon geht nach dem zweiten Klingeln ran, und wie erwartet bietet er mir an, bei ihnen zu übernachten. Obwohl ich ihm gar nicht erzählt habe, was passiert ist. Landon hilft einfach gerne. Ich gebe Zed die Adresse. Während der Fahrt quer durch die Stadt redet er wenig.

»Hardin macht mir garantiert die Hölle heiß, weil ich dich nicht in eure Wohnung gebracht habe«, meint er schließlich.

»Ich würde mich ja dafür entschuldigen, dich da mit reingezogen zu haben … aber das habt ihr Jungs euch selbst eingebrockt«, erwidere ich. Zed tut mir schon irgendwie leid, denn er hatte bestimmt nicht so miese Absichten wie Hardin, aber ich bin noch viel zu verletzt, um über so etwas überhaupt nachzudenken.

»Ich weiß. Wenn du irgendwas brauchst, ruf mich an«, sagt er, und ich nicke, bevor ich aus dem Auto steige.

Mein Atem bildet Dampfwolken in der eisigen Luft, doch ich spüre die Kälte gar nicht. Ich spüre überhaupt nichts.

Landon ist mein einziger Freund, nur wohnt er leider im Haus von Hardins Vater. Ironie des Schicksals.

»Das ist ja ein Wetter!«, meint Landon und scheucht mich ins Haus. »Wo hast du denn deinen Mantel?«, fragt er halb vorwurfsvoll, halb im Scherz. Dann zuckt er zusammen, als das Licht im Flur auf mein Gesicht fällt. »Was ist passiert? Was hat er getan?«

Während mein Blick den Raum absucht, hoffe ich, dass Ken und Karen nicht auch hier unten sind. »Ist es so offensichtlich?« Ich versuche, meine Tränen wegzuwischen.

Als Landon mich in seine Arme nimmt, habe ich keine Kraft mehr zu heulen, weder körperlich noch emotional. Diesen Punkt habe ich längst überschritten.

Landon holt mir ein Glas Wasser und sagt: »Geh am besten gleich hoch in dein Zimmer.«

Es gelingt mir zu lächeln. Oben angekommen führt mich irgendein perverser Instinkt direkt zu Hardins Tür. Als mir das bewusst wird, flammt der Schmerz wieder auf und droht mich zu überwältigen. Schnell drehe ich mich weg. Während ich die Tür gegenüber öffne, kommen die Erinnerungen an jene Nacht zurück, als ich Hardin nachts im Schlaf schreien hörte, und sie brennen wie verrückt. Unbehaglich sitze ich nun in »meinem Zimmer« auf dem Bett und weiß nicht, was ich als Nächstes tun soll.

Einige Minuten später taucht Landon auf und setzt sich neben mich – nahe genug, um mir zu zeigen, dass er für mich da ist, aber trotzdem mit genügend Abstand, um nicht aufdringlich zu sein.

»Möchtest du darüber reden?«, fragt er.

Ich nicke. Als ich die ganze Geschichte noch einmal erzähle, schmerzt es fast noch mehr als in dem Moment, in dem ich davon erfahren habe. Trotzdem fühlt es sich fast befreiend an, Landon die Wahrheit zu sagen. Und es tröstet mich sogar etwas, dass wenigstens ein Mensch nicht darüber Bescheid wusste, wie ich die ganze Zeit gedemütigt wurde.

Landon hört mir wie gelähmt zu, und ich habe keine Ahnung, was er denkt. Was hält er jetzt von seinem Stiefbruder? Von mir? Aber als ich fertig bin, springt er sofort wütend auf.

»Ich fass es nicht! Was ist bloß los mit ihm, verdammt! Gerade dachte ich noch, dass er langsam fast … vernünftig wird … und dann bringt er so was! Das ist doch krank! Und dass er ausgerechnet dir das antut. Warum zerstört er das Einzige, was er hat?«

Kaum hat er seinen Satz beendet, hält er abrupt inne.

Da höre ich es auch: Eilige Schritte auf der Treppe. Nein, nicht nur Schritte: schwere Boots, die die Holzstufen hinaufpoltern.

»Er kommt hoch«, sagen wir beide gleichzeitig, und für den Bruchteil einer Sekunde überlege ich tatsächlich, mich im Kleiderschrank zu verstecken.

Landon blickt mich ernst an und sieht plötzlich sehr erwachsen aus. »Willst du ihn sehen?«

Heftig schüttele ich den Kopf. Gerade als Landon die Tür schließen will, schneidet Hardins Stimme wie ein Messer durch mich.

»Tessa!«

Landon hat die Hand nach der Klinke ausgestreckt, als Hardin schon hereinstürmt, direkt an ihm vorbei. Er bleibt in der Mitte des Zimmers stehen. Ich stehe vom Bett auf. Landon ist einen Moment lang fassungslos, er ist so etwas bestimmt nicht gewöhnt.

»Tessa, Gott sei Dank. Gott sei Dank bist du hier.« Seufzend fährt Hardin sich durch die Haare.

Bei seinem Anblick brennt es in meiner Brust, sodass ich mich schnell zur Wand drehe.

»Tessa, Baby. Hör mir zu. Bitte, hör mir einfach …«

Stumm drehe ich mich um und mache einige Schritte auf ihn zu. Hoffnung blitzt in seinen Augen auf, und er streckt die Hand nach mir aus, aber als ich wortlos an ihm vorbeigehe, sehe ich, wie die Hoffnung erlischt.

Gut so.

»Rede mit mir«, bettelt er.

Doch ich schüttele den Kopf und stelle mich neben Landon. »Nein. Ich werde nie wieder mit dir reden!«

»Das meinst du nicht so …« Hardin kommt näher.

»Lass mich in Ruhe!«, schreie ich, als er nach meinem Arm greift.

Sofort tritt Landon zwischen uns und packt seinen Stiefbruder an der Schulter. »Hardin, du solltest jetzt gehen.«

Die Muskeln in Hardins Kiefer zucken, während sein Blick zwischen uns hin und her wandert. »Landon, verpiss dich«, warnt er ihn.

Doch Landon weicht nicht vor ihm zurück. Ich kenne Hardin gut genug, um zu wissen, dass er sich gerade überlegt, ob er Landon vor meinen Augen eine reinhauen soll.

Offensichtlich entscheidet er sich dagegen, denn er holt tief Luft und sagt beherrscht: »Bitte … lass uns kurz allein.«

Landon...