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Psychotherapie in der Frauenheilkunde

Judith Alder, Corinne Urech

 

Verlag Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG, 2014

ISBN 9783840924415 , 90 Seiten

Format PDF, OL

Kopierschutz Wasserzeichen

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16,99 EUR


 

2 Ungewollte Kinderlosigkeit (S. 25-26)

2.1 Beschreibung

Mit den vielseitigen Möglichkeiten einer erfolgreichen Antikonzeption hat sich die Familienplanung grundlegend verändert. Ihr unterliegen heute in der Regel eine bewusste Entscheidung und eine aktive Handlung – das Absetzen der Verhütungsmaßnahmen und der damit verbundene Wunsch, schwanger zu werden.

Das Nichteintreten einer Schwangerschaft in den folgenden Monaten ist für viele Paare zunehmend belastend: Der auf die fruchtbaren Tage hin geplante Geschlechtsverkehr verändert die partnerschaftliche Sexualität auf motivationaler, häufig aber auch auf Verhaltensebene. Der Fokus liegt weniger auf der Intimität als auf dem möglichen Resultat des Geschlechtsverkehrs, welches sich erst nach einer Phase des Wartens abzeichnet. Die wiederholten Enttäuschungen beim Beginn der Menstruation, ein zunehmender Zeitdruck, den sich viele Paare machen („Schon wieder ein Monat vergangen“), die schmerzhafte Erfahrung, dass andere Paare schwanger und Eltern werden und das Angesprochen werden auf die Kinderfrage durch das Umfeld beeinflussen das Paar häufig bereits über einen längeren Zeitraum hinweg, bevor es sich zu einer Abklärung der ungewollten Kinderlosigkeit entschließt. Die erlebten Enttäuschungen haben intrapersonell und paarbezogen vielseitige Auswirkungen auf emotionaler, kognitiver und Verhaltensebene und sie beeinflussen im Sinne einer Einengung oft auch die Zufriedenheit in Lebensbereichen, die nicht direkt mit dem Kinderwunsch assoziiert sind. Schuldgefühle und Selbstvorwürfe, mit der Familienplanung zu lange gewartet zu haben, aufgrund des jetzigen oder vergangenen Lebensstils nicht schwanger zu werden oder über einen defizitären Körper zu verfügen, implizieren eine Kontrollierbarkeit des Kinderwunsches. Trauer, depressive Stimmung, Wut, Neid und Gereiztheit sind häufige affektive Reaktionen und tragen neben der Schwierigkeit, sich mit den Themen von befreundeten Eltern auseinanderzusetzen, zu einem sozialen Rückzug und einer zunehmenden Isolierung des Paares bei.

Die Reaktion auf die Diagnose einer körperlichen Beeinträchtigung, welche die Erfüllung des Kinderwunsches erschwert, wird oftmals verglichen mit dem Diagnoseschock auf eine schwere Erkrankung. Wenn die Ursache vorwiegend auf einen Partner zurückzuführen ist, kann eine ungelöste Auseinandersetzung mit der Schuldfrage paardynamisch komplexe Auswirkungen haben.

Reproduktionsmedizinische Maßnahmen bieten eine Möglichkeit, sich nach einer oftmals längeren Phase der Verunsicherung wieder aktiv für eine Problemlösung zu engagieren. Gleichzeitig stellt die Behandlung selbst eine Belastung für den Körper dar – für die Frau deutlich größer als für den Mann. Die Wahrscheinlichkeit, über diesen Weg den Kinderwunsch erfüllen zu können, liegt bei einer Frau unter 35 Jahren je nach Ursache und Behandlungsmöglichkeit kumulativ über vier Behandlungszyklen bei 50 bis 80 %. Das bedeutet einerseits, dass viele Paare auch jetzt gefordert sind, mit Wartezeiten, Hoffen und Enttäuschung umzugehen, bis eine Schwangerschaft eintritt. Andererseits aber auch, dass jedes vierte bis fünfte Paar kinderlos bleiben wird – bei höherem Alter der Frau noch mehr.