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Die Wirtschaftstrends der Zukunft

Hermann Simon

 

Verlag Campus Verlag, 2011

ISBN 9783593410890 , 218 Seiten

Format PDF, ePUB, OL

Kopierschutz Wasserzeichen

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39,99 EUR

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Hidden Champions – Speerspitze der deutschen Wirtschaft


Haben Sie jemals Firmennamen wie Delo, Baader, 3B Scientific, Tetra, Gartner, Gerriets oder Wanzl gehört? Vermutlich nicht! 80 Prozent aller Smartcards und mehr als die Hälfte aller Handys in der Welt werden von den Spezialklebstoffen von Delo aus Landsberg am Lech zusammengehalten. In Island heißt ein qualifizierter Mechaniker »Baader-Man«. Im Zweifel wurde er an Systemen der Lübecker Firma Baader ausgebildet, die bei Fischverarbeitungsanlagen einen Weltmarktanteil von 80 Prozent hat. 3B Scientific aus Hamburg ist die globale Nummer 1 bei anatomischen Lehrmitteln. Die Fassaden der größten Hochhäuser stammen von Gartner aus Gundelfingen im Schwäbischen, selbstverständlich auch die der derzeit höchsten Gebäude Taipeh 101 und Burj Chalifa in Dubai. Gerriets ist der weltweit einzige Hersteller großer Bühnenvorhänge. Egal, ob Sie in der Metropolitan Opera in New York, in der Scala in Mailand oder in der Opera Bastille in Paris sitzen, die Vorhänge kommen von Gerriets |32|aus Umkirch in Baden. Wenn Sie beim nächsten Mal am Flughafen in Tokio, Mumbai oder Mexico City ankommen, dann schauen Sie mal auf das Schild am Gepäckwagen. Dort steht Wanzl, der Name des deutschen Weltmarktführers für Einkaufs- und Gepäckwagen.

Ja, diese Firmen sind die wahre Speerspitze der deutschen Wirtschaft. Insgesamt haben wir in Deutschland 1 250 dieser mittelständischen, kaum bekannten Weltmarktführer. In meiner weltweiten Liste mittelständischer Weltmarktführer, die ich seit 25 Jahren zusammenstelle, stehen gut 2 500 Firmennamen. Die Hälfte davon ist aus Deutschland – einzigartig und unglaublich! Kein Land in der Welt hat auch nur annähernd so viele Weltmarktführer wie wir. Ihnen und nicht den bekannten Großunternehmen haben wir unsere herausragende Exportperformance zu verdanken. Man kann getrost sagen, dass die Deutschen ihre eigene Wirtschaft nicht kennen. Denn immer wieder stelle ich in Gesprächen mit Politikern, Journalisten und erst recht mit den Menschen auf der Straße fest, dass die Namen der Hidden Champions weitgehend unbekannt sind. Ein ungläubiges Staunen schlägt einem entgegen, wenn man die Fakten berichtet.

Hier sind ausgewählte Tatsachen:

  • die Hidden Champions haben seit 1995 eine Million neue Arbeitsplätze geschaffen, davon etwa 350 000 in Deutschland,

  • sie sind mit »chinesischen« Raten gewachsen und heute zweieinhalbmal so groß wie in den 90er Jahren,

  • aus einigen früheren Hidden Champions wurden wahre Riesen mit Umsätzen in der Größenordnung von zehn Milliarden oder mehr, z. B. Fresenius Medical Care, SAP oder Würth,

  • die Hidden Champions haben ihre Weltmarktanteile stark gesteigert,

  • und sie erleben eine Welle massiver Innovationen.

Diese Fakten weichen sehr stark von dem Bild ab, das bei den Menschen in Deutschland in diesen Jahren vom Zustand der deutschen Wirtschaft herrschte. Dieses Bild wurde vor allem durch Negativschlagzeilen über Großunternehmen geprägt. Die unglaublichen Erfolge der Hidden Champions blieben der Öffentlichkeit weitestgehend verborgen.

Warum sind diese Unternehmen nun so erfolgreich? Was machen sie anders als Großunternehmen? Antwort: fast alles! Was kann man von ihnen lernen? Hier sind die wichtigsten Lektionen, von denen sich große wie kleine Firmen ein Stück abschneiden können:

 

|33|1. Extrem ambitiöse Ziele

 

Weltmarktführer wird man nicht durch Zufall, sondern nur, indem man sich extrem ambitiöse Ziele setzt und diese mit nie endender Ausdauer verfolgt. Die Ziele der Hidden Champions sind auf Wachstum und Marktführerschaft ausgerichtet. »Das Ziel von Chemetall ist die weltweite Technologie- und Marketingführerschaft«, heißt es beim Weltmarktführer für Cäsium und Lithium. 3B Scientific verkündet: »Wir wollen weltweit die Nummer 1 sein und bleiben.« Solche Ziele haben auf die Mitarbeiter eine stark motivierende Wirkung. Jeder identifiziert sich gerne damit, der Erste, der Beste, der Technologieführer oder der Marktführer zu sein. Die Hidden Champions haben ihre Marktanteile in den letzten zehn Jahren massiv gesteigert. Der durchschnittliche Weltmarktanteil ist von 30 auf 33 Prozent gestiegen. Noch stärker verbessert hat sich ihre relative Marktposition. Vor zehn Jahren waren sie im Schnitt 56 Prozent größer als ihr weltweit stärkster Konkurrent, per 2008 übertrafen sie diesen um sagenhafte 134 Prozent.

 

2. Fokus und Tiefe

 

Nur durch Fokus und Konzentration wird man Weltklasse. Die Hidden Champions sind auf enge Märkte fokussiert. Die Firma Uhlmann, Weltmarktführer für Pharma-Verpackungssysteme, sagt: »Wir hatten immer nur einen Kunden, und wir werden auch in Zukunft immer nur einen Kunden haben, die Pharmaindustrie – nur das, aber das richtig!« Die flexiblen Hundeleinen von Flexi Bogdahn kann man in der ganzen Welt kaufen, dahinter steht folgende Einstellung: »Wir werden nur eins machen – aber das machen wir spitze!« Die Fokussierung ist verbunden mit einer tiefen Aufstellung in der Wertschöpfung. Von der Modeerscheinung Outsourcing halten die Hidden Champions wenig. Wenn es um ihre Kernkompetenzen geht, machen sie fast alles selbst. Ihre Fertigungstiefe liegt bei 50 Prozent, der deutsche Schnitt bei 29 Prozent. Durch diese Tiefe erreichen sie Einzigartigkeit, denn diese kann man nur intern schaffen.

 

|34|3. Globalisierung

 

Fokussierung macht die Märkte klein. Wie macht man sie groß? Durch Globalisierung! Die Hidden Champions haben in den letzten Jahren mit enormer Konsequenz und Energie internationalisiert und sind heute in allen wichtigen Märkten mit eigenen Gesellschaften vertreten. Sie delegieren die Beziehung zum Kunden nicht an Dritte, sondern zeigen vor Ort Präsenz. Das gilt insbesondere für die Märkte der Zukunft wie China und Indien. Oft werde ich gefragt, wie viele der Hidden Champions bereits in China sind. Meine Antwort lautet: »Alle«. Das ist zwar nicht ganz richtig, kommt dem Kern der Sache aber nahe.

 

4. Innovation

 

Die Forschungs- und Entwicklungsquote (F&E als Prozentsatz vom Umsatz) der Hidden Champions übertrifft mit 6 Prozent die Quote aller deutschen Unternehmen, die F&E betreiben, um das Doppelte. Pro 1000 Mitarbeiter melden sie fünfmal so viele Patente an wie patentintensive Großunternehmen (30 vs. 6 Patente pro 1 000 Mitarbeiter). Ein Patent kostet dabei nur etwa ein Fünftel so viel wie in großen Firmen (0,5 vs. 2,7 Mio. Euro). Markt und Technik werden bei der Innovation von 65 Prozent der Hidden Champions, hingegen nur von 19 Prozent der Großunternehmen gleichgewichtig integriert.

 

5. Kundennähe und Wettbewerbsvorteile

 

Bei den Hidden Champions haben etwa 25 bis 50 Prozent aller Mitarbeiter regelmäßig Kundenkontakt, bei Großunternehmen sind es nur 5 bis 10 Prozent. Kundennähe ist die insgesamt größte Stärke der Mittelständler, noch vor der Technologie. Produktqualität und Service sind hervorstechende Wettbewerbsvorteile. Neu hinzugekommen als Wettbewerbsvorteile sind in den letzten Jahren Beratung und Systemintegration. Diese Wettbewerbsvorteile sind schwerer imitierbar als Produktvorteile, da sie nicht in den Produkten, sondern in den Köpfen der Mitarbeiter stecken. Die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen ist im globalen Wettbewerb |35|in den letzten Jahren nicht schlechter, sondern besser geworden. Die Hidden Champions spielen dabei die Vorreiterrolle.

 

6. Treue und qualifizierte Mitarbeiter

 

Die Fluktuationsrate der Hidden Champions liegt mit 2,7 Prozent pro Jahr weit unter dem deutschen Durchschnitt von 7,3 Prozent. Dieser Indikator ist wichtiger als der Krankenstand, denn mit Fluktuation geht Know-how verloren. Qualifikationsmäßig haben die Hidden Champions massiv aufgerüstet. Der Anteil der Mitarbeiter mit Hochschulabschluss ist seit Mitte der 90er Jahre von 8,5 Prozent auf 19,1 Prozent gestiegen. Da sie gleichzeitig stark gewachsen sind, hat sich die absolute Zahl der Mitarbeiter mit Hochschulabschluss von 109 auf 389 pro Hidden Champion fast vervierfacht. Der globale Wettbewerb wird immer mehr zum Qualifikationswettbewerb. Bessere Qualifikation ist das einzig dauerhafte Fundament unserer Überlegenheit.

 

7. Starke Führung

 

An der Spitze der Hidden Champions stehen starke Persönlichkeiten, die sich durch eine totale Identifikation mit ihren Unternehmen und ihrer Aufgabe auszeichnen. Im Schnitt bleiben die Chefs 20 Jahre an der Spitze, bei DAX-Vorständen lag dieser Wert in der jüngeren Vergangenheit bei nur fünf Jahren. Allein dieser Unterschied sagt alles im Hinblick auf Kontinuität und langfristige Orientierung eines Unternehmens. Junge Chefs und Frauen spielen eine weit größere Rolle als in großen Firmen.

Und wie wurden die Hidden Champions mit der Krise fertig? Natürlich waren auch diese Firmen von der Wirtschaftskrise betroffen, sogar stark, wenn sie im Maschinenbau oder der Autozulieferindustrie tätig sind. Die Hidden Champions scheinen jedoch mehrheitlich von Krisen zu profitieren. Jedenfalls vertrat gut die Hälfte der Befragten die Meinung, dass sie in der Vergangenheit besser durch Krisen gekommen sind als ihre Branche insgesamt. Die meisten Befragten sagten zudem, dass sei bei früheren Abschwüngen ähnlich gewesen und daran habe sich wenig geändert....