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Psychologische Grundlagen der Gerontologie

Mike Martin, Matthias Kliegel, Clemens Tesch-Römer, Hans-Werner Wahl, Siegfried Weyerer, Susanne Zank

 

Verlag Kohlhammer Verlag, 2014

ISBN 9783170239913 , 284 Seiten

4. Auflage

Format PDF, ePUB, OL

Kopierschutz Wasserzeichen

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21,99 EUR

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2         Psychologische Grundlagen der Gerontologie: Definitionen


 

 

 

2.1        Gegenstand der Gerontopsychologie


Ausgangspunkt der Darstellungen in diesem Buch ist zunächst die Definition des Gegenstandes der Gerontopsychologie. Anschließend wird dann auf die in der Definition verwendeten Begriffe ausführlicher eingegangen. Gegenstand der Gerontopsychologie ist die Beschreibung und Erklärung der Veränderungen von Strukturen und Prozessen über die gesamte Lebensspanne, die menschliches Erleben und Verhalten und dessen interindividuelle Unterschiede bis ins extrem hohe Alter bedingen. Eine wichtige Aufgabe stellt die Untersuchung der psychischen Verarbeitung und Bewältigung der mit dem Älterwerden verbundenen Defizite, Einschränkungen und Verluste dar. Von herausgehobener Bedeutung sind die soziale, emotionale und kognitive Entwicklung im höheren Erwachsenenalter sowie die Wechselwirkungen mit gesellschaftlichen, sozialen und räumlichen Rahmenbedingungen.

Zu deren Erforschung dient die Entwicklung adäquater Untersuchungsinstrumente von Befragungen bis zu längsschnittlichen Veränderungsmessungen und die Kombination experimenteller, psychometrischer, quer- und längsschnittlicher Ansätze. Die Erforschung von Entwicklungsprozessen im höheren Alter erfolgt mit einem Anwendungsbezug und schließt die Methoden der Intervention und Prävention ein. Sie bildet damit die Grundlagen für Anwendung und praktischpsychologische Tätigkeiten im Bereich der Gerontopsychologie (Wahl, Diehl, Kruse, Lang & Martin, 2008).

2.1.1      Altersdefinitionen


Die Bezeichnung »Alter« ist weniger eindeutig, als man oft annimmt. Alter wird meist als chronologisches Alter gefasst, also die Zeit zwischen Geburtsdatum und dem aktuellen Datum. Tatsächlich bestehen zwischen Personen gleichen Alters oft große Unterschiede in psychologisch wichtigen Bereichen. Daher gibt es abhängig von theoretischen oder statistischen Grundannahmen eine Reihe von Altersdefinitionen.

Normales, erfolgreiches und pathologisches Alter


Gerade im Hinblick auf die Vergleichbarkeit von Stichproben alter Personen wird angesichts der großen Unterschiede der Alternsformen (Thomae, 1983) innerhalb gleichaltriger Gruppen ( Kap. 1.2.4 zu Variabilität) versucht, Eigenschaften von größeren Gruppen gleichaltriger alter Personen zu definieren. Hierzu werden zumeist funktionale Aspekte des Befindens herangezogen (vgl. Gerok & Brandtstädter, 1992). Unter »normalem Altern« versteht man nicht das durchschnittliche Alter, sondern das Altern ohne chronische Erkrankungen wie Demenz, Diabetes oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen, um den Alternsprozess von körperlichen Erkrankungen abzugrenzen. Entsprechend werden unter »pathologischem Altern« Veränderungsprozesse verstanden, die mit einer chronischen Erkrankung einhergehen.

Als »erfolgreiches Altern« wird bezeichnet, wenn alternde Personen selbst einen Zustand der Zufriedenheit empfinden, weil es ihnen gelingt, sich an die veränderte Lebenssituation im Alter anzupassen (Havighurst, 1948/1972). Es bezeichnet also zunächst ein subjektives Kriterium, das als Resultat des Ausgleichs zwischen individuellen Bedürfnissen und dem aktuellen Entwicklungskontext gilt (vgl. Lehr, 2003). Die Bezeichnung wird aber auch im Zusammenhang mit einem relativ hohen Maß an objektiver Gesundheit und Langlebigkeit und subjektivem Wohlbefinden und Lebenszufriedenheit verwendet. Die Bezeichnung »erfolgreiches Altern« ist uneindeutig, da die Definition von »Erfolg« wesentlich von der individuellen Lebenssituation und Zielsetzung abhängt und somit auch angesichts von erheblichen objektiven Belastungen wie beispielsweise einer Erkrankung oder dem Verlust einer nahestehenden Person verwendet werden kann. Die Bezeichnung kann missverständlich sein, wenn darunter ausschließlich objektive Kriterien wie beispielsweise die Lebenserwartung, die ja nicht notwendigerweise positiv erlebt werden muss, verstanden werden (vgl. Lindenberger, 2002; Yerkes, 1921).

Tab. 2.1: Altersdefinitionen

Keine der Definitionen fußt ausschließlich auf psychologischen Aspekten, sondern wird stark durch pragmatische, demographische oder populationsstatistische Überlegungen geprägt. So ist auch keine der Definitionen unproblematisch. Beispielsweise könnte sich mit der Verschiebung der Altersgrenze oder der Veränderung der Lebenserwartung eine Verschiebung der Altersdefinition ergeben, in einem Ländervergleich z. B. zwischen Südafrika und der Schweiz müssten zur Erzielung von definitorisch Gleichaltrigen Personen im »Vierten Alter« über 45-Jährige mit über 80-Jährigen verglichen werden. Die Altersbestimmung über Lebensereignisse oder die Pensionierung ist auch deshalb problematisch, weil diese Ereignisse nicht alle Mitglieder einer Altersgruppe betreffen, sondern manche eben nur diejenigen, die berufstätig sind, oder diejenigen, die verheiratet sind oder Kinder haben. Darüber hinaus ist das Altersspektrum, in dem diese Ereignisse eintreten, relativ breit. Analog wird vorgeschlagen, Alter anhand von Entwicklungsaufgaben festzumachen. Die Definition der Nähe zum Tod ist praktisch dann problematisch, wenn der Zeitraum oder die Ursache des Todes unberücksichtigt bleiben und demnach auch ein sterbendes Kind alt wäre.

Dennoch spiegeln die Definitionen jeweils auch theoretische Annahmen und empirische Erkenntnisse wider, was den Alternsprozess aus psychologischer Sicht kennzeichnet. So ist die Annahme, dass Altern vor allem durch körperliche Abbauprozesse, funktionale Einschränkungen oder Erkrankungen bestimmt ist, gleich in mehreren Definitionen vertreten. Dagegen ist die subjektive Einschätzung als »hartes« Maß weniger gut geeignet, da bekannt ist, dass es mit zunehmendem Alter zu einer stärkeren systematischen Unterschätzung des kalendarischen Alters kommt und sich Frauen und Männer in dieser Einschätzung systematisch unterscheiden. Andererseits könnten sich genau darin Alternsprozesse differentiell widerspiegeln, beispielsweise in dem Sinne, dass mit zunehmendem Alter Informationen stärker im Hinblick auf gewünschtes Lebensalter als auf gelebtes Lebensalter gewichtet werden könnten oder man stärker auf den Vergleich mit Gleichaltrigen Bezug nimmt.

2.1.2      Forschungsdefinitionen


Zumeist beschäftigt sich die Gerontopsychologie mit dem hohen Alter (65+ Jahre). Aufgrund der Tatsache, dass das bisher maximal erreichte Lebensalter bei über 122 Jahren liegt und der Bereich des Alters somit einen Zeitraum von über 55 Jahren abdeckt, findet man innerhalb des Altersbereichs zunehmend häufiger weitere Abgrenzungen. So gibt es die Unterteilung in hohes Alter (65–80 Jahre), sehr hohes Alter (80+) und extremes Alter (100+). Aus der Überlegung des Einflusses von früheren Lebensphasen auf die Entwicklung im Alter findet man auch zunehmend häufiger Arbeiten, die den Bereich des mittleren Alters (ca. 30–65 Jahre) und dessen Bedeutung für das hohe Alter untersuchen (Martin, Zehnder & Zimprich, 2008; Willis & Schaie, 2005).

In der gerontopsychologischen Forschungsliteratur sind die Untersuchungspersonen oder Altersgruppen in der Regel 60 Jahre und älter, die älteste Versuchsperson war bisher 122 Jahre alt (Rott, 2004). Forschungspragmatisch hat sich also die Altersgruppe 60+ durchgesetzt, und auch wir werden uns auf diese Altersgruppe konzentrieren. Der Grund liegt darin, dass es in der Forschung ja zunächst darum geht, sinnvoll auf die Dimension Alter zu beziehende psychologische Phänomene zu beschreiben. Also beispielsweise indem man fragt, wie sich junge von alten Personen darin unterscheiden, welche Einstellungen sie zu ihrem eigenen Altern haben oder welche Bedeutung körperliche Unversehrtheit für ihr Wohlbefindensurteil hat. Wenn es diese Unterschiede gibt, gilt es, dieses Phänomen zu erklären. Und hier entscheidet sich dann aufgrund theoretischer Annahmen, welche Vergleichsgruppen angemessen sind.

Will man beispielsweise untersuchen, ob die erlebten positiven und negativen Ereignisse einen Einfluss auf die Einstellung zum Altern haben, dann benötigt man Stichproben von Personen gleichen Alters, die sich im Hinblick auf die erlebten Ereignisse unterscheiden. Nimmt man an, dass die 50 % oder 5 % der Überlebenden eines Geburtsjahrgangs im Hinblick auf Bildung oder aktives lebenslanges Gesundheitsverhalten eine positive Auswahl ihres Geburtsjahrgangs darstellen und vermutet aus diesem Grund eine geringe Variabilität innerhalb dieser Gruppe, dann kann ein Kulturvergleich erforderlich machen, chronologisch jüngere mit chronologisch älteren Personen zu vergleichen. So kann die Vergleichbarkeit im Hinblick auf die...