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Motorradtechnik - Grundlagen und Konzepte von Motor, Antrieb und Fahrwerk

Jürgen Stoffregen

 

Verlag Vieweg+Teubner (GWV), 2007

ISBN 9783834891457 , 437 Seiten

6. Auflage

Format PDF, OL

Kopierschutz Wasserzeichen

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22,99 EUR


 

10 Fahrdynamik und Fahrversuch (S. 334-335)

Die Fahrdynamik des Motorrades wird durch komplexe Zusammenhänge beschrieben. Die notwendigen physikalischen Grundlagen und Kenntnisse der Mechanik, die für eine Erläuterung der Stabilisierungsvorgänge und der Einflussgrößen bei der Kurvenfahrt vonnöten sind, können nicht vorausgesetzt, in einem Buch der Motorradtechnik aber auch nicht in der erforderlichen Breite dargestellt werden. Es werden daher zugunsten des besseren Verständnisses und einer möglichst großen Anschaulichkeit die Vorgänge vereinfacht. Behandelt werden in diesem Kapitel die Vorgänge der Geradeausstabilisierung, die Grundlagen der Kurvenfahrt und die Instabilitäten, die beim Fahren auftreten können.

Da viele Vorgänge nur im Fahrversuch erfasst werden können, wird darauf in knapper Form ebenfalls eingegangen. Ein wichtiger Aspekt bei der Motorrad-Fahrdynamik ist das enge Zusammenspiel zwischen Fahrwerksreaktionen und Fahrer sowie die ausgeprägte Rückwirkung des Fahrers auf das Fahrverhalten. Es sind u.a. diese menschlichen Einflussfaktoren, die es mit sich bringen, dass bei der Fahrdynamik viele Vorgänge (noch) nicht exakt berechenbar sind, sondern man vielfach noch auf das subjektive Fahrerempfinden bei der Beurteilung angewiesen ist.

In neuerer Zeit wurden allerdings für das fahrdynamische Verhalten des Motorrades und des Fahrers mathematische Modelle entwickelt, mit deren Hilfe Simulationsrechnungen durchgeführt werden können. Das Zusammenspiel von Fahrzeug, Fahrer und Fahrbahn bei beliebigen Fahrmanövern lässt sich damit vorausberechnen. Die Ergebnisse können als Computeranimation dargestellt werden, so dass die Fahrzeugreaktionen realitätsnah und anschaulich sichtbar gemacht werden können. Die gezielte Voraussage des Fahrverhaltens schon in der Konstruktionsphase wird mit diesen Simulationsrechnungen möglich. Wegen der Komplexität der mathematischen Zusammenhänge wird auf die Simulationsrechnung nicht näher eingegangen, dem interessierten Leser wird die Literatur zu diesem Thema, [10.1 - 10.3], empfohlen.

10.1 Geradeausfahrt und Geradeaustabilität

Als Einspurfahrzeug befindet sich das Motorrad im labilen Gleichgewicht und wird (im Gegensatz zum Auto) rein dynamisch stabilisiert, eine Erfahrung, die man schon im Kindesalter beim Erlernen des Radfahrens macht. Die für die Fahrdynamik wesentliche Frage lautet: Warum fährt ein Einspurfahrzeug ohne umzufallen ? Zur Klärung dieser Frage müssen zunächst die geometrischen Gegebenheiten am Motorradfahrwerk und die Kraftwirkungen beim Fahren betrachtet werden. Eine wichtige Rolle spielen dabei die Kreiselkräfte, die sich am drehenden Rad einstellen und die eigentliche Stabilisierung des Motorrades bewirken.

10.1.1 Kreiselwirkung und Grundlagen der dynamischen Stabilisierung

Allgemein wird jeder massebehaftete Körper, der in einem Punkt drehbar gelagert ist (Rotationszentrum) und eine schnelle Rotation um diesen Punkt ausführt, als Kreisel bezeichnet. In diesem Sinne sind die drehenden Laufräder eines Motorrades als Kreisel aufzufassen. Kreisel haben das Bestreben, ihre eingenommene Lage stabil beizubehalten, und sie reagieren auf Störungen von außen nur wenig. Zwingt man dem Kreisel aber eine zusätzliche (langsame) Drehbewegung um eine andere Achse (die nicht Rotationsachse ist) auf, so weicht der Kreisel auf unerwartete Weise, nämlich senkrecht zu dieser Achse, aus. Er versucht, seine Rotationsachse in (gleichsinnige) Übereinstimmung mit der Achse der aufgezwungenen Drehbewegung zu bringen. Dieses Ausweichen wird als Präzession bezeichnet.