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Depressive Störungen über die Lebensspanne - Ätiologie, Diagnostik und Therapie

Christine M. Freitag, Arnd Barocka, Christoph Fehr, Michael Grube, Harald Jürgen Hampel

 

Verlag Kohlhammer Verlag, 2012

ISBN 9783170274884 , 218 Seiten

Format PDF, ePUB, OL

Kopierschutz Wasserzeichen

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34,99 EUR

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II Ausgewählte Therapieansätze


6 Kognitiv-verhaltenstherapeutische Behandlung der wiederkehrenden Depression


Christine Hilling, Ulrich Stangier

Einleitung


Mit jeder erlebten Episode steigt das Rezidivrisiko (Keller & Boland 1998), sodass neben der Akutbehandlung auch eine Rückfallprophylaxe als besonders wichtig erscheint. Es lässt sich festhalten, dass depressive Störungen am häufigsten als rezidivierende Störungen auftreten.

In zahlreichen Studien zeigte sich, dass trotz medikamentöser Prophylaxe die Rückfallraten weiter hoch sind (Friedman et al. 2004). Aufgrund des teilweise hohen Nebenwirkungspotentials der Medikamente oder generellen Compliance-Problemen ist es demnach wichtig, auch geeignete psychotherapeutische Ansätze zur Rückfallprophylaxe zu finden, die alternativ zu oder in Kombination mit der medikamentösen Prophylaxe eingesetzt werden können. Aktuell liegen bereits viele verschiedene gut evaluierte und wirksame Therapieansätze vor, die im Weiteren vorgestellt werden sollen.

Erklärungsmodelle

Die Modelle zur Entstehung geben auch Hinweise darauf, welche Faktoren das Wiederauftreten der Depression erklären. Verschiedene psychologische und klinische Merkmale sind mit depressiven Rückfällen assoziiert. Zu den klinischen Risikofaktoren zählt zum einen das Alter des Betroffenen bei Erkrankungsbeginn. Ein niedriges Erstmanifestationsalter hängt mit der Schwere des Verlaufs der Störung zusammen (Gilman et al. 2003, Klein et al. 1999). Zu den klinischen Risikofaktoren zählt zum anderen die Anzahl der Rezidive in der Vorgeschichte des Patienten (Solomon et al. 2000). Je mehr Rezidive bereits in der Vergangenheit durchlebt wurden, desto kürzer ist die Zeit bis zur nächsten Episode. Wurde erst eine depressive Episode erlebt, dauerte es bis zum Rückfall ca. vier Jahre. Dagegen wurde bereits nach 1,5 Jahren eine erneute depressive Episode erlebt, wenn in der Vorgeschichte bereits vier Episoden aufgetreten waren (Keller & Boland 1998). Weiterhin wird neben der Anzahl der vorangegangenen depressiven Episoden auch die Anzahl der Residualsymptome, die nach den Rezidiven weiter bestehen, als Risikofaktor betrachtet (Judd et al. 2000).

Neben den klinischen werden auch psychologische Risikofaktoren benannt. In diesem Zusammenhang wird von kognitiver Vulnerabilität gesprochen. Dabei zeigen unterschiedliche Studien, dass das Vorliegen depressogener kognitiver Schemata, Hoffnungslosigkeit sowie dysfunktionale Einstellungen Prädiktoren für einen Rückfall darstellen (Lewinsohn et al. 1999, Alloy et al. 2000, Sheppard & Teasdale 2004). Teasdale (1988) beschreibt in seinem »differential activation model« den Zusammenhang dieser kognitiven Vulnerabilität und den Auslöser von depressiven Rezidiven. Dabei geht Teasdale (1988) in seinem Modell davon aus, dass es bei der Erstmanifestation zur Etablierung einer Assoziation zwischen negativer Informationsverarbeitung und depressiver Stimmung kommt. Dabei führen dann im Folgenden geringfügige Alltagsbelastungen und negative Stimmungen auch eine negative Informationsverarbeitung aus, was letztlich die depressive Stimmung verstärkt. Von Lewinsohn et al. (1999) wurde festgestellt, dass Erstmanifestationen mit der Anzahl negativer Lebensereignisse vorhergesagt werden, nicht jedoch Rezidive: Diese werden lediglich von negativen Stimmungen ausgelöst. Er schlussfolgert daraus, dass aufgrund häufiger Rezidive enge Assoziationen zwischen selektiv negativen Aufmerksamkeits- und Gedächtnisprozessen, Grübeln, dysfunktionalen Denkstilen und negativer Stimmung im Gedächtnis gespeichert werden, die dann alleine aufgrund von belastenden Emotionen aktiviert werden. Segal et al. (1999) konnten zudem beobachten, dass die Rezidivhäufigkeit durch kognitive Reaktivität auf negative Stimmungsinduktion vorhergesagt werden konnte. Das bedeutet, dass Patienten, die häufiger rückfällig werden, eine erhöhte kognitive Vulnerabilität aufweisen. Im Sinne der Kindling-Hypothese können depressive Rezidive mit steigender Anzahl vorheriger Episoden immer leichter und einfacher ausgelöst werden (Segal et al. 2002).

Ebenso wie bei den klinischen ist auch für die psychologischen Faktoren bislang ein kausaler Zusammenhang nicht geklärt. Es bleibt also offen, ob diese Faktoren ursächlich für eine rezidivierend verlaufende depressive Störung sind oder ob sich diese als Folge der depressiven Störung im Laufe entwickelte.

Abgeleitet aus den Risikofaktoren wurde in den letzten Jahren eine Reihe von psychologischen Ansätzen zur Rückfallprophylaxe weiterentwickelt. Dabei zielen die kognitiv-verhaltenstherapeutischen Ansätze (Jarett et al. 2001, Bockting et al. 2005) v. a. auf die Veränderung dysfunktionaler Grundüberzeugungen und den Abbau sozialer Kompetenzdefizite. Der Well-Being-Ansatz (Fava et al. 1998 a) sieht in einem reduzierten psychologischen Wohlbefinden ein Ressourcendefizit, was durch seine Therapieform verbessert werden soll und gleichzeitig zum Abbau von Residualsymptomen führt. Teasdale (2000) entwickelte einen therapeutischen Ansatz, der achtsamkeitsbasierte Interventionen anwendet, um die Wahrnehmungsfähigkeit depressiver Patienten für Auslöser depressiver Rückfälle zu erhöhen. Die genannten Ansätze werden im Folgenden ausführlicher dargestellt.

6.1 Behandlungsansätze in der Kognitiven Verhaltenstherapie


Die aktuelle Forschung belegt die Wirksamkeit Kognitiver Therapieansätze sowohl in der Akutphase als auch in der Rückfallverhinderung. Ungeklärt sind aber weiter die genauen Wirkfaktoren der therapeutischen Ansätze (Scott 2001). Die Ergebnisse von Hollon et al. (1990) geben einen ersten Aufschluss darüber, welche Komponenten Kognitiver Therapie wirksam sein könnten. Sie fanden, dass die symptomatische Besserung mit einer Veränderung negativer Erwartungen zusammenhängt. Dabei sind die veränderten Erwartungen kein Spezifikum der Kognitiven Therapie. Auch in der medikamentösen Therapie kam es zur Veränderung der Erwartungen, jedoch als sekundäre Folge der durch die Einnahme der Medikation erreichten Stimmungsverbesserung. Bei der Kognitiven Therapie erfolgt die Stimmungsveränderung jedoch als Resultat des veränderten Denkstils, sodass die Besserung als Resultat einer nachhaltigen Veränderung des Erklärungs- und Denkstils der Patienten verstanden werden kann. Diese bleibenden Veränderungen helfen, die Symptome nachhaltig nicht wieder auftreten zu lassen. Auch Teasdale et al. (2001) fanden diese rückfallprophylaktische Wirkung. Verschiedene therapeutische Ansätze wurden in den letzten Jahren unter Berücksichtigung dieser Befunde entwickelt. Dabei wird auf die aus der Akuttherapie von Depression bewährten kognitiven Methoden nach Beck et al. (1979) zurückgegriffen, welche entweder durch neuere Behandlungsmethoden, wie z. B. dem Konzept des Wohlbefindens oder der Achtsamkeit, oder durch andere spezifische kognitive Interventionen ergänzt werden. Erstere werden auch als die dritte Welle der Kognitiven Verhaltenstherapie bezeichnet. Den im Nachfolgenden dargestellten Therapieansätzen gemeinsam ist das dahinterliegende Rational, klinische und/oder psychologische Risikofaktoren wie z.B. Residualsymptome oder die kognitive Vulnerabilität der Patienten positiv zu beeinflussen.

6.1.1 Well-Being Therapy


Die Well-Being Therapie (WBT; Fava et al. 1998 a) basiert auf dem Konzept des psychologischen Wohlbefindens, das erstmals von Caroll Ryff (Ryff & Singer 1996) beschrieben wurde. Dieses Modell geht von sechs Dimensionen des Wohlbefindens aus. Diese Dimensionen lauten: Kontrollierbarkeit der Umwelt, persönliches Wachstum, Sinnhaftigkeit des Lebens, Autonomie, Selbstakzeptanz sowie positive Beziehungen zu anderen. Ziel der WBT ist es, den Patienten zu einem optimalen Niveau auf den unterschiedlichen Dimensionen zu verhelfen.

Dabei bleibt diese Therapieform ihren historischen Wurzeln der Positiven Psychologie (Fava & Ruini 2003) treu und fokussiert, im Gegensatz zu herkömmlichen kognitiven Ansätzen, v. a. auf positive Erlebnisse im Sinne des Wohlbefindens, wie es von Ruff und Singer (1996) beschrieben wurde. Dabei werden die Patienten angeleitet, z. B. ein Tagebuch zu führen, in dem sie nicht wie im klassischen Sinne ihre negativen Stimmungen und begleitenden Gedanken dokumentieren, sondern die Momente des Wohlbefindens aufschreiben sollen. Weiter sollen sie die Gedanken notieren, die dieses Wohlbefinden vorzeitig beenden oder die das Wohlbefinden verhindern. Diese Gedanken werden durch die Dokumentation aufgedeckt und im Sinne der sechs Dimensionen des Wohlbefindens modifiziert, was der klassischen Kognitiven Therapie entspricht. Ziel ist es also, anstatt Negatives zu vermeiden, Positives zu implementieren und nachhaltig zu stärken.

Struktur und Ablauf

Die WBT ist eine Kurzzeitintervention, die eingebettet ist in die kognitiv-behaviorale Therapie und um spezifische Elemente aus der Well-Being Therapie (vgl. Fava et al. 1998 a) erweitert wurde. In der ersten Phase der WBT werden mithilfe eines Tagebuchs die Momente des Wohlbefindens notiert. Ziel der Selbstbeobachtung ist es, den Patienten auch für alltägliche Erfahrungen von Wohlbefinden zu sensibilisieren. In der zweiten Phase werden die Gedanken, die das Wohlbefinden des Patienten vorzeitig beenden oder verhindern, identifiziert. Die letzte Phase der WBT zielt auf die Modifikation der das Wohlbefinden verhindernden Kognitionen ab. Dabei sollen die Betroffenen auf den sechs Dimensionen des Wohlbefindens ein optimales Niveau erreichen. Um dieses Ziel zu erreichen, sind neben der kognitiven Restrukturierung...