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Die Bourne Vergeltung - Roman

Robert Ludlum, Eric Van Lustbader

 

Verlag Heyne, 2015

ISBN 9783641133085 , 528 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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9,99 EUR


 

 

PROLOG

Las Peñas, Michoacán, Mexiko

In den elf Jahren seines Bestehens hatte es im La Concha d’Oro noch nie ein solches Aufgebot an Sicherheitskräften gegeben wie heute. Bewaffnete Soldaten schritten mit wachsamen Augen die Landseite des exklusiven Resorts ab, ein Motorboot patrouillierte in Ufernähe, und wo immer die beiden VIPs, für die das Feriendomizil von Gästen geräumt worden war, sich aufhielten, wurden sie von ihren Bodyguards wie von Bienen umschwärmt, und das rund um die Uhr.

Ihre Schützlinge waren zwei Männer: Carlos Danda Carlos, der neu ernannte Leiter der mexikanischen Antidrogenbehörde, und Eden Mazar, Antiterrorspezialist des Mossad. Mexiko konnte jede Hilfe gebrauchen im Kampf gegen die tief verwurzelte Korruption, die es den drei mächtigsten Drogenkartellen ermöglichte, das Land zu kontrollieren. Aus diesem Grund habe sich Danda Carlos an den Mossad gewandt, wie der Direktor des israelischen Geheimdienstes vor drei Tagen Jason Bourne erklärt hatte.

Carlos sei ein neuer Typus eines Mexikaners, hatte der Direktor ausgeführt – in den Vereinigten Staaten ausgebildet, ein furchtloser Reformer, entschlossen, das Land aus dem tödlichen Griff der Drogenbarone zu befreien.

»Los Zetas ist bei Weitem das gefährlichste Kartell«, hatte der Direktor erklärt, »vor allem weil es von desertierten Elitesoldaten der mexikanischen Sondereinsatzkräfte gegründet wurde.« Der Direktor hatte Bourne die Hand auf die Schulter gelegt. »Trotzdem wird Ihre Aufgabe ein Spaziergang angesichts der extremen Sicherheitsvorkehrungen, die wir getroffen haben. Passen Sie nur auf Eden Mazar auf und gönnen Sie sich zwischendurch ein bisschen Sonne und Entspannung.«

»Ich arbeite nicht für Sie. Für niemanden«, hatte Bourne erwidert, trotz der Gastfreundschaft, die ihm der Direktor nach dem Tod von Maceo Encarnación in Israel gewährt hatte.

Im Lächeln des Direktors schwang eine gewisse Traurigkeit mit. »Rebekka war wie eine Tochter für mich. Es ist jetzt ein Monat vergangen, seit sie beerdigt wurde, und Sie sind immer noch in Israel. Das sieht Ihnen gar nicht ähnlich.«

»Ich bin auch nicht mehr ich selbst«, antwortete Bourne. »Irgendwas in mir hat sich verändert. Ich will von alldem nichts mehr wissen.«

Der Direktor musterte ihn einen Augenblick. Er war ein klein gewachsener Mann mit weißem Kraushaar, in dessen wettergegerbtem Gesicht jede Falte für den Tod eines nahestehenden Menschen oder eine Enttäuschung zu stehen schien. Von seinen vielen Triumphen wusste die Öffentlichkeit nichts. »Ich dachte, diese … Reise könnte Ihnen helfen, auf andere Gedanken …«

»Nichts kann mich ihren Tod vergessen lassen«, erwiderte Bourne schroff.

Der Direktor nickte. »Es ist zu früh. Ich verstehe das vollkommen.« Er blickte sich im Hafen um. »Sie können gern noch einen Monat hierbleiben … so lange Sie wollen.«

Bourne wog seine Worte ab, suchte nach einem Hauch von Ironie darin, doch der Direktor schien wirklich zu meinen, was er sagte.

Erst jetzt kam ihm zu Bewusstsein, wie begrenzt im Moment seine Möglichkeiten waren. »Vielleicht haben Sie ja recht, und so eine Aufgabe ist genau das, was ich brauche.«

Also hatte er sich mit Eden Mazar getroffen und war mit demselben Mossad-Jet zusammen mit einem Trupp Leibwächter nach Mexiko geflogen, wo sie auf dem kleinen Privatflugplatz landeten, der ausschließlich für Gäste von La Concha d’Oro bestimmt war und den die mexikanischen Behörden schon achtundvierzig Stunden vor ihrer Ankunft für den gesamten Flugverkehr gesperrt hatten.

Und so war er nun hier, stets in der Nähe der beiden Schützlinge und ihrer Bodyguards, und hielt nach Anzeichen von Ärger Ausschau, den es mit Sicherheit nicht geben würde. Das Problem war nur, dass er sich wieder in Mexiko befand, zwar weit weg von Mexiko City, wo Rebekka gestorben war – doch er musste auch hier ständig an ihren Tod auf dem Rücksitz eines Taxis denken, während er mit ihr quer durch die Stadt gerast war.

Vielleicht hatte der Direktor Bournes Reaktion auf seine rasche Rückkehr in dieses Land nicht bedacht; er konnte den Vorschlag aber auch ganz bewusst gemacht haben: Oft war es die beste Strategie, wieder auf das Pferd zu steigen, das einen abgeworfen hatte.

Aber nicht diesmal.

Ohne dass es ihm so richtig bewusst war, hatte Rebekka Bournes Schutzpanzer durchbrochen und ihn im Innersten berührt. Ihr Tod schmerzte wie eine innere Wunde, die einfach nicht verheilen wollte. Ich habe schon andere Frauen wie sie getroffen, dachte er immer wieder. Und doch war keine wie sie, fügte er unvermeidlich hinzu.

Solche dunklen Gedanken waren nicht unbedingt typisch für ihn. Er hatte so viele Prüfungen bestehen müssen, dass er schließlich überzeugt war, nichts könne ihn mehr aus dem Gleichgewicht bringen. Doch Rebekkas Tod war nach all den anderen Verlusten von nahestehenden Menschen ein Schlag, von dem er nicht wusste, ob er ihn je würde überwinden können. Und er war sich nicht sicher, ob er ihn überhaupt überwinden wollte. Seit dem Tag, an dem ihn Fischer aus dem Mittelmeer gezogen hatten, fühlte er sich ohnehin mehr wie ein Toter unter Lebenden. Er hatte sein Gedächtnis verloren, seine Vergangenheit, sein ganzes Leben bis zu dem Zeitpunkt, als er in einer fremden Umgebung die Augen aufschlug.

Als Eden Mazar unter dem bunt bemalten hölzernen Dach des achteckigen Pavillons hervortrat, von dem man einen herrlichen Blick auf den Pazifik hatte, wurde ihm bewusst, dass er sich einmal mehr in einer fremden Umgebung befand. Doch diesmal fühlte er sich völlig verloren, wie ein Schiffskapitän, der seine Seekarte verloren hatte und nicht mehr wusste, wie man sich an den Sternen orientierte.

»Diese Leute können einem wirklich leidtun«, raunte ihm Eden zu. »Entweder fehlt ihnen der Wille oder sie sind zu korrupt, um die Drogenkartelle gezielt zu bekämpfen. Für mich gibt es hier jedenfalls nichts mehr zu tun. Die mexikanische Regierung hat das Land längst nicht mehr unter Kontrolle. Hier herrschen die Kartelle. Wir brechen heute Abend nach dem Essen auf.«

Bourne nickte.

Eden wandte sich ab, zögerte einen Moment und kam lächelnd zu Bourne zurück. »Langweilen Sie sich schon?«

»Wie kommen Sie darauf?«

Eden schnaubte. »Ich sehe doch Ihr Gesicht. Außerdem habe ich Ihre Akte gelesen.«

Bourne fand es alarmierend, dass der Mossad eine Akte über ihn führte, doch es überraschte ihn nicht wirklich. Er fragte sich nur, wie exakt und vollständig sie war.

»Das hier ist einfach keine Herausforderung für Sie, stimmt’s?«, fuhr Eden fort. »Sie sind ein Mann für die heiklen Einsätze, und genau das schätzt der Direktor so an Ihnen.«

»Ich wusste nicht, dass man sich beim Mossad über mich unterhält.«

Eden lächelte freundlich. »Sie haben Rebekka nahegestanden … waren dabei, als sie starb.«

Plötzlich verstand Bourne. »Und ich bin für den Direktor das einzige lebende Bindeglied zu ihr?«

»Sie war ein besonderer Mensch und eine herausragende Agentin. Wir vermissen sie und werden sie nie ersetzen können. Ihr Tod hat uns einen schweren Schlag versetzt. Das darf nicht ungesühnt bleiben.«

»Typisch Mossad, stimmt’s?«

Mazar ging nicht auf die Bemerkung ein. »Ich muss zu Carlos zurück. Er ist kein schlechter Kerl, aber wenn es darum geht, schlagkräftige Maßnahmen gegen die Kartelle zu ergreifen, sind ihm die Hände gebunden. Wie gesagt, bedauernswert.«

Bourne überlegte einen Augenblick. »Warum sind Sie überhaupt hier? Seit wann interessiert sich der Mossad für mexikanische Drogenkartelle?«

»Haben Sie das den Direktor nicht gefragt?«

Bourne wunderte sich selbst darüber; vielleicht hatte er einfach nicht klar denken können.

Mazar lächelte. »Andererseits brauchen Sie das niemanden zu fragen, stimmt’s, Jason?«

Bourne sah ihm nach, wie er die Stufen zum Pavillon hochstieg, wo Carlos und seine Leibwächter geduldig im Schatten warteten. Ein kühler Wind vom Meer fuhr ihm durchs Haar. Was hatte Eden gemeint? Wusste der Mossad von der Verbindung zwischen Encarnación, den mexikanischen Drogenkartellen und der chinesischen Regierung, auf die Bourne gestoßen war? Hatte sich Rebekka schon früher mit dieser Sache beschäftigt, noch bevor sie ihm begegnet war? Er nahm sich vor, die Antwort auf die eine oder andere Weise aus Mazar herauszubekommen.

Plötzlich hörte er ein fernes Summen wie von einem Insekt, blickte auf und sah ein kleines Flugzeug hoch am Himmel. Er kniff die Augen zusammen, als es näher kam, und sah die beiden Schwimmer an der Unterseite. Ein Wasserflugzeug. Er schirmte die Augen mit der Hand ab und erkannte, dass die Mannschaft des Patrouillenbootes das Flugzeug ebenfalls bemerkt hatte. Es folgte rege Betriebsamkeit an Deck und die Männer griffen zu ihren Gewehren.

Edens Bodyguards unter dem Pavillon schienen das Geschehen draußen nicht mitzubekommen. Bourne stieg die Treppe hoch, um den Mossad-Agenten zu warnen, als Danda Carlos’ Männer plötzlich mit Macheten auf die beiden Leibwächter Edens losgingen und ihnen die Köpfe abtrennten.

Eden wirbelte herum, von Blutspritzern bedeckt. Bourne wollte ihn packen und mit sich ziehen, doch Carlos richtete eine .357er Magnum auf Bourne und schüttelte den Kopf. Eden blickte sich nach Bourne um, als einer von Carlos’ Männern seine Machete so energisch schwang, dass Edens Kopf sich von den Schultern löste und zum Strand hinunterflog, über...