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Neuropsychologische Therapie - Grundlagen und Praxis der Behandlung kognitiver Störungen bei neurologischen Erkrankungen

Jascha Rüsseler, Marcus Hasselhorn, Herbert Heuer, Frank Rösler

 

Verlag Kohlhammer Verlag, 2009

ISBN 9783170281080 , 336 Seiten

Format PDF, ePUB, OL

Kopierschutz Wasserzeichen

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30,99 EUR

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1 Neurologische Erkrankungen mit assoziierten kognitiven Defiziten


1.1

Schädel-Hirn-Trauma

1.2

Schlaganfall

1.3

Tumoren des Gehirns und seiner Häute

1.4

Entzündliche Erkrankungen des Gehirns und seiner Häute

1.5

Multiple Sklerose

1.6

Hypoxische Hirnschädigung

1.7

Morbus Parkinson

Dieses Kapitel beschreibt die Pathophysiologie, häufige funktionelle Beeinträchtigungen und den natürlichen Verlauf von neurologischen Störungen, die die meisten der Patienten betreffen, die mit kognitiven Beeinträchtigungen zur neuropsychologischen Diagnostik und Therapie kommen. Es werden Schädel-Hirn-Trauma, Schlaganfall, Tumoren, entzündliche Erkrankungen des Gehirns und seiner Häute, hypoxische Schädigungen des Gehirns, Multiple Sklerose sowie die Parkinson’sche Krankheit besprochen. Informationen zu anderen relevanten Erkrankungen (Epilepsien, Demenzen) finden sich in den entsprechenden störungsspezifischen Kapiteln.

Bei den meisten der besprochenen Erkrankungen bzw. Schädigungen können zwei Phasen unterschieden werden, die zu der Hirnverletzung beitragen: die unmittelbare Schädigung des Hirngewebes als direkte Folge der auf das Gehirn einwirkenden mechanischen Kräfte oder entzündlichen Prozesse sowie sekundäre Schädigungen, die infolge metabolischer Unregelmäßigkeiten oder aufgrund der ursprünglichen neuronalen Verletzungen auftreten.

Eine weitere, für das Verständnis der kognitiven Beeinträchtigungen hilfreiche Unterscheidung betrifft die Verteilung des von der Verletzung betroffenen Hirngewebes. Man unterscheidet hier zwischen fokalen, multifokalen und diffusen Verletzungen (Läsionen). Fokale Läsionen sind örtlich begrenzt. Der Effekt einer fokalen Läsion hängt ab von der Größe, dem Läsionsort und dem pathologischen Prozess, der zu der Läsion geführt hat. So kann ein Tumor häufig recht groß werden, bevor neurologische Ausfälle zu beobachten sind, während eine plötzlich auftretende Läsion gleicher Größe aufgrund eines Schlaganfalls bereits zu starken und klinisch beobachtbaren Ausfällen führt. Bei einem langsam wachsenden Tumor hat das Gehirn Zeit zur neuronalen Reorganisation und Kompensation. Fokale Läsionen sind häufig die Folge von zerebrovaskulären Erkrankungen (Schlaganfall), Tumoren, Gehirnabszessen oder Schussverletzungen.

Multifokale Läsionen liegen vor, wenn Gewebsschädigungen an mehr als einem umschriebenen Ort im Gehirn vorliegen. Schwere zerebrovaskuläre Erkrankungen, die Multiple Sklerose und vor allem Schädel-Hirn-Traumata sind hier als Ursachen zu nennen. Die funktionale Behinderung ist üblicherweise bei bilateralen Läsionen größer als bei unilateralen Läsionen.

Memo

Man unterscheidet zwischen fokalen, multifokalen und diffusen Verletzungen des Gehirns. Fokale Läsionen sind örtlich begrenzt. Die Folgen einer fokalen Läsion sind abhängig von der Größe, dem Läsionsort und dem pathologischen Prozess, der zu der Läsion geführt hat. Häufige Ursachen fokaler Läsionen sind Tumore und zerebrovaskuläre Erkrankungen (z. B. Schlaganfall).

Multifokale Läsionen sind Gewebsschädigungen an mehr als einer umschriebenen Stelle im Gehirn. Schwere zerebrovaskuläre Erkrankungen und vor allem Schädel-Hirn-Traumata sind hier als Ursachen zu nennen.

Diffuse Hirnverletzungen sind durch weit verteilte Verletzungen von Gehirngewebe gekennzeichnet. Schädel-Hirn-Traumata, Hypoxie und entzündliche bzw. metabolische Erkrankungen des Gehirns sind die häufigsten Ursachen.

Diffuse Verletzungen sind durch weit verteilte Verletzungen von Gehirngewebe gekennzeichnet. Ursache sind hier vor allem Schädel-Hirn-Traumata, die durch Akzelerations-Dezelerations-Kräfte verursacht sind, Hypoxie (Sauerstoffmangel, z. B. infolge eines Herzstillstandes) sowie eine Reihe entzündlicher und metabolischer Erkrankungen des Gehirns. Die kognitiven Folgen bei diffusen Hirnverletzungen sind von der Dichte der Verletzungen und von den betroffenen Strukturen abhängig.

1.1 Schädel-Hirn-Trauma


Epidemiologie

Schätzungen zufolge erleiden jährlich ca. 200 000 bis 300 000 Menschen in Deutschland ein Schädel-Hirn-Trauma (SHT). Möllmann (2006) berichtet in einer multizentrischen Studie in Norddeutschland von einer Inzidenz von 332 pro 100 000 Einwohner, wobei 90,9 % leichte, 3,9 % mittlere und 5,2 % schwere SHT aufwiesen. Männer waren in dieser Studie etwas häufiger betroffen als Frauen (58,4 % vs. 41,6 %) und der Anteil von Personen unter 16 Jahren war mit 28 % ungewöhnlich hoch. Ähnliche Daten werden von Tagliaferri et al. (2006) in einer Zusammenschau epidemiologischer Studien europäischer Länder aus den Jahren 1980 bis 2003 berichtet: Inzidenz 235/100 000, Mortalität 15/100 000, Schweregrad bei hospitalisierten Patienten 22:1,5:1 (leicht:mittel:schwer). Die häufigsten Ursachen für SHT sind Verkehrsunfälle, Haushaltsunfälle, Stürze und Sportverletzungen. Verkehrsunfälle kommen dabei besonders häufig in der Altersgruppe der 18-bis 30-Jährigen vor, während bei älteren Patienten und Kindern Stürze die vorherrschende Ursache darstellen.

Man unterscheidet zwischen einem penetrierenden (offenen) und einem gedeckten (geschlossenen) SHT. Beim offenen SHT ist die Dura mater zerrissen.

Hirnverletzungen nach SHT

Nach einem SHT können folgende Hirnverletzungen auftreten: Schädelfraktur, intrakranielle Hämatome, Kontusionen (Gehirnerschütterung, Gehirnprellung, Gehirnquetschung), andere fokale Schädigungen, diffuses axonales Trauma.

Schädelfrakturen werden nach ihrer Lokalisation, dem Typ (Biegungsfraktur, Berstungsfraktur) und der Form klassifiziert. Weiterhin wird zwischen offener und geschlossener Fraktur unterschieden. Generell entsteht beim Auftreten von Schädelfrakturen ein erhöhtes Risiko für intrakranielle Blutungen, das mit abnehmendem Glasgow Coma Scale Score ansteigt (GCS; s. u.).

Intrakranielle Hämatome. Man unterscheidet Epiduralhämatome (zwischen Schädelknochen und Dura gelegen), Subduralhämatome (zwischen Dura und Arachnoidea/Spinnwebhaut gelegen) und Subarachnoidalblutungen (SAB; unter der Spinnwebhaut, d. h. im Liquorraum gelegen). Epiduralhämatome treten bei 5 % bis 15 % der mittelschweren bis schweren SHT auf. Sie sind zumeist temporal lokalisiert und resultieren oft aus Blutungen aus der Arteria meningea media, die bei Frakturen der Schädelkalotte einreißt. In bis zu 50 % der Fälle nehmen Epiduralhämatome während des Krankheitsverlaufes an Größe zu.

Subduralhämatome werden in der Regel durch das Zerreißen der Brückenvenen verursacht. Sie kommen bei 5 % bis 22 % der mittelschweren bis schweren SHT vor. Traumatische SAB treten bei bis zu 50 % der von einem schweren SHT betroffenen Patienten auf. Mittels Computertomographie (CT) werden vier Schweregrade unterschieden, wobei der schwerste Grad Einblutungen ins Ventrikelsystem umfasst. Bei ca. 30 % der Patienten mit traumatischer SAB kommt es zwischen dem 4. und 14. Tag nach dem SHT zum Auftreten eines Vasospasmus (plötzliche, krampfartige Verengung eines blutführenden Gefäßes). Ein Drittel dieser Patienten entwickelt dann auch eine zerebrale Ischämie (s. u.).

Kontusionen. Prellungen des Gehirns und daraus resultierende Schwellungen finden sich bei 60 % bis 100 % der SHT-Patienten. Zumeist sind Kontusionsherde frontotemporal lokalisiert. Man unterscheidet zwischen coup und contre-coup, d. h. zwischen der Läsion des Hirngewebes unmittelbar unter dem Aufprallort (coup) und der Gewebeschädigung an der dem Aufprallort gegenüberliegenden Seite (contre-coup), die aus der Rebound-Bewegung des Gehirns im Liquor nach dem Aufprall an der Schädeldecke resultiert. Das Zerreißen der Kapillargefäße, Ödeme und die sekundäre Hirndrucksteigerung sind die Ursachen der durch eine Gehirnprellung hervorgerufenen Hirnschädigung.

Das SHT wird in drei Schweregrade eingeteilt, die sich an der Dauer der Bewusstlosigkeit, der Rückbildung der Symptome und den Spätfolgen orientieren.

  • SHT 1. Grades (Commotio cerebri oder Gehirnerschütterung): leichte, gedeckte Hirnverletzung ohne Bewusstlosigkeit bzw. mit Bewusstlosigkeit bis zu 15 Minuten. Sie heilt in ca. fünf Tagen vollständig aus. Die Patienten haben in der Regel lediglich eine retrograde Amnesie und Übelkeit zu beklagen.
  • SHT 2. Grades (Contusio cerebri oder Gehirnprellung): Bewusstlosigkeit länger als 15 Minuten. Spätfolgen sind von der Lokalisation der Hirnschädigung abhängig. Keine Perforation der Dura.
  • SHT 3. Grades (Compressio cerebri oder Gehirnquetschung): Bewusstlosigkeit länger als 30 Minuten, verursacht durch Einklemmung des Gehirns durch Blutungen, Ödeme oder ähnliche...